Das von Passagieren häufig als „Zwangstrinkgeld“ bezeichnete, obligatorische Service-Entgelt einiger Reedereien anstelle des sonst üblichen freiwilligen Trinkgelds ist nach einem Beschuss des Berliner Kammergerichts verbindlicher Preisbestandteil bei einer Kreuzfahrt. Es muss daher in der Werbung direkt im genannten Preis enthalten sein. Ein Hinweis auf das Service-Entgelt als Fußnote zur Preisangabe reicht laut Gericht dafür nicht.
In dem vom Berliner Kammergericht entschiedenen Fall (AZ: 5 W 11/13) vom 12. Februar 2013 ging es um eine – von der Vorinstanz abgelehnte – einstweilige Verfügung gegen den Kreuzfahrt-Anbieter, der in einer Berliner Tageszeitung eine Kreuzfahrt mit der folgenden Preisangabe angeboten hatte:
„ inkl. Flug ab/bis Berlin ab € 555,– p.P. zgl. Service Entgelt* “
Der Fußnotentext dazu lautete:
„ * … Preise zzgl. Service Entgelt. Am Ende der Kreuzfahrt fällt zusätzlich ein Entgelt in Höhe von € 7,- pro Erw. und beanstandungsfrei an Bord verbrachter Nacht an. Ausführliche Informationen zum Service Entgelt finden Sie im aktuellen …-Katalog.“
Das Gericht entschied nun, dass eine Einstweilige Verfügung gegen diese Werbung berechtigt gewesen wäre und auch ein Unterlassungsanspruch für künftige Fälle besteht, weil sie einen unlauteren Wettbewerb darstelle. Allerdings wirkt sich dieser Gerichtsbeschluss nicht direkt auf den Kreuzfahrt-Passagier aus, denn wettbewerbsrechtliche Ansprüche beispielsweise wegen irreführender Preisangaben kann nur ein Konkurrent geltend machen, nicht aber ein von falschen Preisangaben möglicherweise in die Irre geführter Endkunde. Einen Anspruch auf den niedrigeren, in der Werbung genannten Preis hat er Kunde daraus nicht.
Das Urteil ist aber vor allem deshalb interessant, weil das Gericht klar feststellt, dass das „Service Entgelt“ als verbindlicher Preisbestandteil einer Kreuzfahrt anzusehen ist und nicht variablen Nebenkosten wie beispielsweise einem freiwilligen Trinkgeld gleichzusetzen ist. Das Service-Entgelt müsse zwingend in den in der Werbung genannten Endpreis eingerechnet und nicht nur als Fußnote angemerkt werden.
In der Begründung sagt das Gericht klar und deutlich: „Es handelt sich bei dem Serviceentgelt (…) um einen endgültig bezifferbaren Preisbestandteil. Denn die Zahl der Nächte steht fest (7). Und entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin [Anm.: der Reiseveranstalter] (…) ist es zum Zeitpunkt der Reisebuchung keineswegs `völlig unklar`, ob eine Nacht beanstandungsfrei verbracht wird. Denn einen beanstandungsfreien Service zu liefern, ist die selbstverständliche Pflicht des Reiseveranstalters.“
Im entschiedenen Fall lautete die Preisangabe auf 555 Euro, hätte laut Gericht aber mit 555 Euro plus 7 mal 7 Euro Serviceentgelt = 604 Euro angegeben werden müssen.
Wenn man der Argumentation des Reiseveranstalters folgt („zum Zeitpunkt der Reisebuchung ist `völlig unklar`, ob eine Nacht beanstandungsfrei verbracht wird“), würde das ja bedeuten, dass bei einer Beanstandung kein Serviceentgelt anfällt.
Na, irgendeine Reklamation wird sich doch finden lassen … ;-)
@Marita: Die Reisebedingungen sind da schon ziemlich klar und deutlich: Es muss wesentlich sein, man muss es sofort anmahnen und man kann das Serviceentgelt auch nur dann stornieren lassen, wenn der Mangel nicht behoben wird. In der Praxis bedeutet das: Man verbringt so viel Zeit in der Warteschlange und beim Beschweren an der Rezeption, dass man sich den ganzen Urlaub damit versaut …
Ich finde es richtig, dass das jetzt aufgezeigt werden muss!
Hallo! Jede Reederei hat doch glaube ich einen anderen Gerichtsstand,zieht dann überhaupt das deutsche Gerichtsurteil?Fakt ist doch eins,es giebt kein Gesetz auf der Welt,das mich zwingt Trinkgeld zu zahlen.Nichts gegen Trinkgeld aber nicht vom Bordkonto.Bis jetzt habe ich das bei 11 Kreuzfahrten ordentlich und sachlich hin bekommen. Grüße heranush53
@heranush53: Da muss man genau differenzieren. In diesem Urteil hier ging es um Wettbewerbsrecht – da spielt ein in den Reisevertrag vereinbarter bzw. in den AGB vorgesehener Gerichtsstand keine Rolle, weil es bei Wettbewerbsrecht darauf ankommt, wo der Rechtsverstoß stattfindet – deshalb hier Kammergericht Berlin, weil die fragliche Werbung in einer Berliner Zeitung erschienen ist.
Reedereien, bei denen das „Trinkgeld“ obligatorisch ist, nennen das Ganze auch nicht „Trinkgeld“, sondern zum Beispiel Service Gebühr o.ä. Steht im Reisevertrag, das zusätzlich zum Reisepreis eine obligatorische Servicegebühr von beispielsweise 7 Euro pro Passagier und Nacht erhoben wird, dann ist das bindend und auch die Tatsache, dass die Werbung für diese Reise möglicherweise gegen Wettbewerbsrecht verstoßen hat, ändert für den Passagier nichts – schließlich hat er den Reisevertrag mit der entsprechenden Klausel ja freiwillig abgeschlossen.
Der im Reisevertrag vereinbarte Gerichtsstand ist nur relevant für Klagen, die sich auf den Inhalt des Reisevertrags beziehen. Auch bei internationalen Reedereien ist in den deutschen Reisebedingungen in der Regel (nicht immer! also genau lesen!) ein Gerichtsstand in Deutschland vorgesehen. Kritisch wird’s nur, wenn man beispielsweise übers Internet direkt bei der Reederei in den USA bucht – denn dann schließt man eben einen Vertrag zu den amerikanischen Bedingungen ab, und da ist der Gerichtsstand dann zum Beispiel Miami und deutsches Reiserecht spielt dann auch eine Rolle.
hallo herr neummeier!vielen dank für ihre antwort.ich bin trotz alledem der meinung ,das ich mein trinkgeld den leuten persönlich gebe,die haben keine vollmacht von mir an meinem konto rumzuwerkeln.ich fahre am 5.mai das erste mal mit costa,mal sehen wie man es dort handhabt! tschüß und schönen sonntag heranush53
Costa gehört zu den Reedereien, bei denen es kein freiwilliges Trinkgeld, sondern eine im Reisevertrag vereinbarte, verbindliche Service-Gebühr gibt. Das hießt, Sie kommen nicht um die Abbuchung von Ihrem Bordkonto herum. Wenn Sie’s dennoch versuchen, versauen Sie sich mit der Herumstreiterei nur den Urlaub. Die Service-Gebühr ist bei Costa einfach Bestandteil des Reisvertrags – ob einem das nun gefällt oder nicht. Es zwingt einen ja keiner, mit Costa einen Reisevertrag abzuschließen …
Hallo!Vielen Dank für ihren Rat.Mal sehen wie es läuft,streiten werde ich mich auf keinen fall. Schöne Woche wünscht ihnen heranush53
Vielleicht sollte man mal erklären, wie es eigentlich zur Einführung von Service-Gebühren kam – das war weder als Zusatzeinnahme der Reedereien gedacht, noch als Bevormundung der Kunden. Der Gedanke kommt aus den USA, wo es eine andere Trinkgeldkultur gibt, als in Deutschland: dort sind die Service-Gehälter sehr niedrig, man lebt quasi von den „Tips“ und nur wer einen guten Service leistet bekommt viele „Tips“ und verdient eben besser.
Auf Schiffen gibt es aber so viele unterschiedliche Servicekräfte, viele davon hinter den Kulissen, dazu hat man als Passagier selten passendes Kleingeld (an Bord zahlt man ja bargeldlos), so dass die Passagiere auf die Idee kamen, ob es nicht besser wäre, wenn ein durchschnittlicher Betrag einfach vom Bordkonto abgebucht und unter den Servicekräften verteilt wird.
Es ist natürlich problematisch, wenn einzelne Reedereien das Serviceentgeld als zusätzliche Einnahmequelle entdeckt haben. Problematisch sehe ich aber auch die Diskussion von einigen Passagieren, denen es weniger um die Preisangabe der Reederei geht, als vielmehr darum, sich um das Trinkgeld herumzudrücken. Leider gibt es immer mehr Zeitgenossen, die nicht mehr bereit sind, für eine gute Leistung eine faire Anerkennung zu geben (oder auch einfach mal Danke zu sagen), sondern als normal und „dafür hab ich doch bezahlt“ voraussetzen.
Als Deutsche haben wir nun einmal im internationalen Tourismus den Ruf, geizig zu sein und zu wenig Trinkgeld zu geben. Das mag zwar nicht wirklich aus Geiz so sein, sondern weil wir eben eine andere Trinkgeldkultur haben. Aber international leisten wir uns damit langfristig einen Bärendienst, denn Deutsche werden schon heute in vielen Situationen nicht mehr gerne bedient: so bekommt man oft einen nicht so schönen Tisch im Restaurant, wird schneller abgefertigt oder – wie ich in China erlebt habe – studieren die Reiseleiter nicht mehr so gerne Deutsch, lieber Englisch, weil sie von Amerikaner mehr Trinkgeld bekommen.
Auch ich bin dafür, dass die Service-Entgelte in den Reisepreis eingeschlossen werden, zumal dies die deutsche Preisangabenverordnung vorschreibt. Allerdings muss sich der Passagier dabei auch darüber im klaren sein, dass sich damit die Reisepreis um mehr als das Serviceentgelt erhöht, da der Veranstalter bestimmte Steuern, Abgaben und Provisionen eben auf den Endpreis abführen muss. Im Beispielfall würde sich der Endpreis also nicht auf 604,- Euro erhöhen, sondern auf mindestens 615,- Euro.
@Rainer Nuyken: Vielen Dank für die ausführlichen Ergänzungen – insbesondere den Hinweis auf die Steuern/Gebühren. Ein wichtiger Aspekt, den man leicht übersieht!
Ansonsten haben wir bei cruisetricks.de schon häufig ausführlich über das Thema Trinkgeld berichtet, sodass ich all die Details und Erklärungen nicht jedesmal wiederhole ;-)
siehe: https://www.cruisetricks.de/trinkgeld-auf-kreuzfahrt-schiffen/ , https://www.cruisetricks.de/zwangstrinkgeld-ein-aergernis-mit-langer-geschichte/ und https://www.cruisetricks.de/sind-sie-ein-trinkgeld-muffel/
Hallo Rainer
Das mit den Provisionen wäre ja schön. Leider ist es ja aber in der Realität so, dass in der Rechnung die Trinkgelder dann wieder rausgerechnet werden und nix ist mit Prov. auf die Trinkgelder oder Service Charge.
Auch wenn eine Reise bei Costa mit „Europa Flug“ beworben wird, bekommen wir ja auch nur die Vergütung auf den Cruise Only Preis.
Die Reedereien werden dann den Kunden schon sagen „Wegen des höheren Aufwandes müssen wir statt 7€ jetzt 8€ berechen“. Wir Reisebüros werden davon aber eher keinen Cent sehen. Wie immer!