Es wirkt fast wie ein Showdown, wenn auch ein freundlicher: Sowohl Hurtigruten als auch Havila wollen im Oktober beziehungsweise November 2025 jeweils zum ersten Mal die gesamte Strecke von Bergen nach Kirkenes und zurück mit 100 Prozent Bio-Treibstoff befahren. Hurtigruten setzt nachhaltiges HVO100 ein, Havila verwendet Biogas. Das kommt einem klimabeutralen Schiffbetrieb schon recht nahe.
Es ist ein Thema, bei dem es für beide Reedereien um viel geht: Alle zehn Jahre, das nächste Mal im Jahr 2030, werden die staatlichen Lizenzen für die norwegische Küstenroute neu vergeben. Aktuell fährt Hurtigruten dort mit sieben, Havila Voyages mit vier Schiffen.
Bis zu einem gewissen Grad geht es bei dem Wettkampf zwischen Hurtigruten und Havila aber auch um ein gemeinsames Ziel: den Erhalt der staatlichen Subventionierung der norwegischen Küstenroute. Denn die wird derzeit diskutiert.
Für Hurtigruten und Havila geht es also um eine Weichenstellung. Jede der beiden Reedereien will die eigenen Vorzüge in die politische Diskussion einbringen und beide tun das öffentlichkeitswirksam mit den angekündigten Reisen im Spätherbst und Winter 2025, mit denen sie demonstrieren wollen, dass ein nahezu klimaneutraler Betrieb der Küstenroute bereits jetzt möglich ist.
Bent Martini, CEO von Havila Voyages, schreibt in einer Pressemitteilung: „Je mehr Reedereien sich für Nachhaltigkeit entscheiden, desto besser für unsere Küsten und das Klima. Wenn beide Unternehmen, die derzeit Verträge mit den norwegischen Behörden haben, zeigen, dass strengere Anforderungen möglich sind, können diese ab dem ersten Tag der nächsten Vertragsperiode ohne schrittweise Einführung umgesetzt werden – und wir halten das für positiv und für den einzig richtigen Weg.“
HVO100 („Bio-Diesel“) vs. Biogas („Bio-LNG“)
Bio-Diesel und Bio-LNG stehen in der Zwischenüberschrift in Anführungszeichen – denn technisch sind das jeweils falsche Bezeichnungen, die landläufig dennoch häufig für diese Treibstoffe verwendet werden. HVO100 entsteht in einem anderen Produktionsverfahren als Bio-Diesel, auch wenn der Rohstoff grundsätzlich ähnlich ist: Pflanzenöle.
LNG ist verflüssigtes Erdgas, also ein fossiler Kraftstoff, während „Bio-LNG“ eben gerade nicht fossil ist, sondern aus Biomasse gewonnen wird. Biogas oder LBG (liquefied bio gas) sind also die technisch korrekten Bezeichnungen dafür.
Havila ist zunächst einmal im Vorteil, weil die Reederei vier Neubauten einsetzen kann. Die Havila Polaris, Castor, Pollux und Capella verfügen über große Akku-Kapazitäten (6,1 Megawatt-Stunden), die mit LNG fahren und direkt auf nachhaltig produziertes Biogas umstellen können. Die Maschinen sind effiziente, reine LNG-Maschinen, also nicht Dual-Fuel wie bei den großen LNG-Kreuzfahrtschiffen.
Die Flotte von Hurtigruten dagegen ist relativ alt, wurde aber modernisiert und teil ebenfalls mit Akkus ausgerüstet. Und es gibt Neubaupläne, dazu später mehr. Als Treibstoff kann Hurtigruten auf den bestehenden Schiffen Bio-Diesel einsetzen, konkret: HVO100, nachhaltig unter anderem aus altem Speiseöl produziert.
Mit der Kong Harald, Richard With und Nordlys sind drei der sieben Hurtigruten-Schiffe kürzlich mit neuen Maschinen mit SCR-Katalysatoren sowie Akkus (Kapazität 2,24 Megawatt-Stunden) umgerüstet worden. Nordkapp, Nordnorge und Polarlys haben SCR-Katalysatoren bekommen, die Vesteralen bereits 2019 neue Hauptmaschinen mit SCR-Katalysatoren.
Welche Variante ist nun die bessere? Ob HVO oder Biogas („Bio-LNG“, LBG) die klimafreundlichere Variante darstellt, hängt von vielen Faktoren ab, vor allem in der Produktion dieser Treibstoffe.
HVO: kritische Rohstoffquellen und lokale Emissionen
HVO (hydrotreated vegetable oil) verursacht im Vergleich zu Biogas lokale Umweltschadstoffe in den Häfen wie Schwefeloxid und Feinstaub, auch wenn selbige durch Filteranlagen reduziert werden. Auch die Stickoxid-Emissionen sind trotz Filterung etwas höher als bei LNG. Vor allem ist bei HVO die Herkunft des Rohstoffs und die Produktion ausschlaggebend dafür, ob der Kraftstoff überhaupt klimafreundlich ist, oder womöglich die Abholzung von Regenwäldern zur Produktion von Palmöl fördert, Stichwort „indirect land use change“. Hurtigruten betont, das verwendete HVO100 entstehe in SKandinavien aus altem Speiseöl, was eine klimafreundliche Variante dieses Treibstoffs wäre – siehe Details weiter unten.
Biogas: Die Sache mit dem Methanschlupf
Bei Biogas hängt es stark von den Produktionsbedingungen und auch den Motoren ab, ob es bei der Verbrennung klimafreundlicher ist. Denn entweicht unverbranntes Gas, also Methan, ist das – auf 100 Jahre projiziert – 28mal klimaschädlicher als die gleiche Menge CO2. Betrachtet man nur die Verbrennung, kann also auch Biogas nicht komplett klimaneutral sein, weil Methan, auch wenn das zugrundeliegende CO2 nicht fossiler Herkunft ist, kurzfristig stärker klimawirksam ist.
Die Havila-Schiffe arbeiten mit Maschinen, die von der EU als „Lean-Burn Spark-Ignited (LSBI)“ eingestuft sind. Als Standard-Wert für Methanschlupf nimmt die EU für solche Maschinen 2,6 Prozent des eingesetzten LNG an – weniger als die 3,1 Prozent bei den typischerweise auf großen Kreuzfahrtschiffen verwendeten Dual-Fuel-Maschinen). Havila gibt an, dass der tatsächliche Methanschlupf ihrer Maschinen bei 2,27 Prozent liegt (gemessen von Ecoxy). Bei den derzeit modernsten Dual-Fuel-Maschinen liegt dieser Wert nach Werft- und Reedereiangaben bei etwa 1,6 Prozent.
Wie sehen Havila und Hurtigruten das?
Havila sieht sich mit Bio-Gas im Vorteil, vor allem, weil nahezu keine Luftschadstoff-Emissionen in den Häfen entstehen: „Biodiesel reduziert Emissionen, aber Bio-Gas bietet noch größere Reduktionen – nicht nur bei den CO₂-Emissionen, sondern auch bei lokalen Emissionen wie Stickstoff- und Schwefeloxiden, die mit Bio-Gas um 100 Prozent reduziert werden. Dies hat einen großen Einfluss auf die lokale Luftqualität in den 34 Häfen, die wir entlang der Küste anlaufen.“
Hurtigruten kontert auf Anfrage von Cruisetricks.de: „Gemäß der RED-II-Richtlinie sind beide Kraftstoffarten klimaneutral, sofern sie die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. (…) Unsere Wahl basiert nicht auf der Einschätzung, welcher Kraftstoff generell der Beste ist, sondern auf der möglichen Emissionsreduzierung, die auf Faktoren wie bewährter Technologie, Anpassungsfähigkeit an unsere Flotte, Eignung für unseren Betrieb und Unterstützung durch die vorhandene Infrastruktur beruht.“
Die klimaneutralen Reisen der Havila Polaris und Richard With
Was planen Havila Voyages und Hurtigruten nun genau für ihre klimaneutralen oder annähernd klimaneutralen Reisen im Spätherbst und Winter 2025?
Die Havila Polaris bunkert zunächst am 26. November 2025 bei Polarbase in Hammerfest 200 Kubikmeter verflüssigtes Biogas (LBG, oft landläufig, wenn auch nicht ganz korrekt als „Bio-LNG“ bezeichnet) und tankt am 30. November in Bergen noch einmal 150 Kubikmeter LBG nach. Diese Menge soll dann reichen, um mit der Havila Polaris eine komplette Tour von Bergen nach Kirkenes und zurück zu fahren. Havila avisiert eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen aus dieser Reise um über 90 Prozent.
Das Gas stammt von Barents Naturgass and Molgas und wird laut Havila mit lokalen Grundstoffen (Fischerei- und Lebensmittelabfällen, Tierdung) direkt an der norwegischen Küste produziert – was die lokale Wirtschaft und lokale Jobs unterstützt, wie Havila hervorhebt. Zudem können, so Havila, die Reste aus der Biogas-Produktion in einer Kreislaufwirtschaft wiederum lokal als Dünger eingesetzt werden.
Und: Havila gibt sich sicher, dass man schon ab Ende 2028 durchgehend mit Bio-LNG wird fahren können, jedenfalls aber ab Beginn der neuen Lizenzperiode 2030.
Etwas weniger detailliert sind bislang noch die Angaben, die Hurtigruten zur Reise der Richard With macht. Das Schiff soll die Küstenroute von Bergen nach Kirkenes und zurück schon einen Monat früher als Havila, am 29. Oktober 2025 beginnen.
Als Treibstoff dafür wird HVO100 (Hydrotreated Vegetable Oil) gebunkert, ein auf Speiseabfällen basierter Biokraftstoff des skandinavischen Energieunternehmens St1 Nordic Group mit Hauptsitz in Finnland. Das HVO100 soll aus verifizierten Abfall- und Reststoffen hergestellt werden. St1 hat eine Raffinerie im schwedischen Göteborg und plant derzeit eine zweite Biotreibstoff-Raffinerie in Östrand.
Unabhängig von der aktuell geplanten Reise spricht Hurtigruten übrigens auch von Schiffneubauten für die Küstenroute. Das erste Schiff aus diesem ambitionierten „Sea Zero“-Projekt soll 2030 in Dienst gehen. CEO Hedda Felin sagt dazu: „Unser Ziel ist es, künftig neue Schiffe zu bauen, deren Energiebedarf insgesamt um 40 bis 50 Prozent geringer ist. So können wir Batterien als Hauptenergiequelle einsetzen, unterstützt von innovativen Technologien wie Segeln, Luftblasenschmierung des Rumpfes, effizienterer Bauweise oder gegenläufigen Propellern“.
Verkehrs- und Umweltstudie zur Neuvergabe der Küstenrouten-Lizenzen
In Vorbereitung auf die Neuvergabe der Lizenzen im Jahr 2030 hat die norwegische Regierung eine Verkehrs- und Umweltstudie zum Küstenverkehr (PDF-Link) als Basis für die Planung und Ausschreibung für die Lizenz erstellen lassen. Denn es geht um sehr viel Geld: Für die Subventionierung der Küstenroute gibt Norwegen derzeit laut Businessportal Norwegen jährlich etwas mehr als 100 Millionen Euro aus.
Das ist viel Geld. Die täglichen Schiffsverbindungen sind für Bevölkerung und Wirtschaft an der zerklüfteten Westküste Norwegens aber auch eine wichtige Lebensader. Rund 160.000 lokale oder regionale Reisen auf der Küstenroute zählte die Studie für das Jahr 2024, also rund 440 pro Tag. Hinzu kommen rund 106.000 touristische Reisen, also im Wesentlichen für Kreuzfahrtpassagiere auf den Schiffen von Hurtigruten und Havila.
Ebenso wichtig sind die Schiffe aber auch für den Warenverkehr, und zwar laut Studie vor allem für den nördlichen Teil der Toure zwischen für Tromsö und Kirkenes. Deshalb erwähnt die Studie als eine der möglichen Zukunftsszenarien sogar einen Ausbau des Warenverkehrs per Schiff auf diesen Strecken, weil die Nachfrage die Kapazität übersteigt.
Was die Studie auch sagt: 80 Prozent der Nachfrage findet auf der Strecke zwischen Bodö und Kirkenes statt. Eine der Zukunftsvarianten, die eine künftige staatliche Förderung nur für diesen Abschnitt in Betracht zieht, gilt deshalb als besonders interessant, wenn es darum geht, die Subventionen zu reduzieren.
Das radikalste, aber auch unberechenbarste Szenario der Studie beschreibt eine komplette Streichung der Subventionen und die Vergabe der Lizenz an einen Monopolisten, der dann versuchen müsste, die Küstenroute profitabel zu bedienen.
Offen ist auch noch, wie streng die Klima- und Umweltschutz-Vorgaben sein werden, die für die neuen Lizenzen eingehalten werden müssen. Da allerdings plädiert vor allem Havila öffentlich für sogar strengere Regeln. Zuletzt hatte die Reederei die norwegische Regierung hart kritisiert, nachdem diese entschieden hatte, Restriktionen für die Welterbe-Fjorde inklusive Geirangerfjord zu verschieben. Schon ab 2026 sollte es dort ein komplettes Emissionsverbot für Kreuzfahrtschiffe geben. Das hat die Regierung um sechs Jahre auf 2032 verschoben.
Nur kleine Schiffe mit einer Tonnage von unter 10.000 BRZ müssen sich bereits ab 2026 daran halten. Auch für Havila und Hurtigruten gilt damit im Grunde der Aufschub bis 2032 – falls die Regierung nicht strengere Regelungen an die Lizenzvergabe ab 2030 knüpft, was sehr wahrscheinlich ist.




