LNG gilt derzeit als sauberster Treibstoff für Kreuzfahrtschiffe. Doch Umweltschützer kritisieren LNG, weil es beim Klimaschutz kaum Fortschritte bringt. Wir haben uns genau angesehen, was es mit LNG auf sich hat und welche Rolle Methanschlupf dabei spielt. Und wie sich Gesetze und Regularien auf die Entscheidung von Kreuzfahrt-Reedereien für LNG auswirken.
Vieles in diesem Beitrag ist sehr technisch und Zusammenhänge sind komplizierter, als man auf den ersten Blick annimmt. Aber wir zeigen mit exklusiven und konkreten Berechnungen auch, wie der Einsatz von LNG und die damit verbundenen CO2– und Methan-Emissionen den Schiffsbetrieb für die Reedereien – und damit mutmaßlich auch für die Passagiere – verteuern werden. Und wie neue Regularien für LNG wahrscheinlich zu einem grundsätzlichen Problem für LNG werden.
Empfohlen sei an dieser Stelle auch unser Beitrag „CO2-Emissionen: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?“, der eng mit diesem Thema verbunden ist.
Themen in diesem Beitrag:
- Die Kern-Fakten zu LNG als Treibstoff in der Kreuzfahrt
- Was genau ist LNG – Liquefied Natural Gas?
- Wie viele Schiffe nutzen LNG als Treibstoff, und wo?
- Was macht LNG für Reedereien attraktiv?
- Vergleich CO 2 e-Emissionen bei LNG und MGO: Die Sache mit dem Methanschlupf
- Das Emission Trading System (ETS) der EU in der Schifffahrt
- Methan-Emissionen bei der Förderung von Erdgas
- Kritik der Umweltschützer an LNG
- Alternativen zu LNG als Treibstoff für Kreuzfahrtschiffe
- Fazit: Sind Dual-Fuel-Motoren im LNG-Betrieb klimafreundlicher?
23 Kreuzfahrtschiffe nutzen unsere Zählung nach LNG als Treibstoff, Stand Frühjahr 2025. Mindestens 19 weitere sind bei den Werften beauftragt oder in Bau. Aber es gibt auch Neubauten – und ganze Flotten – bei denen die Reedereien aus unterschiedlichen Gründen andere Wege gehen. Sie setzen beispielsweise auf eine Zukunft mit Methanol, synthetische oder Bio-Treibstoffe.
Je mehr man sich mit LNG als Treibstoff in der Kreuzfahrt und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Klima beschäftigt, desto tiefer gerät man in Ungewissheit. Es wäre so einfach, könnte man sagen: LNG verursacht rund 20 Prozent weniger CO2 als Schweröl oder Marinediesel, aber auch mindestens 20 Prozent mehr CO2-Äquivalente aus entweichendem Methan.
Tatsächlich liest man solche Aussagen immer wieder einmal. Nur: Das kann stimmen, oder auch völlig neben der Realität liegen. Denn bei der Berechnung der Treibhausgas-Werte und deren Wirkung spielen nicht nur eine Vielzahl von je nach Situation stark schwankenden Faktoren eine Rolle. Es fehlt oft auch verlässliches Datenmaterial, um diese Faktoren überhaupt solide beziffern zu können.
Und zu allem Überfluss kommt – positiv – hinzu, dass sich die Technik schnell fortentwickelt und Erkenntnisse von vor einigen Jahren schon wieder überholt sind.
Bleibt da nur, das Handtuch zu werfen? Nein, das wäre zu leicht. Ein ehrlicher Umgang mit dem Thema und den damit zusammenhängenden Unsicherheiten und Schwierigkeiten ist wichtig.
Die Kern-Fakten zu LNG als Treibstoff in der Kreuzfahrt
Die wesentlichen Aussagen dieses Beitrags fassen wir zunächst in Stichpunkten zusammen und führen die Aspekte später im Detail aus.
- LNG löst das Problem gesundheitsschädlicher Emissionen wie Schwefeloxid (SOx), Feinstaub (PM) und Ruß (BC, Black Carbon) fast vollständig und minimiert zusammen mit Katalysatoren auch die Stickoxid-Emissionen (NOx).
- Die CO2-Emissionen aus LNG als Treibstoff liegen bei gleicher Energiemenge um etwa 20 Prozent niedriger als etwa bei Marinediesel/MGO.
- Methan-Emissionen verschlechtern die Klimabilanz jedoch. Sie entstehen bei der Erdgasförderung, beim Transport und als sogenannter Methanschlupf bei der Verbrennung. Auf 100 Jahre projiziert, hat Methan in der Atmosphäre die 28-fache Wirkung von CO2.
- Die Menge an Methanschlupf entscheidet maßgeblich darüber, ob die CO2e-Werte und damit die Klimabilanz eines Kreuzfahrtschiffs mit Dual-Fuel-Motoren im LNG-Betrieb besser oder schlechter sind als mit herkömmlichem Treibstoff wie Schweröl oder MGO.
- Für LNG spricht aktuell die relativ gute Verfügbarkeit und günstige Preise. Auch die Regularien der IMO und der EU machen LNG für Kreuzfahrt-Reedereien derzeit zum attraktivsten und investitionssichersten Treibstoff. Vorgaben für zulässige CO2-Emissionen (CII, EEDI, EEXI) können mit LNG am einfachsten eingehalten werden.
- Der Emissionshandel ETS der EU bezieht die Schifffahrt mit ein – ab 2025 stufenweise auch Methan, mit voller Wirkung ab 2027. Daraus ergeben sich hohe Kosten für die Reedereien und damit entsprechend hoher Druck, die CO2– und Methan-Emissionen schnell zu reduzieren.
- LNG-Technik erlaubt zu einem späteren Zeitpunkt einen einfachen Wechsel zu nicht-fossilen Treibstoffen wie Bio- oder synthetisches LNG (e-LNG). Auch eine Umrüstung für (grünes) Methanol ist technisch machbar, wenn auch aufwändig und aufgrund der geringeren Energiedichte von Methanol mit einer geringeren Reichweite oder dem Bedarf für größere Tanks verbunden. Dies Option ist ohnehin nur relevant, wenn beziehungsweise sobald Methanol zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen und in ausreichenden Mengen verfügbar sein werden.
- Weil Kreuzfahrtschiffe typischerweise mit Dual-Fuel-Motoren ausgerüstet sind, bleibt auch die Option erhalten, gänzlich ohne LNG zu fahren, wenn Regularien oder Kosten das erzwingen sollten, und stattdessen Bio-Diesel einzusetzen.
- Die wesentliche Schwachstelle der LNG-Technik liegt mit Blick auf eine angestrebte Klimaneutralität in den Methan-Emissionen bei der Erdgasförderung und beim Transport sowie bei der Verbrennung (Methanschlupf). Selbst mit Bio- oder e-LNG ist wegen des Methanschlupfs ein klimaneutraler Betrieb nur möglich, wenn bei der Produktion zusätzliches CO2 dauerhaft gebunden würde (CCS beziehungsweise CCUS, Carbon Capture, Utilization and Storage).
- In Hinblick auf die „FuelEU Maritime“-Regularien und vergleichbaren Planungen bei der IMO („Net-Zero Framework“) ist fossiles LNG ohne zunehmend umfangreiche Beimischung von Bio-LNG ab etwa 2040 in der EU nicht mehr nutzbar. Das trifft, mit unterschiedlichen Zeitrahmen, aber auch auf andere fossile Treibstoffe zu. Bei LNG verschiebt sich der Zeitpunkt nach hinten, wenn die Methanschlupf-Werte weiter sinken.
- Umweltverbände kritisieren den Trend zu LNG aber als Fehlentwicklung, weil es aus ihrer Sicht Investitionen in dauerhafte Alternativen zu fossilen Treibstoffen verzögere oder gar verhindere.
Was genau ist LNG – Liquefied Natural Gas?
LNG ist verflüssigtes Erdgas, auf Englisch: Liquefied Natural Gas. Hauptbestandteil von LNG ist Methan, chemisch: CH4, also eine Verbindung von einem Teil Kohlenstoff und vier Teilen Wasserstoff.
In der Atmosphäre reagiert Methan mit Sauerstoff zu CO2 und Wasser (H2O) – allerdings sehr langsam. Deshalb verbleibt Methan etwa 12,4 Jahre als Treibhausgas in der Atmosphäre – im Gegensatz zu CO2, das mehrere Jahrhunderte stabil und damit klimawirksam bleibt. Auf eine Wirkdauer von 100 Jahren projiziert wirkt Methan etwa 28-Mal so stark wie CO2. Berücksichtigt ist bei dieser Vergleichsrechnung der sogenannten CO2-Äquivalente (CO2e) auch die Wirkung des im Laufe der Zeit aus dem Methan entstehenden CO2.
Neben 85 bis 95 Prozent Methan enthält LNG weitere Stoffe: Ethan- (2-10 Prozent), Propan- (0,1-2 Prozent) und Butan-Gas (unter 1 Prozent) sowie Verunreinigungen mit Stickstoff, CO2 und Schwefelwasserstoff. Letzteres ist aber in nur sehr geringen Mengen enthalten, weil er im Produktionsprozess weitgehend herausgefiltert wird.
Bio-LNG, das man korrekterweise eigentlich als LBM (Liquefied Biomethane) bezeichnen müsste, ist ein nicht-fossiler, erneuerbarer Energieträger. Es entsteht durch den Abbau von Biomasse durch chemische oder thermische Prozesse, also beispielsweise in einer landwirtschaftlichen Biogas-Anlage.
E-LNG oder synthetisches LNG ist verflüssigtes Methan, das mit Hilfe von elektrischer Energie wie Solar-, Wasser- oder Windkraft erzeugt wird. Es entsteht durch sogenannte Methanisierung von Wasserstoff und CO2. Erneuerbar ist e-LNG, wenn die aufgewendete Energie und die Grundstoffe aus regenerativen Quellen stammen. Das CO2 kann dabei sowohl beispielsweise aus industriellen Prozessen abgefangen, als auch direkt durch Carbon Capture aus der Atmosphäre entnommen werden.

Als Treibstoff für Kreuzfahrtschiffe ist LNG relativ anspruchsvoll. Denn damit das verflüssigte Erdgas auch flüssig bleibt, muss es bei einer Temperatur von rund minus 162 Grad Celsius gelagert werden. Oder bei etwas wärmerer Temperatur und entsprechend erhöhtem Druck. Die Anforderungen an die Tanks sind also hoch.
Zudem darf das LNG bei dieser Temperatur nicht mit dem Schiffsstahl in Berührung kommen, weil es irreparable Schäden daran verursachen würde. Die Vorkehrungen für die Betankung sind entsprechend aufwendig.
Wie viele Schiffe nutzen LNG als Treibstoff, und wo?
Ende 2024 waren laut dem LNG-Interessenverband SEA-LNG 638 Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs, die LNG als Treibstoff nutzen. Der Verband schätzt die Zahl der Schiffe bis 2028 auf etwa 1.200, davon 24 Kreuzfahrtschiffe in Betrieb und 25 beauftragt beziehungsweise in Bau. Unsere eigene Zählung ergibt 23 aktive und 19 geplante LNG-Kreuzfahrtschiffe. Rystad Energy spricht sogar von 2.400 LNG-Schiffen, bezieht darin aber auch die über 1.000 LNG-Tankschiffe mit ein.
Laut SEA-LNG ist LNG vor allem in Nordeuropa, im westlichen Mittelmeer, in Florida und Nordwest-Amerika sowie in zwei brasilianischen Häfen und in Teilen Asiens verfügbar. Im Aufbau befindet sich die LNG-Infrastruktur demnach in Australien, im östlichen Mittelmeer und im Persischen Golf. Insbesondere die Westküste Südamerikas sowie Afrika (mit Ausnahme Südafrika) bieten bislang keine Möglichkeit, LNG zu bunkern.
Für die Kreuzfahrt sind damit die großen Massen-Destinationen abgedeckt, einige Regionen aber auf absehbare Zeit weiterhin nicht.
Was macht LNG für Reedereien attraktiv?
In der Kreuzfahrt kommt derzeit noch überwiegend Schweröl (schwefelarm oder mit Scrubbern) oder Marinediesel (MGO) zum Einsatz. Doch bei immer mehr Neubauten setzen die Kreuzfahrt-Reedereien auf LNG – angefangen mit AIDAprima (2016) und AIDAperla (2017), die mangels LNG-Tanks an Bord ausschließlich während der Hafenliegezeiten LNG nutzen können. Die AIDAnova war 2018 dann das erste Kreuzfahrtschiff, das durchgehend mit LNG betrieben werden kann.
Ganz genau genommen, begann die LNG-Ära für Kreuzfahrtschiffe sogar schon 2015: Die damals schon landstromfähige AIDAsol bezog nämlich im Hamburger Hafen Energie von der LNG-Power-Barge „Hummel“ von Becker Marine Systems.
Aber warum ist ausgerechnet LNG für die Kreuzfahrt-Reedereien derzeit so attraktiv? Und warum kommen keine anderen, alternativen Treibstoffe zum Einsatz?
- Verfügbarkeit: LNG ist in den meisten Fahrtgebieten (siehe „Wie viele Schiffe nutzen LNG?“) ausreichend verfügbar.
- Verlässliche Regularien: Neue Technik benötigt entsprechende Regularien, damit sie überhaupt eingesetzt werden darf. Bis entsprechende Gesetze und Regeln stehen und international halbwegs einheitlich sind, vergeht viel Zeit. Deshalb haben AIDAprima und AIDAperla keine LNG-Tanks – weil sie damals damit schlicht in keinen Hafen hätten einlaufen dürfen.
- Preis: LNG ist aktuell billiger als MGO und sogar billiger als Schweröl – insbesondere, weil Schiffe für die Einhaltung der Schwefelgrenzwerte entweder HFO plus Scrubber oder das teurere, schwefelarme VLSFO benötigen und Scrubber in der Open-Loop-Variante in immer mehr Ländern nicht mehr genutzt werden dürfen.
- Maximale Flexibilität mit Blick auf die Zukunft: LNG ist direkt ersetzbar durch Bio- und e-Gas und umrüstbar auf Methanol. Mit Dual-Fuel-Motoren steht notfalls auch die Möglichkeit offen, mit MGO beziehungsweise Bio-Diesel zu fahren.
- In Festoxid-Brennstoffzellen (solid oxide fuel cells) kann LNG direkt genutzt werden: Bislang ist das eine eher theoretische Ergänzung für den Energiebedarf auf Kreuzfahrtschiffen, aber auf der MSC World Europa gibt es eine kleine Versuchsanlage. Denkbar wäre eine Nachrüstung von LNG-Schiffen mit Brennstoffzellen, die zumindest die Energie für den Hotelbetrieb klimaneutral liefern könnten. Als Lieferant für Antriebsenergie sind Festoxid-Brennstoffzellen aus technischen Gründen allerdings ungeeignet.
- LNG hat bessere Eigenschaften im Vergleich zu anderen Alternativ-Kraftstoffen:
- hohe Energiedichte, also relativ geringe Tank-Größe beispielweise im Vergleich zu Methanol
- bessere Lagerbedingungen (Temperatur) als Wasserstoff
- geruchlos und ungiftig (im Gegensatz zu Ammoniak)
- Erfüllbarkeit der aktuellen Regularien: Mit LNG lassen sich die aktuell geltenden CO2-Emissionsgrenzwerte der IMO und EU am einfachsten und wirtschaftlichsten erfüllen.
Der (große) Einfluss von Regularien
Gesetze und Regularien spielen bei LNG eine große Rolle. Um die aktuellen Vorgaben der International Maritim Organization (IMO) für Treibhausgase zu erfüllen, ist LNG ideal. Denn für technische Werte wie EEDI, EEXI und CII ist der geringere CO2-Ausstoß bei LNG von Nutzen. Details dazu finden Sie in unserem ausführlichen Beitrag „CO2-Emissionen: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?“
Der EEDI beispielsweise fällt bei einem für LNG ausgerüsteten Kreuzfahrtschiff laut Klassifizierungsgesellschaft Bureau Veritas um etwa 15 Prozent günstiger aus als bei MGO mit vergleichbarer Maschinenleistung. LNG ist also eine recht kosteneffiziente Möglichkeit, bei Kreuzfahrtschiff-Neubauten die Regularien zu erfüllen.
In Zusammenhang mit EU-Gesetzgebung schwindet dieser Vorteil von LNG dagegen bald – zumindest für Kreuzfahrten innerhalb der EU. Denn bis 2027 wird die Schifffahrt und damit auch die Kreuzfahrt schrittweise in den Treibhausgas-Zertifikathandel der EU, das Emission Trading System (ETS) eingebunden. Für die Emission insbesondere von CO2 und Methan müssen die Reedereien dann Emissionszertifikate kaufen. Mehr dazu im Abschnitt „EU Emission Trading System (ETS)“.
Im Rahmen neuerer Entwicklungen ist LNG aber – gemeinsam mit anderen fossilen Treibstoffen – auch von den „FuelEU Maritime“-Regularien betroffen und wahrscheinlich bald auch weltweit von ähnlichen Vorschriften der IMO, dem „IMO Net-Zero Framework“. Während beim Emissionshandel das emittierte CO2 bepreist wird, verpflichten diese Regularien die Reedereien zur Nutzung von Treibstoffen, die prinzipiell zunehmend weniger nicht-regeneratives CO2 emittieren – unabhängig davon, wie viel Treibstoff verbrannt wird.
Einfacher formuliert: Diese Regularien verbieten schrittweise den Einsatz von fossilen Treibstoffen. Andernfalls sind hohe Strafzahlungen fällig – und zwar in einer Höhe, die der Einsatz von Bio- oder grünen, synthetischen Treibstoffen in jedem Fall billiger machen.
Wann selbst Bio-LNG nicht mehr regelkonform sein wird
Sehr relevant ist die mengenmäßige Bewertung der Methanemissionen Well-to-tank in Hinblick auf die „FuelEU Maritime“- und die IMO-Net-Zero-Framework-Regularien. Denn davon hängt ab, bis wann LNG, respektive Bio-LNG überhaupt noch den Vorschriften entspricht.
Beim aktuell von der EU definierten Wert von 3,1 Prozent an Methanschlupf müsste ab 2035 in zunehmendem Umfang Bio-LNG beigemischt werden. Lässt sich – was jetzt schon realistisch erscheint – der Methanschlupf auf 1,5 Prozent drücken, wäre eine Beimischung erst ab 2040 nötig.
Ab 2050 wäre bei diesen beiden Szenarien aber auch 100 Prozent Bio-LNG nicht mehr konform mit den Regularien, wenn man einen konservativen Wert von rund 20g CO2e pro Megajoule annimmt. Regelkonform auch nach 2050 wäre dagegen Bio-LNG, das beispielsweise aus Gülle oder Abfall gewonnen wird und dessen Emissionen teils deutlich unter den geforderten 18,23g CO2e pro Megajoule liegen, nämlich bei bis zu 11g CO2e pro Megajoule, wie beispielsweise eine Shell-Studie von 2023 (oder via PDF-Direktlink) zeigt.
Die noch nicht in Kraft getretenen Vorschriften des IMO Net-Zero Frameworks sind deutlich strenger. Ein Treibstoff mit angenommenen 20g CO2e pro Megajoule würde schon 2025 nicht mehr ausreichen, um ohne Strafzahlungen davonzukommen. Bio-LNG mit so niedrigen Werten wie 11g CO2e pro Megajoule würden aber auch die IMO-Vorschriften bis 2050 erfüllen.
LNG wird lediglich als „Brückentechnologie“ gesehen
Trotz der Vorteile und wegen neuer Regularien der EU und der IMO sehen inzwischen auch die Reedereien LNG nur noch als Übergangslösung, als „Brückentechnologie“, bis bessere Alternativen und klimaneutrale Treibstoffe verfügbar und bezahlbar sind.
Der Hauptgrund dafür: LNG-Technik kann ohne zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen (wie etwa Carbon Capture, Utilization and Storage, CCS beziehungsweise CCUS) nie vollständig klimaneutral werden, auch nicht mit Bio- oder e-LNG. Laut Maschinenhersteller Wärtsilä lassen sich klimawirksame Emissionen auch mit Bio-LNG nur zu etwa 80 Prozent reduzieren. Dazu später in Zusammenhang mit dem Thema Methanschlupf mehr.
Tatsächlich setzen auch nicht alle Kreuzfahrt-Reedereien auf LNG. Oder sie fahren zweigleisig.
Norwegian Cruise Line (NCL) beispielsweise hat sich für eine Methanol-Strategie entschieden, Viking Ocean Cruises will den Wasserstoff-Pfad einschlagen – was derzeit aber für beide bedeutet, an fossilen Treibstoffen wie Schweröl und MGO solange festzuhalten, bis Methanol beziehungsweise Waserstoff tatsächlich einsetzbar ist. Bis dahin stattet NCL Neubauten weiter mit herkömmlichen Maschinen aus, die später aber auf Methanol umgerüstet werden können, und nutzt bis dahin zunehmend Biodiesel, um die Regularien zu erfüllen.
TUI Cruises fährt zweigleisig: Die Mein Schiff 7 (2024) wurde mit Maschinen ausgestattet, die bereits für Methanol vorbereitet sind, die Mein Schiff Relax (2025) fährt dagegen mit Dual-Fuel-Motoren und LNG.
Eine solche Misch-Strategie kann den Reedereien zumindest vorübergehend große Vorteile bieten in Bezug auf „FuelEU Maritime“ und das IMO Net-Zero Framework. Denn bei den drohenden Strafzahlungen für zu viel CO2e-Gehalt im Treibstoff mit stetig sinkenden Grenzwerten dürfen die Reedereien sogenanntes Pooling betreiben. Das heißt: Sie investieren bei einem oder zwei Schiffe in teure Technik mit teurem, aber eben auch besonders klimafreundlichen Treibstoff wie grünes Methanol und können damit die Überschreitung der Grenzwerte der restlichen Flotte für eine gewisse Zeit ausgleichen.
Einige Reedereien bauen aber auch neue Kreuzfahrtschiffe weiterhin mit herkömmlichen Motoren für Schweröl oder MGO, weil sie weltweit eingesetzt werden sollen. Denn die LNG-Versorgung ist in einigen Destinationen auch mittelfristig nicht absehbar, beispielsweise für die Antarktis, in der Südsee oder an der Westküste Südamerikas.
Vergleich CO2e-Emissionen bei LNG und MGO: Die Sache mit dem Methanschlupf
Bei gleicher Energieausbeute emittieren Dual-Fuel-Motoren mit LNG etwa 20 Prozent weniger CO2. Ein Vergleich mit den Emissionen aus Motoren, die mit Schweröl oder MGO betrieben werden, ist aber nur sinnvoll, wenn man dabei auch die Emissionen von unverbranntem Methan, dem sogenannten Methanschlupf (englisch „methane slip“) berücksichtigt.
Würde Methan im Schiffsmotor vollständig verbrennen, würde lediglich CO2 also Treibhausgas emittiert – und davon, wie erwähnt, etwa 20 Prozent weniger. Würde Bio- oder synthetisches LNG zum Einsatz kommen, könnte man damit sogar vollständig klimaneutral werden – vorausgesetzt, auch die Produktion und der Transport würden klimaneutral vonstattengehen.
Doch LNG verbrennt im Motor nicht vollständig. Das kennt man auch von anderen Kraftstoffen wie Schweröl oder MGO. Als unverbranntes Methan entweicht dieser Rest in die Atmosphäre – und wirkt dort auf 100 Jahre betrachtet 28-Mal stärker erwärmend als CO2.
Paradoxerweise wirkt sich das auch dann negativ auf die Erderwärmung aus, wenn das LNG respektive Methan nicht fossiler Herkunft ist. Denn das im Methan gebundene CO2 wird in Form von Methanschlupf eben nicht als CO2 emittiert, sondern als das klimaschädlicheres Methan.
Umso wichtiger ist es, den Methanschlupf so gering wie möglich zu halten. Dafür gibt es drei wesentliche Hebel: Verbesserung der Maschinentechnik, optimale Einstellungen im Motorenbetrieb sowie optimale Drehzahl der Motoren.
Geringer Methanschlupf bei optimaler Motorenauslastung
Methanschlupf ist nur bei optimal hoher Drehzahl der Motoren gering. Bei Abweichungen steigen die Werte erheblich an. Ein ganz wesentlicher Aspekt bei der Optimierung ist daher ein Gesamtsystem, das eine dauerhaft optimale Auslastung der Maschinen im LNG-Betrieb ermöglicht. Erreicht werden kann das im Betrieb beispielsweise mit diesen Maßnahmen:
- Routen so planen, dass die Motoren immer im optimalen Drehzahlbereich laufen können und gegebenenfalls einzelne Motoren abgeschaltet werden. Computer- und KI-gestützte Routenplanung kann hier helfen.
- für Manöver im Hafen mit ständig wechselnder Motorlast eventuell die Dual-Fuel-Motoren mit MGO statt LNG betreiben.
- Einsatz von Akkus als Energiezwischenspeicher („Peak Shaving“)
- Nutzung von Landstrom im Hafen, soweit vorhanden.
- Ergänzung des Energiesystems an Bord durch Brennstoffzellen, was technisch derzeit aber noch nicht ausgereift ist (siehe „Alternativen zu LNG“).
Technischer Fortschritt bei der Reduzierung von Methanschlupf
Besonders wichtig ist es, den Methanschlupf schon von technischer Seite so gering zu halten wie möglich. Maschinenhersteller wie Wärtsilä, Everllence (früher: MAN Energy Solutions) oder Caterpillar reklamieren hierbei große Fortschritte für sich – und zwar so große, dass selbst gut gemachte Studien von vor einigen Jahren tatsächlich kaum noch etwas über den aktuellen Stand der Technik aussagen.
Methanschlupf-Werte, die in Studien genannt werden, bewegen sich teils bei bis zu sieben Prozent des gesamten Treibstoffverbrauchs. Die IMO (PDF-Link) geht derzeit von einem Wert von 3,5 Prozent aus, die Europäische Union setzt in den „FuelEU Maritime“-Regularien einen Standardwert von 3,1 Prozent für die auf Kreuzfahrtschiffen typischerweise eingesetzten Maschinen an.
Auf den neuesten Kreuzfahrtschiffen liegt der Methanschlupf laut Werften und Reedereien dagegen inzwischen eher bei 1,5 bis 1,7 Prozent. Sogar ein Wert von unter einem Prozent ist demnach in erreichbarer Nähe. Maschinenhersteller Wärtsilä reklamiert für die aktuellste Technik einen Methanschlupf von etwa 1,1 Prozent.
Vergleicht man die klimaschädliche Wirkung von Kreuzfahrtschiffen mit Schweröl/MGO und solchen, die LNG nutzen, zeigt sich: Letztlich entscheidet der konkrete Methanschlupf-Wert eines Schiffs darüber, welche der beiden Treibstoffarten die bessere Klimabilanz aufweist.
Methanschlupf-Studie auf der MSC World Europa
Eine sehr konkrete Studie zur MSC World Europa mit Messungen am Schiff im Mai 2023 legt nahe, dass der reale Schiffsbetrieb selbst mit fossilem LNG nach der üblichen Betrachtung auf die Klimawirkung in 100 Jahren etwas weniger klimaschädlich ausfällt als mit MGO.
Die Studie kommt zu dem Fazit: „Unter Berücksichtigung der Klimaauswirkungen waren die gesamten Treibhausgasemissionen einschließlich Methan und Ruß (black carbon) auf der 100-Jahres-Skala mit LNG im Vergleich zur MGO-Verbrennung bei 54-80 Prozent Motorlast um 14-20 Prozent niedriger.“ Und: „In dieser Studie ist der nach dem tatsächlichen Betriebsprofil des Motors gewichtete Methanschlupf (1,7 Prozent des verbrauchten Kraftstoffs) 45 Prozent niedriger als der Standardwert in FuelEU Maritime.“
Das Emission Trading System (ETS) der EU in der Schifffahrt
Für Kreuzfahrt-Reedereien, die viele Schiffe in europäischen Gewässern haben, wird der Emissionshandel in der EU ein wichtiges und vor allen teures Thema. Im Jahr 2025 müssen sie nämlich erstmals für jede Tonne in der EU ausgestoßenes CO2 Zertifikate kaufen, die ihnen diese Emissionen erlauben.
Aktuell betrifft das nur CO2, doch ab 2026 sind auch Zertifikate für Methan-Emissionen umgerechnet in CO2-Äquivalente (CO2e) nötig, bezogen auf die Emissionen in 2025. Wie viele Zertifikate benötigt werden, richtet sich nach den gemeldeten und überprüften Emissionen des Vorjahres.
Methan-Emissionen im Jahr 2025 kosten also erstmals Geld – und zwar nicht unerheblich. Der Zertifikathandel wir stufenweise eingeführt, aber ab 2027 müssen die Reedereien für 100 Prozent der CO2– und Methan-Emissionen Zertifikate erwerben.
Der Preis für Zertifikate liegt im Frühjahr 2025 bei etwa 70 bis 80 Euro pro Tonne CO2e. Doch das wird sich ändern – und zwar deutlich nach oben. Die Experten-Vorhersagen für den Preis von Zertifikaten bis 2030 rangieren zwischen 140 und deutlich über 200 Euro.
Hoher Standardwert der EU für Methanschlupf
Für die Berechnung der an die EU zu meldenden CO2-Äquivalente für die Methan-Emissionen sind die EU-Regularien – zumindest vorübergehend – kontraproduktiv. Denn von der EU zertifizierte Messmethoden für den Methanschlupf werden derzeit (Stand: Frühjahr 2025) erst erarbeitet und anschließend in einem Durchführungsgesetz zu „FuelEU Maritime“ veröffentlicht.
Bis dahin müssen die Reedereien die Werte vorerst auf Basis eines Standardwertes melden, gemäß „FuelEU Maritime“ auf die Treibhausgasemissionen eines Schiffes anrechnen sowie innerhalb des EU Emission Trading System die entsprechenden Zertifikate dazu kaufen. Dieser Standardwert beträgt für die typischerweise auf Kreuzfahrtschiffen verwendeten Motoren 3,1 Prozent des LNG-Verbrauchs.
„Die ersten Generationen von Dual-Fuel-Motoren lagen mit dem Methanschlupf ungefähr in diesem Bereich“, erklärt Christoph Schladör, Vice President Decarbonisation bei Carnival Maritime. „Moderne Dual-Fuel-Motoren haben einen wesentlich geringeren Methanschlupf, der durch verschiedene Mechanismen erzielt wird: bessere Brennraumgeometrie, bessere Steuerung und Mehrfacheinstritzung des Zündkraftstoffs, Abschaltung einzelner Zylinder bei geringer Motorlast und angepasste Motorsteuerung. Das kann durch Messungen relativ gut nachgewiesen werden.“
Da die aktuellsten Schiffsmotoren aber bereits deutlich besser sind, müssen die Reedereien für mehr Emissionen zahlen, als tatsächlich vorhanden sind. Ein Anreiz, schnell noch besser zu werden, entfällt dadurch – zumindest, solange die Reedereien nicht echte Messwerte melden dürfen, sondern den Standard-Prozentsatz von 3,1 anwenden müssen.
Über Um- und Nachrüstung älterer LNG-Motoren versprechen Motorenhersteller wie Wärtsilä, den Methanschlupf auch für diese Maschinen deutlich reduzieren zu könnnen.
Wir haben beispielhaft für ein LNG-Kreuzfahrtschiff nachgerechnet, wie sich das für die Reedereien auswirkt. Als Basis dienen dafür die Werte, die wir bereits aufwendig für unseren Beitrag „CO2-Emissionen: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?“ ermittelt haben und die sich auf die Mittelmeer-Saison einiger Kreuzfahrtschiffe im Jahr 2023 beziehen, unter anderem die MSC World Europa. Es ist eine grobe Überschlagsrechnung, weil für eine präzisere Berechnung die Information fehlt, welchen Anteil das Schiff tatsächlich mit LNG gefahren sind.

Verglichen haben wir die hypothetische Menge an CO2e, die für die MSC World Europa gemeldet werden müsste, wenn sie vollständig mit MGO oder vollständig mit LNG gefahren wäre.
Legt man den EU-Wert von 3,1 Prozent für den Methanschlupf zugrunde, läge der CO2e-Wert knapp fünf Prozent höher als bei MGO. Beim einem in der bereits erwähnten Studie gemessenen Wert von 1,7 Prozent ergäben sich dagegen knapp 6,5 Prozent weniger CO2e.
Was kostet der Methanschlupf die Reederei – und die Passagiere?
Noch theoretischer: Hätten MSC Cruises für diese Emissionen im Jahr 2023 zu 100 Prozent Zertifikate zu einem derzeit realistischen Preis von 80 Euro pro Tonne kaufen müssen, hätten sich durch den zu hohen Standardwert für die MSC World Europa Mehrkosten von rund 920.000 Euro ergeben. Auf pro Passagier und Woche heruntergebrochen relativiert sich das auf eine Differenz von 4,13 Euro bei der MSC World Europa an eigentlich ungerechtfertigten Mehrkosten.
Insgesamt würde – bezogen auf die EU-Saison 2023 und der hypothetischen Annahme des Zertifikatskaufs für 100 Prozent der CO2– und Methan-Emissionen bei Preis von 80 Euro pro Tonne CO2e pro Passagier und Woche bei der MSC World Europa Mehrkosten durch die Zertifikate von 42,10 Euro ergeben.
Noch einmal betont: Diese Berechnung ist hypothetisch und überschlagsmäßig. Sie sollen lediglich als Anhaltspunkte dienen, in welcher Größenordnungen sich der europäische Zertifikathandel ETS auf die Kosten bei den Reedereien auswirkt – und wie hoch dementsprechend der Anreiz ist, die CO2– und Methan-Emissionen zu senken.
Methan-Emissionen bei der Förderung von Erdgas
Eigentlich müsste man sehr viel mehr auch über Methan-Emissionen sprechen, die schon vor der Verbrennung in den Motoren der Schiffe entstehen. Dieser Well-to-wake-Ansatz – also von der Quelle bis zur Welle – wäre bei der Beurteilung aller Treibhausgas-Emissionen notwendig, um die gesamte Wirtschaft klimaneutral machen zu können.
Auf die folgenden Aspekte müsste man dabei achten – übrigens natürlich auch bei anderen Treibstoff-Arten, wenn man sie vergleichen will:
- Förderung des Ausgangsmaterials (beispielsweise Rohöl, Erdgas)
- Transport
- Raffinerie
- Lagerung, Auslieferung und Betankung
- Sowie „tank-to-wake“ – sprich: Verbrennung
Was dabei dann immer noch unberücksichtigt bleibt, sind die Emissionen aus sogenannten „Capital Goods“, also Anlagen: Baumaterial, Bau, Nutzung und Wartung und Abriss von Anlagen, die in Zusammenhang mit einem Produkt stehen – in der Kreuzfahrt also vor allem Der Bau und letztlich auch die Verschrottung der Schiffe.
Umfassend lässt sich bislang vor allem das Methan, das schon bei der Förderung von Erdgas entweicht, kaum berücksichtigen. Denn das hängt einerseits stark von der jeweiligen Herkunft und Fördermethode ab, andererseits sind die Werte kaum verlässlich bekannt.
Wie man LNG also in dieser Hinsicht bewertet, hat viel mit dem politischen Ziel der jeweiligen Bewertung zu tun: Was will man bewirken? Nimmt man das Worst-Case-Szenario an? Oder ein eher auf die aktuelle Entwicklung gerichtetes Szenario, womöglich unter Einbeziehung von für die nahe Zukunft absehbaren Verbesserungen?
Übrigens ist Erdgas bei weitem nicht die einzige Quelle für Methan-Emissionen: Sowohl Erdöl als auch Kohle haben jeweils einen höheren Anteil an den weltweiten, jährlichen Methan-Emissionen als Erdgas, letzterer allerdings nach wie vor steigend.

Das Well-to-wake-Prinzip kommt allerdings bei „FuelEU Maritime“ und im neuen „IMO Net-Zero Framework“ zur Anwendung – also wenn es um das prinzipielle Potenzial an CO2e-Emissionen aus nicht-nachhaltigen Treibstoffen geht. „FuelEU Maritime“ stützt sich bei der Bemessung der Well-to-tank-Methan-Emissionen auf eine konservative Abschätzung bezüglich der bei der Förderung entweichenden Methans. Neuere Studien beispielsweise der IEA legen allerdings nahe, dass deutlich mehr Methan entweicht, als bislang angenommen.
Kritik der Umweltschützer an LNG
Bevor Klimaschutz in den Fokus gerückt ist, galt LNG als erstrebenswerter Meilenstein. Noch in seinem Kreuzfahrtranking 2019 hatte der Nabu die AIDAnova und die Costa Smeralda als die ersten LNG-Kreuzfahrtschiffe auf Platz 1 gesetzt – wegen der Abkehr von Schweröl als Treibstoff. Aber schon damals hatte der Nabu auch darauf hingewiesen, dass LNG in Sachen Klimaschutz keinen Vorteil bringe.
Immerhin aber war und ist LNG ein großer Fortschritt im Umwelt- und Gesundheitsschutz: 80 bis 94 Prozent weniger Stickoxid (98 Prozent mit Katalysator) und praktisch keine Schwefeloxide, Ruß oder Feinstaub mehr, sieht man einmal von den geringen Mengen ab, die durch Zugabe kleiner Mengen Marinediesels entstehen, die nötig ist, damit das LNG in den Dual-Fuel-Maschinen der Kreuzfahrtschiffe zündet.
Doch seit Klimaschutz auch in der Schifffahrt und Kreuzfahrt ganz oben auf der Agenda steht, gilt LNG als das hässliche Entlein unter den alternativen Schiffstreibstoffen. Der Nabu kritisiert, was er zuvor noch verhalten gelobt hatte.
Sönke Diesener, Senior-Referent Verkehrspolitik beim Nabu, kritisiert: „LNG besteht aus Methan, egal ob synthetisch oder fossil. Selbst wenn das jemand in genügend großer Menge erneuerbar produzieren würde, wäre es nicht möglich, klimaneutral zu werden. Hinzu kommt der große tatsächliche, kurzfristige Klimaschaden, den fossiles LNG heute anrichten.“
Einen wesentlichen Kritikpunkt formuliert beispielsweise auch der Umweltverband ICCT (International Council on Clean Transportation): „Die Fortsetzung der Investitionen in die LNG-Infrastruktur auf Schiffen und an Land könnten den Übergang zu kohlenstoffarmen und kohlenstofffreien Kraftstoffen in der Zukunft erschweren. Dagegen würden Investitionen in energiesparende Technologien, windunterstützte Antriebe, emissionsfreie Kraftstoffe, Akkus und Brennstoffzellen sowohl der Luftqualität als auch dem Klima zugutekommen.“
Die Kreuzfahrtbranche hält dagegen: Einerseits müssten sie die aktuellen Regularien einhalten, in deren Rahmen bislang LNG die besten Möglichkeiten bietet. Und LNG-Technik sei angesichts der nach wie vor offen Frage der sich durchsetzenden Zukunftstreibstoffe die flexibelste Möglichkeit, um später mit der bestehenden Technik auf Veränderungen reagieren zu können. Anders ausgedrückt: Die meisten Kreuzfahrt-Reedereien sehen LNG als die derzeit zukunftssicherste Investition mit den geringsten wirtschaftlichen Risiken.
MSC Cruises handelte sich wegen zu positiver Werbung für LNG auch schon den Vorwurf des Greenwashings ein und musste 2024 Werbekampagnen in Großbritannien und in den Niederlanden zurückziehen. Auch in Spanien fing sich MSC Cruises dafür eine Beschwerde wegen irreführender Werbung bei der Verbraucherschutzbehörde von Katalonien ein.
Alternativen zu LNG als Treibstoff für Kreuzfahrtschiffe
Eine wesentliche Schwierigkeit in der Kreuzschifffahrt sind der lange Planungszyklus und die Lebensdauer der Schiffe. Mit rund fünf Jahren Planung und Bau plus mindestens 25 Jahren Lebensdauer muss heute festgelegt werden, was dann auch noch in 30 Jahren im Einsatz sein wird – also sogar über das Jahr 2050 hinaus, in dem die Kreuzfahrt eigentlich spätestens klimaneutral sein will. Und eigentlich ist diese Zeitspanne noch länger, weil zu einer Baureihe mindestens zwei oder drei Schiffe über mehrere Jahre hinweg gehören.
Technologie-Entscheidungen werden mit heutigem Wissen und halbwegs für die nähere Zukunft gesicherten Fakten getroffen. Sie wirken aber lange nach. Deshalb gilt LNG zwar heute nur noch als Übergangstechnik, wird sich aber nach Ansicht von Experten noch bis etwa ins Jahr 2040 halten. Immerhin steht für LNG-betriebene Schiffe schon jetzt – allerdings noch in geringen Mengen – Bio-LNG zur Verfügung.
Es gibt einige Alternativen zu fossilen Treibstoffen wie Schweröl, MGO und LNG, doch kristallisiert sich bislang nicht heraus, welche sich durchsetzen werden. Für Reedereien eine schwierige Situation, weil niemand Hunderte Millionen teure Kreuzfahrtschiffe mit einer Technik bauen will, die sich womöglich nicht durchsetzt.
Grünes Methanol als einer der Hoffnungsträger für einen klimaneutralen Treibstoff benötigt für die Produktion große Mengen klimaneutraler Energie, hängt damit von der Entwicklung des Energiemarktes ab und konkurriert dabei auch um ebenfalls großen Bedarf aus der Industrie, ebenso wie beispielsweise der Luftfahrt, die ebenfalls enormen Bedarf an synthetischem Treibstoff hat.
Brennstoffzellen-Technik kommt weniger schnell voran, als man sich erhofft hatte. Zwei grundsätzliche Typen sind mehr oder weniger im Versuchsstadium: „PEM“ benötigt einen Reformer, der einen Energieträger wie (Bio-)LNG oder (grünes) Methanol in Wasserstoff umwandelt. PEM ist daher bislang zu wenig effizient. Solid-Oxide-Brennstoffzellen können beispielsweise (Bio-)LNG direkt nutzen, benötigen aber eine gleichbleibende Auslastung, eignen sich also vor allem für den Hotelbetrieb der Schiffe und kaum für den Antrieb.
Ammoniak gilt als heißer Kandidat für die Fracht- und Containerschifffahrt, scheidet aber nach weitgehend einhelliger Expertenmeinung für die Kreuzfahrt aus, unter anderem wegen seiner hohen Toxizität.
(Grüner) Wasserstoff, der trotz enormem Aufwand für die Tanks mit im Rennen ist, dürfte wohl erst etwa ab 2040 in ausreichenden Mengen und bezahlbaren Preisen verfügbar ein. In Zusammenhang mit problematisch erscheint jedoch der enorme Wasserbedarf zur Produktion des Wasserstoffs. Gerade in Regionen, in denen potenziell viel erneuerbare Energie zur Wasserstoff-Produktion verfügbar sein könnte, herrscht schon heute akuter Wassermangel. Und Meerwasserentsalzung in großen Stil bringt wiederum andere Umweltprobleme mit sich.
Lediglich Treibstoffe, die aus Bio-Masse gewonnen werden, wie Bio-LNG und Bio-Diesel stehen bereits in geringeren Mengen zur Verfügung. Ihr Vorteil ist, dass sie mit kleineren Anpassungen in den meisten existierenden Maschinen als sogenannter Drop-in-Treibstoff direkt eingesetzt werden können. Zumindest für Kreuzfahrten in der EU federn Bonus-Regelungen beim EU-Emissionshandel die derzeit noch hohen Kosten ab und machen diese Treibstoffe kosteneffizienter. Spätestens, wenn „FuelEU Maritime“ und das IMO Net-Zero Framework greifen, müssen ohnehin zunehmend Bio-Treibstoffe beigemischt werden, um die Regularien zumindest in einer Übergangszeit noch zu erfüllen.
Aktuell noch nicht relevant sind dagegen CCS-/CCUS-Lösungen, also Anlagen direkt an Bord von Schiffen, die CO2-Emissionen auffangen, verflüssigen, lagern und später an Land zur dauerhaften Lagerung abgeben. Ein wesentliches Problem ist das große Tankvolumen, dass die Schiffe für das verflüssigte CO2 benötigen würden – etwa genau so viel wie für den Treibstoff. Und es ist auch keine Infrastruktur absehbar, über die das CO2 an Land abgegeben werden könnte. Aber der Maschinenhersteller Wärtsilä hat immerhin seit Mai 2025 grundsätzlich ein CCS-System für Schiffe im Angebot. Und Havila hat ein Onboard-CCS-Versuchsprojekt in Kombination mit Festoxid-Brennstoffzellen namens „LNGameChanger“ für eines der Küstenroutenschiffe gestartet.
Vergleichsstudie zur Klimawirkung von Schiffstreibstoffen
Eine sehr ausführliche Meta-Studie von 2024 mit dem Titel „A review of life cycle assessment studies of maritime fuels: Critical insights, gaps, and recommendations“ zeigt, wie dünn die Datenlage nach wie vor ist und wie schwierig die Entscheidung für Reedereien für eine bestimmte Technologie daher ist.
Die Studie versucht insbesondere auch, die unterschiedlichen Treibstoffe nach dem Well-to-wake-Konzept zu bewerten, also den Emissionen über den gesamten Lebenszyklus und nicht nur bei der Nutzung der Treibstoffe an Bord der Schiffe. Der Ansatz ist wichtig und sinnvoll, um die Klimawirkung von erneuerbaren Energieträgern richtig einzuschätzen – die ja bei der Verbrennung durchaus CO2-Emissionen verursachen, das CO2 hierbei aber nicht aus fossilen Quellen stammt.
Allerdings kommt die Studie zu einem ernüchternden Ergebnis: Es fehlen ausreichend transparente und im Detail dokumentierte Erkenntnisse, die ein klares Bild darüber abgeben, welche Well-to-wake-Emissionen von Treibhausgasen bei den verschiedenen Kraftstoffen tatsächlich entstehen. Es fehlt eine solide Entscheidungsgrundlage. Je nach Studie kann man demnach das eine oder das andere „beweisen“.
Fazit: Sind Dual-Fuel-Motoren im LNG-Betrieb klimafreundlicher?
Eine Antwort auf die eigentlich wichtigste Frage kann dieser Beitrag nicht abschließend liefern: ob Dual-Fuel-Motorentechnik aktuell mit fossilem LNG eine bessere oder schlechtere Klimabilanz als auf Rohöl basierende Treibstoffe aufweist. Selbst die wenigen Studien, die sich eingehender mit Fragen in diesem Umfeld befassen, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen und arbeiten insbesondere beim Methanschlupf mit Werten, die bei aktuellen Maschinen bereits überholt sind.
Drei tiefergehende Studien zu diesem Thema sind:
- Nikita Pavlenko, Bryan Comer, Yuanrong Zhou, N. Clark, D. Rutherford (2020). The climate implications of using LNG as a marine fuel
- N. Kuittinen, P. Koponen, H. Vesala, K. Lehtoranta (2024). Methane slip and other emissions from newbuild LNG engine under real-world operation of a state-of-the art cruise ship
- E. Lindstad, A. Rialland (2020). LNG and Cruise Ships, an Easy Way to Fulfil Regulations – Versus the Need for Reducing GHG Emissions
Da nachhaltige Kraftstoffe sehr wahrscheinlich noch bis mindestens 2030 nicht in ausreichenden Mengen verfügbar sein werden, ist unabhängig von LNG oder anderen Treibstoffen die Senkung des Verbrauchs enorm wichtig, um die CO2e-Emissionen schneller zu senken. Und Potenzial für weitere Optimierung des „Gesamtsystems Schiff“ ist durchaus vorhanden, da sind sich Experten von Reedereien und Werften einig.
Vielen Dank Franz für deine umfangreiche Recherche und Zusammenstellung, die mir relevant erscheint. Der Challenge für uns Journalisten liegt darin, solche detaillierten Fakten und Entwicklungen für die Allgemeinheit und das interessierte Publikum schlüssig, verbindlich, zusammenfassend aber auch „knackig“ darzustellen, ohne dabei weder in einen „alles ist ja gut“-Modus oder aber ein „Cruise-Bashing“ zu verfallen.
Nein zu LNG
Wenn weltweit rund 640 seegehende Schiffe einen Antrieb mit LNG haben, klingt das nach einer beachtlichen Verwendung dieses Kraftstoffs. Doch bei geschätzt 100.000 Schiffen auf den Weltmeeren entspricht dies nicht einmal 1 %. Immerhin waren im Bereich der derzeit rund 350 seegängigen Kreuzfahrtschiffe Ende 2024 knapp 6 % Einheiten mit LNG unterwegs. 24 weitere befinden sich in Auftrag. Dass LNG nicht weiter verbreitet ist, z.B. nach einem Motorentausch, hat seine Gründe, und zwar nicht nur finanzielle. Denn LNG hat vor allem in der Wissenschaft keinen guten Ruf. Zum einen ist es nach wie vor ein fossiler Kraftstoff und damit nicht klimafreundlich. Zum anderen entweicht Methan nicht nur beim Motorenbetrieb, sondern während der gesamten Lieferkette, also beim Fracking (in den USA), der Reinigung, der Verflüssigung für den Transport, beim Schiffstransport mit Tankern und schließlich bei der Entladung und der Speicherung auf den Schiffen in doppelwandigen Kryotanks. Auf den extrem hohen Energieeinsatz soll hier gar nicht erst eingegangen werden. All dies wiegt der (theoretisch !) bis zu 20 % geringere CO2-Ausstoß bei der Verbrennung in den Schiffsmotoren nicht auf. Mein Fazit: LNG ist kein Brückenkraftstoff; die Priorität sollte auf der Entwicklung von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren liegen, die mit Hilfe der SCR-Technik auch kaum NOx emittieren und auch künftige Emissionsvorschriften in der Seefahrt erfüllen werden.
Horst Köhler, Friedberg
http://www.klimawandel-report.com
Also wenn das so ist, wie du oben schreibst „Der Nabu kritisiert, was er zuvor noch verhalten gelobt hatte.“, dann zeigt das, dass der NABU kein seriöser Verein ist. Wer etwas fordert, kann nicht hinterher schimpfen, dass genau diese Forderum umgesetzt wurde. Das wäre ja in etwa so, als würde ich einen Vertrag über einen VW Golf für 15.000 Euro schließen und hinterher schimpfen, dass der Händler mir keinen Mercedes E-Klasse geliefert hat.
Im Übrigen finde ich es ohnehin unseriös, etwas zu kritisieren, hne selbst vorzumachen, wie es besser geht. Betreibt der NABU selbst Kreuzfahrtschiffe, die sauber sind? Nimmt der NABU Geld in die Hand, um die Schiffe sauberer zu machen? Es sind die Konzerne, die viel Geld in die Hand nehmen, um saubere Technologien zu realisieren. Nur fordert und Schimpfen hilft nicht weiter. Wenn TUI oder Carnival eine Reederei wie Celestyal kritisieren, dann ist das seriös, da man selber ja zeigt, wie es besser geht. Jemand, der aber selbst keine sauberen Technologien umsetz hat auch nicht das Recht, über andere zu klagen. In meinen Augen sind Prersonen, die solche Schmutzkampagnen fördern die von den Kreuzfahrt-Feinden ausgehen schlichtweg durch und durch schlechte Menschen.