Overtourism ist zusehends ein Problem, umfassende Lösungen zeichnen sich nicht ab. Schließlich will sich niemand das Recht auf Urlaub nehmen lassen. Wir haben zehn Tipps zusammengestellt die helfen, sich im Urlaub fair und nachhaltig zu verhalten, statt den Einheimischen vor Ort den letzten Nerv zu rauben.
Kurz: So werden Sie zum gern gesehenen Reisenden, statt als ignoranter Tourist überall verbrannte Erde zu hinterlassen. Wenn Sie schon immer respektvoll durch die Welt gereist sind und sich wie ein zuvorkommender Gast benehmen, können Sie hier eigentlich aufhören zu lesen …
Reisevorbereitung ist nicht jedermanns Sache – die einen lieben es, sich schon vor dem Urlaub in Land, Leute und Sprache zu vertiefen, die anderen lassen einfach alles auf sich zukommen. Dabei kann zumindest ein wenig Vorbereitung enorm helfen, im Urlaub nicht ungewollt negativ aufzufallen oder am Urlaubsort Schäden zu hinterlassen – zum Beispiel:
- Die wichtigsten Worte in der Landessprache lernen: Bitte, Danke, Guten Tag, Auf Wiedersehen und vielleicht noch ein paar mehr.
- Ein wenig Kenntnis der Gepflogenheiten und Sitten: Ist Trinkgeld üblich oder gilt es als Beleidigung, wie beispielsweise in weiten Teilen der Südsee, in China und Japan? Gibt es Kleider-Konventionen, beispielsweise in islamischen Ländern? Begrüßt man sich per Handschlag oder ohne körperliche Berührung?
- Stadtpläne einprägen: Es ist immer gut, eine grobe Vorstellung einer Stadt zu haben, ohne für jeden Schritt in den Stadtplan schauen zu müssen. So outet man sich nicht auf den ersten Blick als Tourist.
1. Menschen nur mit deren Einverständnis fotografieren
In Zeiten der Handy-Fotografie werden Touristen immer rücksichtsloser beim Knipsen. Aber wie würden Sie sich fühlen, wenn jemand sich zuhause an Ihren Gartenzaun stellt und Sie einfach so fotografiert? Oder in sich auf der Straße neben Sie stellt und ein Selfie macht, weil Sie aus irgendeinem seltsamen Grund „sooo coool“ sind?
Abgesehen davon, dass es einfach unangenehm ist: In vielen Ländern gibt es auch kulturelle, religiöse oder auch ganz handfeste, juristische Gründe, warum sich Menschen nicht fotografieren lassen wollen. Beispielsweise illegale Einwanderer, die definitiv nicht bei Instagram auftauchen wollen.
Es ist ein schmaler Grat: Bei jedem Foto vorher fragen kann für beide Seiten nervig sein (und vielleicht auch die unbefangene Atmosphäre zerstören), aber man sollte immer die Persönlichkeit der Menschen respektieren – im Zweifel also lieber nicht fotografieren; oder fragen. Am wichtigsten: Mit den Menschen kommunizieren, durch Blicke, Gesten, Worte. Menschen heimlich „abschießen“ sollte immer tabu sein.
2. Respektvoll verhalten
Ja, ich weiß, ein weites Feld. Aber eigentlich geht es bei Respekt vor anderen Menschen, Kulturen und Orten nur um Aspekte, die man mit guter Erziehung und ein wenig Nachdenken ohnehin weiß. Beispielsweise:
- ruhiges Verhalten in Kirchen, Tempeln und Moscheen
- Privatgrund und Privatsphäre anderer Menschen achten
- nicht auf Bauwerke, Denkmäler oder in Brunnen klettern
- beim Anstehen an der Supermarktkasse oder an einer Sehenswürdigkeit nicht vordrängeln
- herablassendes oder gar rassistisches Verhalten
3. Angemessene Kleidung
Passen Sie sich lokalen Gepflogenheiten an, fallen Sie nicht negativ auf. Feinripp und (bei Männern) ärmellos ist fast nirgendwo angemessen. Badekleidung sollte dem Strand vorbehalten sein. In religiös geprägten Ländern sollten Röcke nicht zu kurz und Ausschnitte nicht zu tief sein. Männer sollten darauf achten, wann man eine Kopfbedeckung (wozu auch ein Baseball-Cap gehört) besser abnimmt.
Wann macht man’s richtig? Wenn man nicht sonderlich als Tourist auffällt. Ganz wird einem das nie gelingen, aber man sollte auch nicht schon auf 200 Meter Entfernung sofort ffals Ballermann-Touri aus der Masse herausstechen.
4. In der Öffentlichkeit nur leise sprechen
In manchen Ländern geht es durchaus laut zu, aber als Tourist fällt man immer negativ auf, wenn man laut ist – ob in einem Restaurant, an einer Sehenswürdigkeit oder anderswo. Auch wenn alles noch so lustig ist, sollte man sich bei der eigenen Lautstärke zurückhalten und andere nicht stören. Denken Sie an die Einheimische, die hier das ganze Jahr leben und nicht nur für die paar Stunden, in denen der jeweilige Tourist „fun“ haben will.
5. Mit Menschen kommunizieren
Auch wenn man die Landessprache nicht spricht: Es gibt immer einen Weg, sich bei Einheimischen verständlich zu machen. Besonders unhöflich ist, nicht zu reagieren oder gar wegzugehen, wenn man angesprochen wird – nur weil man nichts verstanden hat. Stattdessen: In der eigenen Sprache antworten oder ein paar vorher gelernte Worte à la „ich spreche leider Ihre Sprache nicht“ sagen. Lächeln.
6. Steine oder Sand mitnehmen
Als wir noch Kinder waren, war es ganz normal, am Strand Muscheln zu suchen, sich aus dem Urlaub auch mal einen interessant geformten oder farbigen Stein mitzubringen. Seitdem ist der Massentourismus aber immer stärker geworden, sodass an vielen Orten allein dieses Mitnehmen von vermeintlich kleinen Steinen zum Verschwinden ganzer Attraktionen führt.
Und in vielen Ländern ist es auch explizit verboten, Steine einzusammeln – beispielsweise in der Türkei, in Griechenland, aber auch an Orten, wo das eher unerwartet kommt, beispielsweise dem Strand von Djupalonssandur in Island. Würde jeder der vielen Touristen dort ein paar der faszinierenden, kugelrunden Lavasteine mitnehmen, wäre der Strand bald nicht mehr da …
7. Keinen Müll hinterlassen
Nehmen Sie alles wieder mit zurück, was sie mitgebracht haben. Das schließt übrigens auch ein, dass man Zigaretten-Kippen nicht einfach wegschnippt. Müllentsorgung ist in der Regel teuer, das sollte man den Urlaubszielen nicht zumuten. Je nach Ziel entspricht die Müllentsorgung auch nicht den hohen Umweltstandards, die wir gewohnt sind. Als Kreuzfahrt-Tourist fällt es besonders leicht, Müll wieder mitnehmen. Denn an Bord der Kreuzfahrtschiffe wird Müll genau getrennt und so optimal wie möglich entsorgt.
In Japan ist es übrigens vollkommen normal, dass man seinen Müll nicht irgendwo unterwegs in Mülleimer steckt – die gibt es nämlich nahezu nicht. Japaner nehmen ihren Abfall mit nach Hause (oder ins Hotel) und kümmern sich dort um Mülltrennung und -entsorgung.
Viele Länder, auch solchen, bei denen man das vorurteilsbehaftet nicht erwarten würde, verhängen teils heftige Strafen für das unachtsame Wegwerfen von Müll.
8. Nicht bei Ketten-Restaurants essen
Gehen Sie in Restaurants essen, die von Einheimischen betrieben werden.
Das hat einige sehr positive Effekte:
- Sie lernen die lokale Küche kennen und kommen mit Einheimischen in Kontakt – genau das, was man sich im Urlaub immer wünscht.
- Sie unterstützen die lokale Wirtschaft und Bevölkerung, statt Ihr Geld in Ketten-Restaurants auszugeben, bei denen ein großer Teil des Geldes in die Konzernzentrale wandert und in denen die Mitarbeiter meist schlecht bezahlt werden.
Also: Geben Sie der Destination etwas zurück, statt nur als Tourist einfallen, die Sehenswürdigkeiten kostenlos mitzunehmen, alle mit Selfies zu nerven, aber nichts dazulassen.
9. Keine „Made in China“-Souvenirs kaufen
Kaufen Sie lokales Kunsthandwerk oder lokale Produkte als Souvenirs.
- Sie nehmen etwas mit nach Hause, das wirklich mit dem Urlaubsland zu tun hat, in der dortigen Kultur verwurzelt ist.
- Wie schon bei den Restaurants unterstützen Sie damit die lokale Wirtschaft und Bevölkerung in besonderem Maße.
- Sie helfen dabei, lokale Kultur zu erhalten und verhindern, dass alt eingesessene Geschäfte schließen müssen, weil sie von profitableren Billig-Shops verdrängt werden.
10. Unterstützen Sie keine Tierquälerei
Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend, ist es aber dann oft doch nicht. Deshalb ist es mir eine Herzensangelegenheit, auf dieses Problem hinzuweisen.
Auch wenn es noch so cool ist, in Indien auf einem Elefanten zur reiten oder in der Karibik mit Delphinen zu schwimmen: Dieses Vergnügen geht auf Kosten der Tiere. Tun sie es nicht.
Auf Kreuzfahrten besonders relevant:
Esel-Reiten auf Santorini: Es ist Tierquälerei, auch wenn das dort angeblich „Tradition“ hat. Tradition ist, dass Esel als Lasttiere für die Einheimischen dienen, Lasten die steilen Berge der Inseln hinauf und hinuntertragen. Aber Tradition ist nicht, den ganzen Tag lang Tausende von Touristen jeden Körpergewichts zu schleppen.
In der Karibik mit (gefangenen) Delphinen schwimmen: Delphine sind fantastische Tiere, hochintelligent und sie leiden unter Gefangenschaft. Auch wenn die Delphin-Schwimm-Anbieter immer wieder beteuern, dass es den Tieren gut geht: Schauen Sie den Tieren in die Augen und Sie wissen, dass das nicht stimmt. Sie geben nicht Küsschen, weil sie das wollen, sondern weil sie hart darauf trainiert wurden. So ein „Erlebnis“ macht in Wirklichkeit ohnehin keinen Spaß.
Seien Sie ein willkommener Reisender
Wirklich nachhaltiges Reisen bedeutet noch viel mehr, insbesondere was Ressourcen-Verbrauch und Klimaschutz angeht. Aber ein großer, erster Schritt vor allem gegen die besonders unangenehmen Folgen des Overtourism ist gemacht, wenn wir uns respektvoll verhalten.
Letztlich nützt das allen: Die Einheimischen – oft auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen – kommen besser damit zurecht und können ehrlich gastfreundlich sein, statt mehr oder weniger heimlich die Hand zu hassen, die sie ernährt.
Und als Reisende erleben wir die Destinationen, die Kulturen und Menschen viel authentischer – statt nur künstlichen Touri-Kram von der To-do-Liste abzuhaken und von einem Fettnapf in den nächsten zu treten.
Moin zusammen! Als realistischer Pessimist erwarte ich, dass die berechtigten Appelle ungehört verhallen, und selbst wenn die geneigte Cruisetricks-Gemeinde sich würde- und respektvoll verhält, wie sollen die von Touristenmassen überschwemmten Einheimischen noch die Netten von den Unverschämten unterscheiden können, wenn sie völlig in der Defensive sind? Einst reiste ich entlang der mexikanischen Riviera und und Puerto Vallarta stakste ein britischer Urlauber in Sandalen, kurzer Hose und obenrum nackt durch eine katholosche Kirche, den ballonförmigen Bierbauch schwenkend. Ich musste das fotografieren…
Zum Respekt gehört auch die Privatsphäre von Einheimischen zu achten, private Grundstücke und Gebäude nicht ungefragt zu betreten. Und man kann es sich selbst sehr angenehmer machen, wenn man von den Haupttouristenströmen in den wenigen überfüllten Straßen Abstand nimmt und sich in fast leere Seitenstraßen verkrümelt. Ob Rothenburg ob der Tauber, Tallinn oder Dubrovnik zur Hauptreisezeit. Zwei Nebenstraßen weiter ist man fast allein mit sich selbst und einer entspannten Stimmung, und analog zur fußläufigen Entfernung zum Stadtzentrum sinken die Caffe-Latte-Preise um bis zu 50%. Pessimistisch bin ich aber auch, weil fliegen immer billiger wird. Kürzlich shuttelten wir ein paar mal zwischen FRA und BCN hin und her. Was wir da kurz vor Ostern nach Catalunya karrten, ist mit Ballermannpubkikum noch wohlwollend umschrieben. Schade… so vernichten wir in Rekordzeit das Flair, die Schönheit und die Authentizität der Reiseziele und die Gastfreundschaft der Einheimischen. Mir schwindet die Lust am Reisen inzwischen mehr und mehr.