An einzelnen Orten gibt es schon seit vielen Jahren Diskussionen um Kreuzfahrt-Overtourismus. Doch in jüngster Zeit begehren die Einheimischen in immer mehr Destinationen auf und sagen: Es reicht. Ist das ein Trend, der die Kreuzfahrt ernsthaft bedrängt?
Dabei ist Overtourismus kein Problem, das überwiegend von der Kreuzfahrt ausgehen. Wie Overtourismus auch ganz unabhängig von der Kreuzfahrt zu immer mehr Problemen führt, haben wir in unserem Beitrag „Tourists go home: Wenn Städte vor Massentourismus und Overtourism kapitulieren“ bereits ausführlich behandelt.
Wie radikal hierzu mancherorts inzwischen gedacht wird, zeigt eine Ankündigung der Bürgermeisterin von Valencia in Spanien, der illegalen Touristenunterkünften (Stichwort „Airbnb“) einfach den Strom und das Wasser abstellen will. Sevilla hat das in einigen Fällen sogar bereits getan.

Aber auch in der Kreuzfahrt wird Overtourismus an immer mehr Orten zum Problem – nämlich dort, wo die Schiffe den wesentlichen Anteil der (zu vielen) Touristen bringen. Bemerkenswert ist in vielen Fällen aber auch: Die Kreuzfahrt wird nicht komplett abgelehnt. Bei Protesten geht es meist recht differenziert um ein Zurechtstutzen der Touristenzahlen auf ein erträgliches Maß, um einen vernünftigen Kompromiss.
Mit Wasserpistolen gegen Touristen im Straßencafé
Für weltweite Schlagzeilen haben in diesem Jahr Demonstranten in Barcelona gesorgt, als sie Touristen aus Protest mit Wasserpistolen beschossen. Auf den Kanarischen Inseln gab es mehrfach Großdemonstrationen gegen den Massentourismus. Im niederländischen Ijmuiden blockierten Aktivisten mehrfach die Schleusen, die Kreuzfahrtschiffe passieren müssen, wenn sie nach Amsterdam fahren wollen. Ähnliche Aktionen gab es beispielsweise in Marseille oder Finistére in der Bretagne.

Zuletzt sorgte die griechische Regierung für große Aufmerksamkeit mit der Ankündigung, insbesondere den Kreuzfahrt-Tourismus auf Santorini und Mykonos zu reduzieren. Zu den angekündigten Maßnahmen dort gehört die Beschränkung der Kreuzfahrtschiffe pro Tag, Erhöhung der Liegegebühren für Kreuzfahrtschiffe und eine drastische Erhöhung der Kopfsteuer pro Passagier von derzeit 35 Cent auf bis zu 20 Euro. Schon seit 2018 gilt in Santorini eigentlich ein Limit von 8.000 Kreuzfahrt-Touristen pro Tag, das aber in diesem Sommer dennoch mehrfach überschritten wurde.
Was tun Städte und Regionen gegen Kreuzfahrt-Overtourismus?
Was tun Städte und Regionen, um die Kreuzfahrt in geregelte Bahnen zu leiten und die Belastung durch zu viele Kreuzfahrttouristen zu mindern? Wir haben typische Maßnahmen zusammengestellt und nennen Beispiele, wo sie ergriffen werden:
- Beschränkungen für die Zahl der Schiffe pro Tag (Amsterdam, Ibiza, Palma de Mallorca, Barcelona, Santorini, Mykonos, Juneau in Alaska, Bar Harbor in Neuengland)
- Beschränkung für die Zahl der Passagiere an einem Tag und/oder pro Schiff (Dubrovnik, Santorini, Juneau in Alaska, Bar Harbor in Neuengland)
- Beschränkung der Schiffsgrößen (Tahiti, Venedig)
- (höhere) Kopfsteuer pro Passagier (Santorini, Mykonos, Ketchikan in Alaska, Barbados, Bonaire, Bahamas, Amsterdam, Barcelona, Lissabon, Cozumel und Costa Maya in Mexiko)
- Gebühr für Kurzzeitaufenthalte in Städten ohne Übernachtung mit indirekter Wirkung auch auf Kreuzfahrt-Touristen (Venedig, Barcelona)
- Erhöhung der Liegegebühren für Kreuzfahrtschiffe (Santorini, Mykonos)
- Komplettes oder nahezu komplettes Kreuzfahrtschiff-Verbot (Venedig, Monterey in Kalifornien)
- Verlegung des Kreuzfahrt-Terminals weg vom Stadtzentrum (in Amsterdam geplant, in Stockholm und Kopenhagen teilweise umgesetzt, Barcelona World Trade Center Terminal)
- Beschränkungen für die Größe und das Verhalten von geführten Touristengruppen in der Stadt (Barcelona, Venedig)
- Umweltauflagen für die Schiffe (Bergen, Cannes)
Wenn es selbst an einem winzigen Ort wie Monte Argentario im Süden der Toscana schon Tage wie den 12. September 2024 gibt, an denen dort drei Kreuzfahrtschiffe vor Anker gehen (Club Med 2, Silver Whisper, Seabourn Ovation), dann zeigt das exemplarisch, das Dilemma. Denn die örtliche Tourismusförderung feiert das durchaus als Erfolg, während den meisten Bewohnern klar ist: So geht es nicht weiter. Noch gibt es in dem beschaulichen Monte Argentario keinen ernsthaften Widerstand gegen die Kreuzfahrtschiffe, aber Anwohner berichten, dass die Stimmung langsam kippt.
Neue Häfen und Terminals, Proteste gegen Beschränkungen
Während sich an immer mehr Orten Widerstand regt und Beschränkungen erlassen oder diskutiert werden, wollen andere Destinationen noch mehr – oder überhaupt erstmals – Kreuzfahrt-Tourismus zu sich holen.
Auf den Kapverdischen Inseln beispielsweise eröffnet demnächst ein neues Kreuzfahrt-Terminal auf Sao Vicente für zwei gleichzeitige Schiffsanläufe. Das schottische Stornoway hat gerade erst ein neues Terminal eröffnet. Fowey in Cornwall bewarb sich (erfolgreich) bei den Seatrade Cruise Awards 2024 um den Titel der „Destination of the Year“ und trat damit selbstbewusst unter anderem gegen Dubai an. Und in Saudi-Arabien ist die Kreuzfahrt wichtiger Bestandteil der Pläne für ein rasantes Wachstum des Tourismus als zukunftsträchtiges Standbein neben dem Ölgeschäft des Landes.

Miami, Fort Lauderdale und Port Canaveral eilen von einem Rekord zum nächsten, bauen ihre Kreuzfahrthäfen immer weiter aus, modernisieren die Terminals unter anderem mit Landstromanschluss. Sie schaffen auf dem inzwischen auch in diesen Häfen begrenzten Platz die Infrastruktur für noch größere Schiffe, um noch mehr Passagiere abfertigen zu können. Die drei Häfen in Florida gehören ohnehin schon zu den weltweit größten Kreuzfahrthäfen.
Und auf den Balearen gibt es trotz erst kürzlich beschlossener, neuer Restriktionen für Ibiza auch eine Gegenbewegung: Geschäftsleute fordern die Regionalregierung auf, die Restriktionen in Palma de Mallorca wieder aufzuheben. Sie beklagen den Umsatzausfall nach einem Rückgang der Kreuzfahrtpassagierzahl um 18 Prozent im Vergleich zu 2019. Palma hatte 2022 die Zahl der Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 500 Passagieren auf maximal drei pro Tag beschränkt, davon nur eines größer als 5.000 Passagiere.

Auch Europas größter Kreuzfahrthafen Barcelona beschränkt zwar einerseits die Kreuzfahrt, baut gleichzeitig aber weiter an einem zusätzlichen Terminal.
In Key West in Florida wurden Beschränkungen der Kreuzfahrt trotz großer Mehrheiten bei entsprechenden Bürgerentscheiden vom Landesparlament von Florida sogar gleich wieder gekippt.
Und was tut die Kreuzfahrt-Branche?
Noch ist die Kreuzfahrt-Branche nicht in Zugzwang. An manchen Orten einigen sich die Reedereien auf Beschränkungen, wie in Alaska. Andernorts nutzt man alternative Häfen zu besonders überlaufenen Destinationen.
Selbst in Alaska zeigt sich kein einheitliches Bild. So wurde eine weitere Beschränkung der Kreuzfahrt in Juneau – Kreuzfahrtschiff-Verbot an Samstagen – in einem Bürgerentscheid abgelehnt. Stattdessen plant Royal Caribbean dort für 2027 sogar den Bau eines neuen Kreuzfahrthafens etwas abseits von Downtown auf Douglas Island, in Kooperation mit einem von Alaskan Natives betriebenem Unternehmen.
In der Karibik entstehen gerade neue Exklusiv-Destinationen, die Overtourismus-Probleme abmildern: Mit Privatinseln, Privatstrände und exklusiven Beach Clubs der Kreuzfahrt-Reedereien werden mehr Hafenstopps möglich, bei denen die Reedereien die volle Kontrolle haben und in diesen künstlich geschaffenen Destinationen keine Belastung für Einheimische entsteht. Weiterer Vorteil: Diese exklusiven Strand- und Insel-Destinationen sind beim Kreuzfahrtpublikum in den USA höchst beliebt.

Was an manchen Orten ein zusätzliches Argument für die Kreuzfahrt ist, hat sich nach der Pandemie beziehungsweise aus den Pandemie-Folgen entwickelt: Wegen anhaltender Transport- und Lieferkettenprobleme kaufen die Reedereien viel mehr Lebensmittel und Getränke lokal ein. Bis 2020 war es üblich, überwiegend in großen Mengen zentral einzukaufen und die Waren per Container zu den Schiffen zu bringen.
Durch den vermehrten lokalen Einkauf ergeben sich Kreuzfahrt-Destinationen neue Geschäftsfelder, mehr Umsatz und Arbeitsplätze. Das liefert den Kreuzfahrt-Befürwortern – also vor allem denjenigen, die vor Ort von der Kreuzfahrt profitieren – ein zusätzliches Argument für die Unterstützung des Kreuzfahrt-Tourismus.
Was mich bei diesem Thema sehr stört ist, dass man das Gefühl bekommt es geht seitens der Kreuzfahrtkritiker nicht mehr wirklich um die Probleme der lokalen Bevölkerung oder um die Umweltprobleme, sondern darum die Schuld am Klimawandel und überlaufen Städten von sich abzuweisen. Kreuzfahrtschiffe sind nun einmal durch ihre Größe und Sichtbarkeit eine Steilvorlage dafür. Vor allem wenn undifferenzierte Medienberichte diese Denkweise befeuern, ist es sehr schwierig differenzierte Lösungen für solche Diskussionen zu finden. Daher bin ich sehr dankbar dafür, dass es Menschen gibt wie sie, welche Dinge hinterfragen und differenzierten Journalismus betreiben, weiter so!
Vielen Dank, solches Feedback freut mich besonders. Positive Rückmeldungen bekommt man ja heutzutage nur noch selten. Die meisten Menschen äußern sich nur noch, wenn sie etwas zu meckern haben; insofern freue ich mich über positive Rückmeldung gleich doppelt :-)