Angkor Wat ist für Kambodscha so bedeutend, dass diese berühmte Tempelanlage sogar die Staatsflagge des Landes ziert. Als ich unverhofft und kurzfristig die Möglichkeit hatte, Angkor Wat zu besuchen, konnte ich nicht widerstehen – obwohl der Ort zu den am meisten überlaufenen Touristen-Hotspots der Welt zählt. Erlebt habe ich Angkor Wat dann aber ganz anders.
Wir waren mit der Mekong Navigator am Mekong in Kambodscha und Vietnam unterwegs und der Reiseveranstalter, Vegan Travel, bot ein zweitägiges Nachprogramm im kambodschanischen Siem Reap an. Das ist die Stadt direkt neben den Tempelanlagen der Angkor-Region. Da mussten wir nicht lange nachdenken – auch wenn es eine der seltenen Momente war, in denen wir einmal ganz ohne Kreuzfahrtschiff auskommen mussten.

Neben dem weltberühmten Tempelanlagen hat Siem Reap aber auch sonst einige zu bieten: Wir genieße eine Massage, machen einen Khmer-Kochkurs inklusive Marktbesuch, erkunden das Nachtleben der Stadt und erleben eine Heißluftballon-Fahrt zum Sonnenaufgang, die sich zu einem größeren Abenteuer entwickeln sollte, als wir dachten.
Overtourismus in Angkor Wat?
Natürlich kennt jeder das Tempel-Foto mit der Spiegelung im See, romantisch und ganz ohne Menschen. Und jeder hat schon einmal davon gehört, dass Angkor Wat unter einem erheblichen Overtourismus-Problem leidet: von wegen „ohne Menschen“ – die stehen eben nur hinter dem Fotografen. Dachte ich.

Das ist auch nicht ganz abwegig. Wenn man das monumentale Gebäude sieht, in dem man die Tickets für die Angkor-Tempelanlagen kauft, wird klar: Hier gibt es Tage, die sich wie ein kleiner Weltuntergang anfühlen. Dich obwohl wir zur beginnenden Hauptsaison dort sind, erleben wir das Gegenteil: kaum Touristen, kein Gedränge.

Für das Angkor-Wat-Foto am See sind wir zumindest für einige Minuten komplett allein, bis eine einzelne kleine Touristengruppe kommt, um dieses ikonische Foto (und jede Menge Selfies) ebenfalls zu schießen. Perfektes Timing eben.

Die einfache Antwort unseres Guides Lonh – einer der besten übrigens, die ich je hatte: alles eine Frage des Timings. Wir haben an dem Tag drei der zahllosen Tempel der Gegend besucht: Vormittags um etwa 10 Uhr die eigentliche Tempelanlage von Angkor Wat, mittags das faszinierende Ta Prohm, besser bekannt als „Lara Croft“-Tempel, und kurz vor Sonnenuntergang den wunderschönen Tempel Bayon mit seinen lachenden Buddha-Gesichtern auf vielen der Tempel-Türme.
Angkor Wat: noch beeindruckender, als Fotos es versprechen
Die gewaltige Tempelanlage Angkor Wat entstand im frühen 12. Jahrhundert als Haupttempel von Angkor, der damaligen Hauptstadt des Khmer-Reiches – und zwar als Hindu-Tempel, der Göttin Vishnu gewidmet. Der ursprüngliche Name des Tempels aus dieser Zeit ist bis heute nicht bekannt.

Noch im selben Jahrhundert wurde der Tempel in einen buddhistischen Tempel umgewidmet. Es ist faszinierend, sich vom Guide zeigen und erklären zu lassen, wie relativ geringe Veränderungen an Figuren und Ornamentik diesen Wandel ziemlich einfach gelingen ließen.

Ander als die meisten Tempel der Region wurde Angkor Wat im Laufe der Jahrhunderte nie ganz aufgegeben. Im 20. Jahrhundert wurde schließlich begonnen, die Tempelanlagen umfassend zu restauriert. Im Grunde werden diese Arbeiten bis heute fortgeführt. 1992 bekam Angkor Wat den Status als Unesco-Welterbe. Der Tempel gilt als eine der größten, religiösen Gebäudekomplexe der Welt.






















Und tatsächlich kann man nicht anders, als staunend vor und in diesem beeindruckenden Tempel stehen und dem Guide lauschen, wenn er von den vielen, faszinierenden Details und geschichtlichen Hintergründen erzählt.

Eine der beeindruckendsten Details: Die Erbauer des Tempels legten rund um die Anlage große, seenartige Wassergräben an, die unter anderem dazu dienten, den Boden auch in der Trockenzeit feucht zu halten. Denn würde der sandige Boden austrocknen, könnte er die enorme Last der Bauten nicht mehr tragen. Es sind diese Details, die einen hier kaum aus dem Staunen herauskommen lassen.
Der „Lara Croft“-Tempel: Ta Prohm
Ta Prohm gehört zu den bekanntesten der bislang in Angkor nahe der Stadt Siem Reap entdeckten 1.000 Tempeln und Heiligtümer. Denn hier wurden Teile des Abenteurer-Kinofilms „Lara Croft: Tomb Raider“ (2001, Angelina Jolie) gedreht. Und würde man diese Tempelanlage nicht mit eigenen Augen sehen, man würde die Szenerie eher für eine im Computer generierte Fantasie-Welt halten.

Im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert wurde Ta Prohm als buddhistisches Kloster errichtet, im Laufe der Jahrhunderte dann aber regelrecht vom Dschungel verschluckt, wie so viele andere Tempel der Region auch. Ta Prohm steht seit 1992 auf der Liste der Unesco-Welterbestätten.

Doch in Ta Prohm entschieden sich die Architekten und Planer nach seiner Entdeckung dazu, den Tempel möglichst in dem Zustand zu belassen, in dem man ihn gefunden hatte. Und so kann man bis heute bestaunen, wie die Natur sich das Land zurückgeholt hat, wie Baumwurzeln sich um das Mauerwerk schlingen und regelrecht um Gebäude herum und über sie hinweg gewachsen sind.
















Auch in Ta Prohm gibt es zahllose, faszinierende Details, wie etwa ein Relief, das möglicherweise einen Dinosaurier zeigt – und zu allerlei pseudowissenschaftlichen Theorien verleitet, wie die, dass es eine Phase gab, in der sowohl Dinosaurier al auch Menschen auf der Erde lebten.

Tatsächlich ist sich die Wissenschaft nicht einig, welches konkrete Tier in dem Relief tatsächlich dargestellt wird und ob es nicht ohnehin als Fantasiewesen gedacht war.
Die lächelnden Buddha-Gesichter des Bayon-Tempels
Bayon ist einer der wichtigsten Tempel in der Angkor-Region. Angkor Wat selbst war nämlich nur relativ kurze Zeit der Haupttempel. Als im späten 12. Jahrhundert Angkor Thom als neue Hauptstadt entstand, wurde der Bayon-Temple als neuer, buddhistischer Haupttempel errichtet.

Einen besonderen Charakter verleihen dem Tempel die rund 200 Gesichter eines lächelnden Buddha, bis zu sieben Meter hoch, die in den Stein der Tempel-Türme gemeißelt wurden. 37 der Türme sind heute noch erhalten, ursprünglich waren es um die 50.

Bayon ist der Lieblingstempel unseres Guide Lonh. Und wenn man die friedliche Ruhe erlebt, die dieser Tempel mit seinen lächelnden Gesichtern ausstrahlt, versteht man, warum.










Zur besonderen Atmosphäre von Bayon tragen auch die vielen Affen bei, die durch die Anlage streifen und keinerlei Scheu vor den menschlichen Besuchern zeigen.

Ein wenig vorsichtig sollte man mit ihnen aber sein, denn die Region ist Tollwut-Gebiet. Ein Biss oder auch nur Kratzer würde unweigerlich einen Krankenhausbesuch nach sich ziehen.
Siem Reap: Was die Gegend um Angkor Wat sonst noch zu bieten hat
Wir sind von Saigon nach Siem Reap geflugen – und wurden erst einmal einen Tag auf die Folter gespannt, denn der Besuch in Angkor Wat war erst für den zweiten Tag geplant. Langweilig wurde uns allerdings nicht.
Bevorzugtes Verkehrsmittel in Siep Reap ist das Tuktuk. Die Stadt ist nicht sonderlich groß, sodass man mit diesen eigentlich skurrilen Motorrad-Taxis bequem überall hinkommt. Und so gehen wir mit dem Tuktuk auf Drive-Through-Sightseeing, …







… zum Abendessen in das von einem Schweizer geführte, vegane Restaurant Hey Bong, das vegetarisch-vegane Peace Café mit kambodschanischer Küche und den Italiener Fellini, der für unsere Gruppe ebenfalls komplett vegane Gerichte servierte, …

… dem sehenswerten, sehr fantasievollen, witzigen und beeindruckenden, lokalen Artisten-Zirkus Phare, hinter dem ein ambitioniertes Sozialprojekt mit einer Schule für rund 1.500 Kinder und einem Artistenprogramm für etwa 150 Schüler steckt …





… ins Nachtleben der Pub Street – in der es halbwegs gesittet zugeht, vergleicht man es mit Bangkok oder anderen, großen Städten in Asien …



… zu einer wohltuenden Aromatherapie-Massage, die uns bestmöglich auf den bevorstehenden Landsttreckenflug nach Hause vorbereitet …




… und zu einem der vielen Märkte, um gemeinsam mit der Köchin für unseren Khmer-Kochkurs einzukaufen. Die Kambodschanerin Sreyroth, verheiratet übrigens mit einem Franzosen, gibt uns einen großartigen Einblick in die Khmer-Küche.

Aber zuerst geht es dafür auf den Markt – und das ist für unsere veganen Mitreisenden dann doch eine kleine Herausforderung. Denn zwar ist der Markt auch ein kleines Paradies für die erstaunlichsten Gemüse- und Obst-Sorten. Aber auch ein nicht nur hygienisch beinahe schon beängstigendes Gewimmel an teils noch lebenden Fischen, Krebsen und vor allem jede Menge Fleisch.










Mitten im Gedränge segnet ein buddhistischer Mönch zwei Marktfrauen, die andächtig ihren Kopf neigen. Eine junge Frau liefert mit einem Seitenwagen-Motorrad Paletten von frischen Eiern an die Händler. Und überhaut scheint es, als würden die meisten Kunden mit dem Motorrad zum Einkaufen zu fahren.



Dem Getümmel entkommen, fahren wir mit dem Tuktuk zu Sreyroths Haus, das mitten in der Natur, aber nur ein paar Hundert Meter entfernt von einem der Eingänge zu Angkor Wat steht. Im Freien bereiten wir einen Salat aus grüner Mango, Amok (eine Art Curry, in Bananenblättern gedämpft) und ein Bananen-Dessert mit Tapioka – und zwar ohne „ich hab‘ da mal was vorbereitet“.










Wir kochen wirklich alles von Grund auf, einschließlich dem Stampfen der Würzpaste fürs Hauptgericht im Mörser, 20 Minuten lang. Und beim Nachkochen zu Hause merke ich: Eine Abkürzung über den Thermomix gibt es bei dem Gericht nicht. Die Sauce schmeckt deshalb so gut, weil sich erst durch das 20-minütige Mörsern die ganzen Aromen der Zutaten entwickeln.
Ballonfahrt zum Sonnenaufgang
Und wenn man denkt, die Reise ist zu Ende, man packt nur noch und steigt in den Flieger nach Hause – kommt die Idee für eine Ballon-Fahrt zu Sonnenaufgang am Abreisetag. Nachdem der Flieger nach Singapur erst am späten Nachmittag startet – warum also nicht? Es sollte mehr Abenteuer werden, aus wir uns vorgestellt hatten.

Abholen morgens um 5:10 Uhr, eine Stunde Busfahrt über dunkle Landstraßen, dann droht das Vorhaben an zu viel Wind zu scheitern. Doch nach einem kurzfristigen Startplatzwechsel geht es plötzlich ganz schnell und wir sind trotz aller Verzögerungen genau zum Sonnenaufgang in der Luft.

Und auch wenn der Wind in die falsche Richtung weht, wir also nicht wie naiverweise erhofft, mit dem Ballon über Angkor Wat fliegen – es macht Spaß. Und mit dem Bakong-Tempel fliegen – sorry: fahren – wir immerhin über einen wenn auch weniger bedeutenden Tempel.

Das eigentliche Abenteuer beginnt, als wir schon an die Heimreise denken. Denn der Wind hat es in sich. Wir verfehlen beim ersten Landeversuch nur knapp einen Baum. Gut, der Ballonfahrer versteht sein Handwerk, wirklich gefährlich war das nicht. Die Landung wird rau. Das wird uns klar, als wir uns dem Boden mit recht hoher Geschwindigkeit über Grund nähern (es sind rund fünf Meter pro Sekunde). Rechts eine Hochspannungsleitung, vor und hinter eine kleine Mauer, weiter hinten ein Gebäude, unter uns ein immerhin trockenes Reisfeld.




Und dann passiert es: Nachdem der Korb schon am Boden zum Stillstand gekommen ist, drückt der Wind noch einmal gegen den Ballon und wir fallen mitsamt dem Korb um. Am Rücken liegend harren ein paar Minuten aus, bis der Ballon eingeholt und das Aussteigen gefahrlos möglich ist.

Es ist der Abschluss einer Reise durch Vietnam und Kambodscha, die ebenso faszinieren, beeindrucken, ungewöhnlich und überraschend war wie die ganz anders als erwartete Landung mit dem Ballon im Reisfeld.
Hallo Franz,
als ich Deinen bericht lese und das Bild des Guides sehe, denke ich: „Den kennst du doch…“.
Na klar, Lonh! :-) Wir haben im September 2024 eine Mekong Kreuzfahrt (mit Viktoria Mekong Cruises) gemacht und sind ebenfalls im Anschluss ein paar Tage in Siem Reap geblieben.
Lonh war für den Kambodscha-Teil der Cruise als Guide an Bord der Viktoria Mekong. Auch wir haben ihn in sehr guter Erinnerung – wie natürlich die gesamte Reise.
Gruß
Oliver
@Oliver: Was für ein Zufall! Tatsächlich hätte ich Lonh gerne für mehrere Tage als Guide gehabt, er ist einfach großartig. Aber auch unsere Guides am Fluss, in Kambodscha und Vietnam, waren beide ziemlich klasse.