Der Kreuzfahrthafen von Livorno ist das Tor zur Toskana: Florenz, Pisa, Lucca, Siena … Sich für einen Landausflug zu entscheiden, ist hier gar nicht so einfach. Wir fahren nach zum Weingut Castello di Verrazzano, zum Eisessen ins mittelalterliche San Gimignano und für einen Kochkurs zum Landgut Fattoria Vialto. Und wem gar nichts Besseres einfällt, kann auch etwas in Livorno selbst spazieren gehen.
Zwei Tage lang liegt die Crystal Symphony in Livorno. Und weil wir schon oft in der Toskana waren, blenden wir die Bus-Touren in die berühmten Städte einfach einmal aus und widmen uns zwei Tage lang dem Genuss: Wein, Pasta, Gelato.
Wann immer ich bei einer Kreuzfahrt in Livorno oder La Spezia bin, versuche ich, nach San Gimignano zu fahren. Denn dort gibt es das – meiner Meinung nach – beste Gelato der Welt, in der Gelateria Dondoli unseres Freundes Sergio Dondoli an der Piazza della Cisterna. Berichtet habe ich über ihn und sein Eis schon mehrfach: „Besuch bei Sergio Dondoli“ und „Das beste Schoko-Eis der Welt“. Auch wenn wir Sergio diesmal nicht persönlich treffen können, weil er unterwegs ist: Sein Gelato ist jeden Aufwand wert.
Bequemerweise haben wir diesmal einen Toskana-Ausflug mit Crystal Cruises gebucht (A Day in the Chianti Region – 179 Dollar), der neben einem Besuch im traditionsreichen Weingut Castello di Verrazzano auch einen Stopp in San Gimignano beinhaltet, statt einen Mietwagen zu organisieren. Spitzen-Gelato und feiner Toskana-Wein – was braucht man mehr zum Glücklichsein?
San Gimignano: Gelato in der „Stadt der hundert Türme“
Eigentlich haben wir nur Sergios Eis im Kopf, aber San Gimignano beeindruckt uns auch als Ort jedes Mal wieder. Wären nicht die bunt gekleideten Touristen mit ihren Handys, man fühlt glatt zurückversetzt fühlen ins Mittelalter: gepflasterte Plätze mit alten Brunnenschächten und schmiedeeisernem Ornat, schmale Gassen mit Hauswänden aus rohem unverputztem Stein.
San Gimignano wird gerne mal als die „Stadt der hundert Türme“ angepriesen. Tatsächlich gab es hier selbst im Mittelalter nie mehr als 72 der Turm-Hochhäuser, erhalten sind heute gerade noch 15. Zum Unesco-Weltkulturerbe reicht das aber allemal.
Die mittelalterlichen Türme sind sogenannte Geschlechtertürme. Sie dienten ursprünglich der Verteidigung – sowohl gegen verfeindete Familien innerhalb der Stadt als auch gegen Angriffe von außen. Später wurden sie aber auch zu einer Demonstration von Macht und Reichtum.
Mancherorts, wie in San Gimignano, entbrannte ein regelrechter Wettbewerb, wer sich den höchsten und damit prestigeträchtigsten Turmbau leiten konnte. Solche Turmbauten gibt es auch an vielen anderen Orten der Toskana, aber in San Gimignano ist, oder war, der Drang zum Bau von immer mehr und höheren Türmen besonders ausgeprägt. Aber auch außerhalb Italiens findet man Geschlechtertürme, zwei gut erhalten beispielsweise in Regensburg.
Castello di Verrazzano – über guten Wein und eine Brücke in New York
In der Chianti-Region auf einem Hügel nahe Greve liegt das Weingut Castello di Verrazzano an einer Stelle, wo bereits die Etrusker siedelten. Im 7. Jahrhundert gelangte das Gut in Besitz der Familie Verrazzano, Olivenhaine und Weinbau sind seit 1150 dokumentiert. Heute ist das Castello di Verrazzano im Besitz der Familie Cappellini, die es 1958 von florentinischen Familie Ridolfi übernommen hat. An selbige war das Weingut 1819 nach dem Tod des letzten Nachkommen der Verrazzano-Familie gefallen.
Das Castell verfügt über einen der ältesten noch genutzten Weinkeller der Region, der schon im 16. Jahrhundert eingerichtet wurde. Verwendet werden hier drei Jahre alte Fässer aus slowenischer Eiche mit einem Fassungsvermögen von 30 Hektoliter für Chianti und Chianti Classico und neue Barique-Fässer aus Zentralfrankreich und den Vogesen für Chianti Classico Gran Selezione Sassello und Verazzanos Supertuscan Bottiglia Particolare.
In einem besonderen Teil des Weinkellers werden seit 1924 die besten Jahrgangsauslesen gelagert. Und aus dem Trester macht Castello di Verrazzano einen ebenso guten wie teuren Balsamico.
Ein unerwartet üppiges – und feines – Mittagessen beschert uns Schinken, Salami, Käse, Lebercreme, Olivenöl, eine ordentliche Portion Pasta und natürlich eine ordentliche Menge Verrazzano-Wein zum Probieren: Verrazzano IGT Toscana, Verrazzano Chianti Classico DOCG, Verrazzano Chianti Classico Riserva DOCG, einen Super-Tuscan und, traditionell mit Cantuccini gereicht, den Süßwein Verrazzano Vinsanto del Chianti Classico DOC.
Bekanntester Sohn der Familie ist übrigens der Seefahrer und Entdecker Giovanni da Verrazzano, 1485 hier geboren. Er gilt als Entdecker Bucht von New York und eines großen Teils der Ostküste der heutigen USA. Nach ihm ist die große Brücke zwischen Brooklyn und Staten Island benannt, die man bei der Einfahrt mit dem Kreuzfahrtschiff nach New York passiert – auch wenn die Brücke wegen eines Schreibfehlers im Baukontrakt 50 Jahre lang mit nur einem „z“ geschrieben wurde. 2018 wurde ein eignes Gesetz erlassen, das die Brücke in „Verrazzano-Narrows Bridge“ umbenannte. Aber das nur am Rande.
Landpartie mit toskanischem Kochkurs
Italien und speziell die Toskana bedeutet gutes Essen und Wein (und Gelato). Deshalb nutzen wir jede Gelegenheit, auf Landausflügen lokale Küche zu genießen und vielleicht auch fürs Kochen zu Hause etwas dazuzulernen. Also haben wir an unserem zweiten Tag in Livorno bei Crystal Cruises das „Farmhouse Cooking Experience“ (119 Dollar) gebucht – und sind angenehm überrascht.
Auf halbem Weg zwischen Livorno und Florenz liegt das Landgut Fattoria Vialto. An einem eher kühlen, aber sonnigen Tag mit diesem warmen Licht, das man nur im Herbst zu sehen bekommt, kochen wir im Freien.
Wir schnippeln gemeinsam Zwiebeln, Knoblauch, Zucchini, Paprika und Auberginen für eine vegetarische und eine Hackfleisch-Pasta-Sauce, helfen in der rustikalen Küche beim Dünsten der Zwiebeln und dem Umrühren der Saucen und lernen dabei einiges über authentisches Kochen in der Toskana.
Und dann machen wir sogar die Tagliatelle selbst, wobei uns der Koch das anstrengende Kneten des Nudelteigs abnimmt. Begleitet wird der unterhaltsame Kochkurs von dem einen oder anderen Gläschen Wein. Und natürlich essen wir anschließend unsere wunderbare, frische Pasta mit den selbst gemachten Saucen dann auch.
Livorno: Ein Spaziergang durch „La Venezia Nuova“
Man muss es den Tourismus-Managern in Livorno hoch anrechnen: Sie geben sich wirklich Mühe, dieser ein wenig trostlosen Hafenstadt etwas Positives abzugewinnen. Aber wenn man ehrlich ist: Viel gibt es hier nicht zu sehen. Geschichtlich allerdings ist Livorno durchaus spannend. Denn die Stadt war lange eine Art Vorposten für die Seerepublik Pisa und bekam immer mehr Bedeutung, als der Hafen von Pisa zunehmend versandete und nicht mehr nutzbar war.
Zuerst an Genua verkauft, wurde Livorno schließlich 1421 florentinisch. Zwischen 1518 und 1534 entstanden im Auftrag des späteren Papstes Hiulio de Medici das Hafenbecken Darsena Vecchia und die Festung Fortezza Vecchia, bei der man sich heute angesichts der großen Risse im Mauerwerk nicht sicher ist, ob sie nicht jeden Moment auseinanderbricht.
Ab 1571 legten zwei Großherzögen in Livorno dann die aus ihrer Sicht „ideale Stadt“ an. Aus dieser Zeit stammt der ringförmige Kanal, auf dem man mit Booten durch die ganze Innenstadt fahren – daher auch die Bezeichnung als „La Venezia Nuova“.
Im Zweiten Weltkrieg massiv bombardiert, wurde Livorno in den 1950er-Jahren modern wieder aufgebaut, was heute an vielen Stellen heruntergekommen wirkt. Selbst an der Hauptstraße unter einst hübschen Arkaden stehen zahlreiche Geschäfte offenbar schon lange Zeit leer, der Marmorboden ist gesprungen und behelfsmäßig ausgebessert.
Kurz: In kaum einer Stadt ist der Unterschied zwischen dem Anspruch auf Instagram-Fotos und der morbiden, verfallenen Realität so groß wie in Livorno. Gerade das hat aber auch einen gewissen Reiz. Wenn man in Livorno ein, zwei Stunden Zeit übrighat, kann man sich das bei einem Spaziergang durch die Innenstadt durchaus einmal ansehen.