Es hätte der Anfang vom Ende fossiler Treibstoffe in der Kreuzfahrt und in der Schifffahrt insgesamt sein können. Doch die International Maritime Organization IMO hat die Entscheidung über ihr eigentlich schon beschlossenes „Net-Zero Framework“ als zwingenden Plan zur schrittweisen Umstellung auf alternative Treibstoffe (Bio-Diesel, Biogas oder E-Fuels) vorerst um ein Jahr auf Herbst 2026 verschoben. Wir analysieren die geplanten IMO-Regelungen zur Treibstoffwende in der Schifffahrt und vergleichen mit der schon gültigen „FuelEU Maritime“-Verordnung der Europäischen Union.
In der EU hat die Treibstoffwende und damit der Weg zu klimaneutralen Schiffstreibstoffen mit der „FuelEU Maritime“-Verordnung Anfang 2025 begonnen. Die jetzt vertagten, weltweiten IMO-Regularien hätten ab 2028 greifen sollen. Doch so oder so: Wer auf ein schnelles Aus für Schweröl, Marinediesel und LNG gehofft hatte, wird ohnehin enttäuscht sein. Bis fossile Treibstoffe ganz verschwinden, dürfte es bis ins Jahr 2050 dauern – vorausgesetzt die IMO einigt sich 2026 doch noch auf die Regeln des Net-Zero Frameworks.
Und so soll die Umstellung aus klimaneutrale Treibstoffe in den beiden Systemen von EU und IMO grunsätzlich funktionieren: Ein „GFI“ genannter Grenzwert sinkt von Jahr zu Jahr und zwingt die Reedereien zum Einsatz eines immer höheren Anteils an alternativen Treibstoffen mit entsprechend niedrigem GFI-Wert. Eine Reederei, die das nicht schafft, zahlt Strafen, die idealerweise höher liegen als die Kosten für alternative Treibstoffe.
GFI steht für „Greehouse Gas Fuel Intensity“, also die Treibhausgas-Intensität eines Treibstoffs. Das drückt sich in Treibhausgas-Emissionen pro im Treibstoff enthaltener Energiemenge aus: Gramm CO2-Äquivalente pro Megajoule.
Kurzer Exkurs: Die GFI sollte man nicht verwechseln mit einem auf den ersten Blick ähnlichen Wert, der Carbon Intensity (CI). Die GFI bezieht sich auf den Treibstoff selbst, der CI dagegen auf die Emissionen im Schiffsbetrieb. Die GFI ist für Fuel EU Maritime und IMOs Net-Zero Framework relevant, die CI dagegen für IMO CII und das EU ETS.
Weil die GFI von fossilen Treibstoffen sehr hoch ist, reißen sie bereits jetzt oder doch schon bald die Grenzwerte. Alternative Treibstoffe haben eine niedrigere GFI, weil sie weniger oder keine zusätzliche Treibhausgase emittieren, sondern lediglich solche, die bei ihrer Produktion zuvor aus der Atmosphäre entnommen wurden, also klimaneutral sind.
In unserer ausführlichen Analyse zeigen wir, wie die beiden Regelwerke von EU und IMO funktionieren (bei der IMO: soferne sie tatsächlich noch beschlossen werden), wie komplex die Umsetzung der eigentlich einfachen Grundidee in der Praxis ist, wo Fußangeln und Probleme lauern und welche strategischen Entscheidungen Reedereien jetzt treffen müssen.
Themen in diesem Beitrag:
- Gemeinsame Effekte der IMO- und EU-Regularien
- Doppelbelastung für die Reedereien durch EU und IMO?
- „FuelEU Maritime“ der Europäischen Union
- Das „Net-Zero Framework“ der IMO
- Well-to-wake-Ansatz
- Problem: Herkunft der Biomasse für Bio-Kraftstoffe
- Wie sehr sind einzelne Treibstoff-Typen von den Regularien der EU und IMO betroffen?
In der öffentlichen Diskussion um Emissionen und Treibstoffe in der Kreuzfahrt sind zwei mächtige Instrument auf dem Weg in zu nachhaltigen Treibstoffen bislang eher unbeachtet geblieben: Die Regularien der „FuelEU Maritime“-Verordnung der Europäischen Union und das erst einmal nicht beschlossene „Net-Zero Framework“ der IMO.
Anders als beim Emissionshandel der EU (ETS), in das die Schifffahrt seit 2024 integriert ist, fallen bei „FuelEU Maritime“ und beim Net-Zero Framework der IMO Strafzahlungen nur für die Differenz zwischen tatsächlicher und vorgegebener GFI an. Im ETS müssen dagegen sämtlichen Treibhausgas-Emissionen bezahlt werden, unabhängig davon, ob sie aus fossilen oder alternativen Treibstoffen stammen.
ETS zielt also auf eine absolute Reduktion jeglicher Treibhausgas-Emissionen und bezieht sich ausschließlich auf CO2e-Emissionen, die bei der Verbrennung der Treibstoffe in den Schiffsmotoren entstehen (Tank-to-Wake-Prinzip). Deshalb ist die Kreuzfahrtbranche über das ETS mit Blick auf alternative Treibstoffe auch nicht übermäßig glücklich.
„FuelEU Maritime“ und IMOs Entwurf zum Net-Zero Framework verlangen dagegen eine stetig sinkende „Carbon Intensity“ (CI) von Treibstoffen nach dem Well-to-Wake-Ansatz, also über die gesamte Wertschöpfungskette der Treibstoffe hinweg von der Rohstoff-Quelle bis zur Verbrennung im Schiffsmotor. Reedereien kommen hier gänzlich ohne Strafzahlungen aus, wenn sie Treibstoffe einsetzen, die über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg als klimafreundlich definiert sind.
Ausführliche Informationen zu CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt und eine Einordnung finden Sie übrigens in unserer Analyse „CO2-Emissionen in der Kreuzfahrt: Wie klimaschädlich sind Kreuzfahrtschiffe wirklich?“
Gemeinsame Effekte der IMO- und EU-Regularien
„FuelEU Maritime“ und das Net-Zero Framework der IMO sind konkurrierende Regelwerke mit teils unterschiedlichen Herangehensweisen und vor allem unterschiedlichen Grenzwerten. Doch in ihrer beabsichtigten Wirkung sind sie sich sehr ähnlich:
- Es lohnt sich für die Reedereien, in neue Technik zu investieren, um regelkonform den Treibstoff nutzen zu können.
- Es lohnt sich für Reedereien nicht, die Sache einfach auszusitzen und Strafzahlungen in Kauf zu nehmen.
- Es gibt einen Anreiz für den frühzeitigen Einsatz von synthetischen Treibstoffen (RFNBOs), beispielsweise E-LNG oder synthetischen Diesel, und damit eine gewisse Investitionssicherheit auch für Hersteller solcher Treibstoffe.
- Durch den zunehmenden Bedarf an alternativen Kraftstoffen wird die produzierte Menge steigen und damit auch die Preise sinken.
Gemeinsam haben die beiden Regelwerke auch den sehr wichtigen „Well-to-Wake“-Ansatz und sie kämpfen mit den gleichen Problemen, wenn es bei Bio-Treibstoffen um die Herkunft der Biomasse, also des sogenannten Feedstocks geht. Auf beide Aspekte gehen wir weiter unten noch ausführlich ein.
Doppelbelastung für die Reedereien durch EU und IMO?
Unklar ist bislang, wie sich „FuelEU Maritime“ und Net-Zero Framework zueinander verhalten werden und ob Reedereien bei Fahrten innerhalb der EU womöglich doppelt zur Kasse gebeten werden könnten.
Die EU-Regularien sehen immerhin vor, dass die EU-Kommission unverzüglich tätig werden muss, um eine Mehrfachbelastung zu vermeiden, sobald die IMO-Regularien final verabschiedet worden sind, also möglicherweise im Spätherbst 2026.
Wie eine Lösung aussehen wird, ist (Stand November 2025) noch offen. Reedereien werden sich vorerst sicherheitshalber darauf vorbereiten müssen, zumindest in Teilen beide Regelwerke parallel erfüllen zu können.
„FuelEU Maritime“ der Europäischen Union
Die 2023 verabschiedete und seit 2025 wirksame Verordnung „FuelEU Maritime“ zur Nutzung erneuerbarer und kohlenstoffarmer Kraftstoffe in der Schifffahrt definiert verbindliche Grenzwerte für die Treibhausgasintensität der verwendeten Treibstoffe. Das bedeutet im Klartext: Fossile Treibstoffe dürfen zunehmend nicht mehr eingesetzt werden.
Anders als der EU-Emissionshandel ETS geht es bei „FuelEU Maritime“ nicht primär darum, CO2– und Methan-Emissionen für die Reedereien teurer zu machen und damit wirtschaftliche Anreize zu schaffen, die Menge der Emissionen zu reduzieren.
Für den Kern von „FuelEU Maritime“ spielt es zunächst keine Rolle, welche Menge Treibstoff verbraucht und damit Treibhausgase emittiert werden. Stattdessen legt die Verordnung absolute Treibhausgas-Grenzwerte für den verwendeten Treibstoff in Relation zur Energiemenge fest.
Als Basis dient das Jahr 2020 mit einem angenommenen Potenzial von 91,16 Gramm CO2-Äquivalente pro Megajoule Energie. Seit Beginn 2025 muss diese CO2e-Menge schrittweise reduziert werden bis auf 18,23 g CO2e pro MJ im Jahr 2050, was dann einer Reduktion um 80 Prozent entspricht.
| Reduktion: | entspricht Gramm CO2e pro MJ: | |
| seit Januar 2025 | 2 Prozent | 89,34 g |
| ab 2030 | 6 Prozent | 85,69 g |
| ab 2035 | 14,5 Prozent | 77,94 g |
| ab 2040 | 31 Prozent | 62,90 g |
| ab 2045 | 62 Prozent | 34,64 g |
| ab 2050 | 80 Prozent | 18,23 g |
Zum Vergleich: Fossiles LNG (für Kreuzfahrtschiffe typische Dual-Fuel-Motoren, Medium-Speed, mit Methanschlupf von 3,1 Prozent) hat für „FuelEU Maritime“ eine GFI von 92,39 g CO2e/MJ, fossiles MGO kommt auf eine GFI von 90,6 g CO2e/MJ.
Bei Berechnung der CO2-Äquivalente werden Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) mit Faktor 28 in Relation zu CO2 und Distickstoffoxid/Lachgas (N2O) mit Faktor 625 berücksichtigt.
Weil sich die Energiemenge beispielsweise in Marinediesel, Schweröl oder LNG aber nicht verändern lässt, erzwingt „FuelEU Maritime“ die zunehmende Nutzung von alternativen, klimafreundlichen oder klimaneutralen Treibstoffen wie etwa Bio-Diesel, Bio-LNG, synthetischer Kraftstoffe aus regenerativer Energie, grünem Wasserstoff, Methanol oder – für die Kreuzfahrt weniger relevant – Ammoniak.
Kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, dass Reedereien wegen „FuelEU Maritime“ bereits seit Beginn 2025 Bio-Treibstoffe wie HVO oder Biogas (LBG) beimischen, um diese Grenzwerte einzuhalten. Das muss nicht für jedes Schiff einzeln geschehen. Aber im Durchschnitt ihrer gesamten Flotte müssen die Reedereien den Grenzwert unterschreiten, wenn sie keine Strafzahlung leisten wollen.
Wer die Grenzwerte im Jahresdurchschnitt reißt, muss hohe Strafzahlungen leisten, die sich aus der Differenz zwischen dem vorgegebenen Grenzwert und der CO2e-Menge des tatsächlich verwendeten Treibstoff-Mixes berechnen. Die Höhe dieser etwas kompliziert zu berechnenden Strafe hat die EU gezielt so hoch festgelegt, dass sie immer teurer sein soll, als einen regelkonformen Treibstoff einzusetzen.
Automatische Druckmittel in der Berechnung der Strafe bei der EU
Die Strafzahlungen an die EU berechnen sich aus der Differenz zwischen realer und maximal erlaubter GFI (Greehouse Gas Fuel Intensity), multipliziert mit der tatsächlich genutzten Energiemenge.
Damit Reedereien möglichst nicht nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung die Strafzahlungen in Kauf nehmen, steigt der Betrag bei Überschreitung der Grenzwerte in aufeinanderfolgenden Jahren jedes Jahr um zehn Prozentpunkte. Abmildern kann eine Reederei das nur mit …
- Pooling (mehrere Schiffe zusammenfassen und gemeinsam bewerten, auch Reederei-übergreifend),
- Banking (Übertrag von besserer Leistung auf das nächste Jahr, aber nur schiffsspezifisch und nur für ein Jahr),
- Borrowing (umgekehrt wie Banking: Ausgleich durch Besserleistung im folgenden Jahr).
RFNBOs: „renewable liquid and gaseous fuels of non-biological origin“
Und noch einen Aspekt hat „FuelEU Maritime“: die Förderung von sogenannter RFNBOs, „renewable liquid and gaseous fuels of non-biological origin“. Das sind erneuerbare Kraftstoffe nicht-organischer Herkunft, kurz: synthetische Kraftstoffe, oft E-Fuels genannt. RFNBOs sind nach EU-Definition: E-Diesel, E-DME, E-LNG, E-LPG, E-Methanol, E-Wasserstoff (H2) und E-Ammoniak (NH3).
Weil die EU diese RFNBOs besonders schnell voranbringen will, werden sie bis Ende 2033 bei der Berechnung der CO2e-Intensität bevorzugt, nämlich doppelt berücksichtigt.
Falls die Nutzung von RFNBOs nicht so greift, wie sich die EU das vorstellt, behält sie sich eine Repressalie vor: Sollte bis 2033 die Nutzung von RFNBOs nicht mindestens ein Prozent des Energiemarktes für Schiffe erreichen, dann tritt für 2034 eine verpflichtende Quote von mindestens zwei Prozent RFNBOs für jedes einzelne Schiff in Kraft – sofern wiederum der Markt eine ausreichende Menge an solchen Treibstoffen überhaupt bereitstellt.
Das „Net-Zero Framework“ der IMO
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das Net-Zero Framework der IMO war eigentlcih ausverhandelt und beschlossen, hätte im Oktober 2025 nur noch vom zuständigen Gremium final verabschiedet werden müssen. Überraschenderweise ist das nicht geschehen. Stattdessen wurde die Entscheidung um ein Jahr vertagt. Die folgende Analyse de Net-Zero Frameworks bezieht sich also auf den nicht beschlossenen, vertragten Entwurf mit Stand Oktober 2025.
Das „Net-Zero Framework“ der International Maritime Organization (IMO) ist in ihren Grundzügen deutlich komplexer als die EU-Verordnung. Grundsätzlich verfolgt es aber denselben Ansatz wie „FuelEU Maritime“: Es würde unter Androhung hoher Strafzahlungen schrittweise den Einsatz von nachhaltig produzierten, nicht-fossilen Treibstoffen in der Schifffahrt erzwingen.
Zu den Details, die nach Beschlossfassung noch genauer ausgearbeitet werden hätten sollen, gehören insbesondere die technischen Zertifizierungsstandards für die Greenhouse Gas Fuel Intensity (GFI) der Treibstoffe. Sie hätten bis März 2027 stehen sollen, was sich nun erst einmal zusammen mit der grundsätzlichen Beschlußfassung verzögert. Die GFI bezeichnet in Gramm CO2e pro Megajoule die Menge von Treibhausgasen, die ein Treibstoff bei der Verbrennung in Relation zur Energiemenge emittiert.
Grenzwerte und Strafzahlungen wirken erstmals für 2028
Relevant wäre die IMO-Regelung ab 2028 geworden. Denn 2029 hätten die Reedereien erstmals ihre (unabhängig geprüften) Treibstoff- und Emissionswerte für das Jahr 2028 melden und bei Überschreitung der Grenzwerte entsprechende Strafzahlungen leisten müssen.
Das System der IMO sieht vor, dass jedes Schiff beim Überschreiten von zwei unterschiedlich hohen Grenzwerten für ihre CO2-Emissionen pro Tonne 100 Dollar beziehungsweise sogar 380 Dollar an die IMO bezahlen muss. 2031 hätten diese Preispunkte erhöht werden können, falls das System nicht wie geplant wirkt.
Net-Zero Framework sieht eine Mindest-Compliance-Stufe (base, Tier 2) und eine volle Compliance-Stufe (direct, Tier 1) vor. Überschreitet ein Schiff den Basis-Grenzwert, müssen für die Abweichung „Tier 2 RU“ (remedial units) in Höhe von 380 Dollar pro Tonne CO2e bezahlt werden. Liegt der Wert zwischen Base- und Direct-Compliance, kosten die „Tier 1 RU“ dafür 100 Dollar pro Tonne CO2e. Die Strafe wird also aus der Differenz zwischen Vorhabewert und tatsächlicher GFI berechnet. Der Teil, der unterhalb der GFI-Grenze bleibt, ist kostenfrei.
Eine Tabelle legt fest, um wieviel Prozent die Schiffe jedes Jahr von 2028 bis 2035 ihre CO2-Emissionen schrittweise um 4 bis 30 Prozent sowie auf 40 Prozent bis 2040 beim unteren Grenzwert und 10 bis 43 Prozent beim oberen Grenzwert senken müssen. Für die nachfolgenden Jahre bis 2050 werden die exakten Ziele später festgelegt (im Jahr 2032 für die Jahre 2036 bis 2040). Klar ist aber, dass eine Reduktion von nahe 100 Prozent bis 2050 erreicht sein soll. Als Basis dient die durchschnittliche GFI von 2008 mit einem Wert von 93,3 g CO2e/MJ. Die Jahreszahlen in der folgenden Tabelle beziehen sich auf den nicht verabschiedeten Entwurf. Ob das bei potenzieller Beschlussfassung 2026 so erhalten bleibt, ist völlig offen.
| Jahr | base target % | base target GFI, g CO2e/MJ | direct compliance target % | direct compliance target GFI, g CO2e/MJ |
|---|---|---|---|---|
| 2028 | 4 Prozent | 89,57 g | 17 Prozent | 77,44 g |
| 2029 | 6 Prozent | 87,70 g | 19 Prozent | 75,57 g |
| 2030 | 8 Prozent | 85,84 g | 21 Prozent | 73,71 g |
| 2031 | 12,4 Prozent | 81,73 g | 25,4 Prozent | 69,60 g |
| 2032 | 16,8 Prozent | 77,63 g | 29,8 Prozent | 65,50 g |
| 2033 | 21,2 Prozent | 73,52 g | 34,2 Prozent | 61,39 g |
| 2034 | 25,6 Prozent | 69,42 g | 38,6 Prozent | 57,29 g |
| 2035 | 30 Prozent | 65,31 g | 43 Prozent | 53,18 g |
| 2036 bis 2039 | … | … | … | … |
| 2040 | 65 Prozent | 32,67 g | … | … |
| 2041 bis 2049 | … | … | … | … |
| 2050 | 100 Prozent | 0 g | 100 Prozent | 0 g |
Zum Vergleich, als grobe Orientierung: Die die tatsächlichen Werte für das Net-Zero Framework hätte die IMO erst 2027 veröffentlichen wollen. Anzunehmen ist, dass sie die Werte in der Nähe dessen bewegen werden, was die EU definiert, siehe auch oben: Fossiles LNG (für Kreuzfahrtschiffe typische Dual-Fuel-Motoren, Medium-Speed, mit Methanschlupf von 3,1 Prozent) mit einer GFI von 92,39 g CO2e/MJ, fossiles MGO mit einer GFI von 90,6 g CO2e/MJ.
Bonus für klimafreundliche Treibstoffe und Sonderbonus für „ZNZ fuels“
Schiffe, die den strengeren „direct“-Grenzwert unterschreiten, können die Differenz als „surplus units“ (SU) bis zu zwei Jahre als Gutschrift behalten oder an andere Schiffe zum Ausgleich des über dem oberen Grenzwert liegenden Anteils (nur für Tier 2 möglich, nicht für Tier 1) übertragen beziehungsweise verkaufen – allerdings pro Unit nur einmalig, um Zertifikat-Spekulationen zu verhindern.
Für den Einsatz sogenannter „ZNZ fuels“ (zero or near-zero) gibt es Bonus-Units, die wiederum in SUs umgerechnet werden. Kurz: Wer diese Treibstoffe einsetzt, wird besonders belohnt. Die IMO will damit, ganz ähnlich wie die EU mit ihren RFNBOs-Regeln die Entwicklung solcher Treibstoff fördern und beschleunigen. Als ZNZ-Treibstoffe gelten bei der IMO bis 2034 solche mit einer GFI unter 19 gCO2e/MJ, ab 2035 muss die GFI dann unter 14 liegen.
Mit niedrigen CO2e-Emissionen kann ein Schiff also Geld verdienen oder zu hohe Werte bei anderen Schiffen innerhalb der eigenen Flotte ausgleichen. Eine Reederei könnte beispielsweise ein Schiff der Flotte mit zwar teurem, aber sehr klimafreundlichem, grünem Methanol betreiben und damit zumindest für einige Jahre die schlechteren Werte der gesamten restlichen Flotte kompensieren, bis die Grenzwerte auch dafür zu streng werden.
Well-to-wake-Ansatz
Ein ganz entscheidender Ansatz der „FuelEU Maritime“-Initiative, ebenso wie des Net-Zero Frameworks der IMO, ist das „Well-to-wake“-Prinzip: Die Treibhausgas-Intensität eines Kraftstoffs wird über dessen gesamten Lebenszyklus erfasst, also von der Förderung oder Herstellung über den Transport bis zur Verbrennung an Bord der Schiffe.
Für alternative Kraftstoffe ist das entscheidend, weil sie – mit Ausnahme von Ammoniak – bei der Verbrennung ähnlich viel CO2 und bei LNG zusätzlich Methan (Methanschlupf) freisetzen wie die äquivalenten fossilen Kraftstoffe. Klimafreundlich werden sie erst dadurch, dass CO2 zuvor bei ihrer Herstellung aus der Atmosphäre entnommen wurde.
Anders als bei fossilen Kraftstoffen wird der Atmosphäre also kein zusätzliches CO2 hinzugefügt. Die Treibhausgase sind bei diesen Kraftstoffen lediglich Teil eines Kreislaufs.
Ein Sonderfall ist hier Bio- oder E-LNG: Denn bei der Produktion wird der Atmosphäre CO2 entnommen, bei der Verbrennung wird aber neben hauptsätzlich CO2 wegen des mutmaßlich nie vollständig vermeidbaren Methanschlupfs auch ein kleiner Teil Methan freigesetzt. Methan entfaltet kurzfristig aber eine viel stärkere Klimawirkung als das bei der Produktion im Kraftstoff gebundene CO2.
Die aktuellen EU-Regularien sehen einen Standardwert von 3,1 Prozent des Treibstoffgewichts an Methanschlupf für die Berechnungen vor, sofern die Reederei keinen niedrigeren Wert nachweist. Bei der IMO gilt 3,5 Prozent als Standardwert. Tatsächlich liegt der Methanschlupf bei den modernsten Maschinen aber eher im Bereich von etwa 1,6 Prozent (Stand: Anfang 2025). Berücksichtigt man die höhere Klimawirkung von Methan, heben die entstehenden CO2-Äquivalente in etwa die niedrigeren CO2-Emissionen von LNG wieder auf, sodass LNG keinen Vorteil gegenüber Marinediesel hat. Vergleicht man Bio-Diesel und Bio- oder E-LNG, wirkt sich der Methanschlupf in Vergleich negativ aus.
Für die Umrechnung von Methan in CO2e kommt bei der IMO der Faktor 28 zur Anwendung, bei „FuelEU Maritime“ jedoch 25 (etwas verwirrend: Für das ETS der EU gilt der Faktor 28).
Problem: Herkunft der Biomasse für Bio-Kraftstoffe
Bio-Kraftstoffe wie Bio-Diesel und Biogas („Bio-LNG“, LBG) klingen nach einer ziemlich perfekten Lösung: Weil die Kraftstoffe nicht aus fossilen Quellen stammen, bringen sie theoretisch kein zusätzliches CO2 ins in Gesamtsystem ein, sofern bei der Herstellung klimaneutrale Energie zum Einsatz kommt.
Doch es gibt auch kritische Aspekte. Der wichtigste: Wie werden Bio-Kraftstoffe produziert? Woher stammt die Biomasse, „Feedstock“ genannt? Werden dafür Urwälder abgeholzt, um die Anbaufläche für die Biomasse zu erweitern? Werden Lebensmittel oder Futtermittel zur Treibstoffproduktion verwendet, die stattdessen für die Ernährung von Menschen oder Nutztieren zum Einsatz kommen könnte?
Sprich: Geht die Produktion von Bio-Kraftstoffen auf Kosten von Menschen und auf Kosten von Wäldern mit entsprechend negativem Einfluss auf das Klima?
Die EU schließt Bio-Kraftstoffe mit Lebensmittel- oder Futtermittel-Feedstock von der Bevorzugung direkt aus, sprich: nur Bio-Kraftstoffe aus Abfall- und Reststoff-Feedstock erfüllen die Kriterien. Um den in der Berechnung der EU den Förderbonus zu erhalten, müssen Bio-Fuels deshalb unter die Renewable Energy Directive (RED) fallen, wo genau geregelt ist, welche Arten von Treibstoffen dieser Grundidee entsprechen – und welche eben nicht.
Gefahr der Rohstoff-Konkurrenz und Falschdeklarierung
Was relativ einfach klingt, ist in der Umsetzung ziemlich komplex, wie die Beispiele HVO und FAME zeigen. HVO („Hydrotreated Vegetable Oils“) und FAME-Biodiesel (Fatty Acid Methyl Ester) sind Treibstoffe, der mit unterschiedlichen Herstellungsprozessen aber jeweils auf pflanzlichen oder tierischen Fetten und Ölen basieren, oft aus Abfall- und Reststoffen.
Die Renewable Energy Directive erlaubt beispielsweise Speiseöl-Abfällen wie das vielzitierte Frittenfett, nicht aber speziell für die Treibstoffproduktion produzierte Öle wie Raps- und Sojaöl und insbesondere nicht Palmöl.
Die Schwierigkeit dabei: Diese Rohstoffe werden auch anderweitig industriell genutzt, etwa in der chemischen Industrie und für Kosmetik. Gibt es keine begleitenden Regularien, könnten diese Branchen auf andere Rohstoffe wie beispielsweise Palmöl ausweichen. Dann wäre zwar die Produktion von HVO und FAME frei von Palmöl, würde aber über den Verdrängungswettbewerb indirekt dennoch einen vermehrten Einsatz von Palmöl verursachen.
Und auch schlicht falsch deklarierte Treibstoffe gelangen möglicherweise bereits seit einiger Zeit in großen Mengen auf den europäischen Markt: Als RED-konform gekennzeichneter, aus China importierter Treibstoff beispielsweise hatte in Wahrheit Palmöl als Basis. Auch im Bereich Biogas gibt es dieses Problem. Einfach zu erkennen sind solche Fälschungen nicht. Es wären also begleitende Regularien notwendig, die eine einfache Kontrolle und Erkennung nichtkonformer Treibstoffe ermöglicht.
IMO ohne Unterscheidung bei Bio-Treibstoffen
Bei der IMO gibt es im Net-Zero Framework eine solche Limitierung wie die Renewable Energy Directive der EU bislang nicht, allerdings deutet einiges darauf hin, dass es die Absicht der IMO ist, indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) in der Well-to-Wake (WTW)-Berechnung des Treibhausgas-Fußabdrucks (GHG Fuel Intensity, GFI) von Treibstoffen zu berücksichtigen. Dies wird allerdings eher indirekt über die Berechnung der Treibhausgasintensität für einzelne Treibstoffe geschehen, also grundsätzlich technologieoffen statt über die Definition bestimmter Feedstock-Arten wie bei der EU.
Die IMO betont die Bedeutung umfassender Lebenszyklusanalysen (Life-Cycle Assessments, LCA), um die Umweltauswirkungen von Treibstoffen ganzheitlich zu bewerten. In der Luftfahrt geschieht das wohl bereits bei dem Aviation-Counterpart der IMO, der Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) in Bezug auf Sustainable Aviation Fuels (SAFs).
Was würde mit den Einnahmen der IMO passieren?
Die Schätzungen, wie viel Geld die IMO mit dem Net-Zero Framework einnehmen würde, reichen von acht bis 15 Milliarden Dollar. Einsetzen will die IMO dieses Geld zur Förgerung von ZNZ-Treibstoffen, aber auch für Klimaschutzprojekte in Zusammenhang mit der Schifffahrt in Ländern des Globalen Süden, um die Dekarbonisierung der Schifffahrt insbesondere auch in ärmeren Ländern zu ermöglichen.
Kritik am Net-Zero Framework
Bei einem global ausgehandelten Kompromiss bleibt Kritik nicht aus. Und die Kritik kommt von vielen Seiten:
- Erdöl-fördernde Staaten empfinden es als zu strikt und sorgen sich um den Absatz ihrer fossilen Treibstoffe (weswegen sie die Verabschiedung der Regularien im Oktober 2025 schließlich auch verhindert haben).
- Vom Klimawandel betroffene Staaten vorwiegend im globalen Süden sowie Umweltschutz-NGOs wie dem Nabu gehen die Beschlüsse nicht annähernd weit genug.
- Kritisiert wird auch, dass die Regelung viel zu spät greift und die Schifffahrt bis dahin „business as usual“ betreiben könne und erst dann in kleinen Schritten Verbesserungen erzielen müsse.
- Als problematisch betrachtet wird die Förderung von Bio-Treibstoffen durch die IMO. Kritiker befürchten, das könne eine starke Zunahme der Produktion solcher Treibstoffe vor allem aus Palm- und Soja-Öl zur Folge haben und damit die Abholzung des Regenwaldes weiter vorantreiben.
- Ein systematischer Kritikpunkt, den auch der Nabu äußert, gilt den starr festgelegten Preisen von 100 beziehungsweise 380 Dollar pro Tonne CO2e. Die Beträge seien viel zu niedrig und würden nicht die realen Koten der Emissionen widerspiegeln. 2031 würden die IMO-Regularien immerhin eine mögliche Anpassung der Regeln vorsehen.
Wie sehr sind einzelne Treibstoff-Typen von den Regularien der EU und IMO betroffen?
Die wichtigste, praktische Frage für die Reedereien lautet bei all diesen Regularien: Welche Treibstoffe können bis zu welchem Zeitpunkt ohne Strafzahlung eingesetzt werden? Und welche Beimischungen oder welche Ersatztreibstoffe kommen in Frage?
Obwohl es in beiden Regelwerken eigentlich klare Grenzwerte gibt, ist die Antwort auf diese Frage hochkomplex. Denn weil das Well-to-Wake-Prinzip zur Anwendung kommt, hängen die Emissionen in Relation zur Energiemenge, also die GFI, enorm von der Quelle des Treibstoffs ab: Wie wird der Treibstoff hergestellt? Woher kommt die Energie dafür? Welche Rohstoffe kommen zum Einsatz?
Deshalb kommen selbst die Analysen von ausgewiesenen Experten und Klassifizierungsgesellschaften zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen, wie lange Schiffe beispielsweise noch ohne Strafzahlungen mit LNG betrieben werden können, wann welche Mengen an Bio- oder E-LNG beigemischt werden müssen und ab wann möglicherweise sogar 100 Prozent Biogas wegen des Methanschlupfs nicht mehr ausreicht, um Grenzwerte einzuhalten.
Ähnlich komplex ist die Planung bei Schiffen, die bislang mit Schweröl oder Marinediesel (MGO) fahren und für die Einhaltung der Grenzwerte nach „FuelEU Maritime“ bereits für 2025 einen gewissen Anteil an Bio-Fuels nutzen müssen, um regelkonform zu bleiben.
In umfangreichen Tabellen und Berechnungsszenarien versuchen Beratungsfirmen, die verschiedensten Konstellationen aufzuzeigen, wie etwa in dem Quickscan-Kalkulator bei Sustainable-Ships.org oder Tabellen bei Bettersea Tech.
Klar ist aber: Mit fossilen Treibstoffen kommen Container- und Kreuzfahrtschiffe nicht mehr lange aus. In der EU führt schon jetzt um eine Beimischung von alternativen Treibstoffen kein Weg mehr vorbei. Und auch wenn Klimaschutz politisch gerade nicht so hoch im Kurs steht wie noch vor einigen Jahren: „FuelEU Maritime“ und das Net-Zero Framework der IMO werden bleiben und die Schifffahrt zur schrittweisen Dekarbonisierung zwingen.





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