Selbstversuch „vegane Kreuzfahrt“: Es ist eine kleine Nische im Reisemarkt und in der Kreuzfahrt – und doch für Veganer eine wichtige. Für unsere Mekong-Flusskreuzfahrt und das Anschlussprogramm in Kambodscha und Vietnam haben wir uns auf eine komplett vegane Reise eingelassen – mit sehr positiven Überraschungen. Ich würde sogar sagen: Die vegane Kreuzfahrt hat mich verändert. Wie und warum, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Kaum etwas ist auf einer Kreuzfahrt so wichtig wie gutes Essen – wie passt das also mit einer veganen Kreuzfahrt zusammen? Wem dieser Gedanke als erstes durch den Kopf schießt, der fällt einem weit verbreiteten Vorurteil zum Opfer. Denn dies gleich vorweg: Ich habe schon lange nicht mehr so gut gegessen wie auf dieser veganen Reise.

Das Essen auf den Reisen sei exzellent, verspricht der Veranstalter Vegan Travel. Dass es aber auch aus Sicht eines Nicht-Veganers derart gut sein würde, hat meine persönlichen Erwartungen übertroffen.
Vegan Travel ist ein kleiner Reiseveranstalter aus Münster. Eigentümer Dirk Bocklage lebt selbst vegan und hat sich auf Fluss-Kreuzfahrten Hochsee-Reisen auf kleinen und Expeditionsschiffen für Veganer spezialisiert – und das ziemlich erfolgreich und mit internationalem Publikum. An Bord wird daher Englisch, aber auch Deutsch gesprochen.
Das Konzept in Kurzform: komplett vegane Reisen, sodass die Teilnehmer sich nicht um dieses Thema kümmern müssen, das sonst in ihrem Alltag ständige Aufmerksamkeit verlangt. Vor allem auf Reisen ist das für Veganer ein permanentes Darum-kümmern-müssen, während man doch eigentlich abschalten und in Ruhe den Urlaub genießen will. Dazu später noch mehr.
Warum schreibt ein Nicht-Veganer über eine vegane Kreuzfahrt?
Wir verreisen und unternehmen Kreuzfahrt in teils sehr exotische Länder, um Neues zu entdecken, Land und Leute kennenzulernen, gelegentlich unsere Komfortzone zu verlassen und uns überraschen zu lassen.
Nur beim Essen denken wir meist konservativ. Sind wir ehrlich: Asiatisch meinen wir, schon von zu Hause zu kennen, und mal einen „richtigen“ Burger in den USA zu probieren, lockt uns auch nicht wirklich aus unserer gewohnten, kulinarischen Umgebung.

Aber warum nicht wirklich Neues erleben, sich auf etwas komplett anderes einlassen? Genau das war meine Motivation, als Nicht-Veganer diese vegane Reise zu wagen – neben dem Reiz der Destinationen Mekong und Angkor Wat, die schon lange auf meinem Wunschzettel standen.
Reisen sollen den Horizont erweitern. Ich will neue Dinge entdecken – und dabei kulinarische Abenteuer nicht ausklammern.
Vegane Kreuzfahrten aus zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven
Zwei Perspektiven sind auf dieses Thema interessant: aus der Sicht von Passagieren, die vegan leben und das auch im Urlaub tun wollen; und aus meiner persönlichen Perspektive – der als Nicht-Veganer, der gerne neue Dinge ausprobiert und sich für gutes Essen begeistern kann, auch wenn es mich aus meiner Komfort-Zone lockt.
Eine komplett vegane Kreuzfahrt, das habe ich während unserer Mekong-Kreuzfahrt gelernt, ist ein Segen für Menschen, die vegan leben. Ob aus gesundheitlichen oder Tierschutzgründen, spielt dabei keine Rolle.
Versetzen wir uns als Nicht-Veganer in die Lage eines Veganers: Kaum ein Restaurant oder Hotel hat nennenswert, wenn überhaupt, vegane Gerichte auf der Speisekarte, schon gar nicht am Frühstücks-Buffet. Für Veganer bedeutet das: ständig mit Kellnern oder Köchen sprechen, diskutieren, erklären was vegan genau bedeutet; dass Käsespätzle vielleicht vegetarisch sein mögen, aber nicht vegan; dass in einem veganen Gericht weder Honig noch Ei etwas verloren haben; und sogar Wein oft nicht vegan ist, weil im Produktionsprozess tierisches Eiweiß zur Klärung genutzt wird.
Neben diesem ungemütlichen Aufwand und dem unangenehmen Gefühl, immer der Sonderling mit den nervigen Extrawünschen zu sein, ist das Ergebnis oft auch ein trauriger, kulinarischer Kompromiss, zum Beispiel: Steak mit Grillgemüse, nur ohne Steak – also ein Teller Grillgemüse.
Das mag zu einer Mahlzeit mal okay sein, aber was ist an den nächsten Abendenden, und zum Mittagessen? Und ein lieblos in die Pfanne gehauenes, geschmackloses Stück Tofu ist entgegen den Vorurteilen auch für Veganer kein Genuss.
Kreuzfahrt-Trend: mehr Optionen für Vegetarier und Veganer
Auf Kreuzfahrtschiffen hat sich die Situation für Veganer zwar in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Immerhin steht auf der Speisekarte nun oft ein veganes oder vegetarisches Gericht. Aber eben nur eines, während die anderen Gäste die Auswahl zwischen drei, vier oder fünf Gerichten haben. Und beim Dessert ist oft gar nichts dabei.
Will man all diesen Aufwand, dieses sich ständige Darum-kümmern-müssen, diese kulinarischen Kompromisse? Nein, und erst recht nicht im Urlaub, wo man eigentlich entspannen, abschalten und die Reise uneingeschränkt genießen will.
Wer mehr als nur einen Kompromiss will
Genau an diesem Punkt setzt der Reiseveranstalter Vegan Travel an: Er verspricht für die komplette Kreuzfahrt sowie das organisierte Vor- und Nachprogramm ein durchgängig veganes und kulinarisch erstklassiges Erlebnis. Und genau das hat mich gereizt: Wie gut ist veganes Essen, wenn es als „kulinarische Höhepunkte (…) faszinierende Gerichte, die selbst anspruchsvollste Gaumen verwöhnen“ beworben wird?

Wichtig für die veganen Kunden: Weil Dirk Bocklage als Inhaber von Vegan Travel die Reisen überwiegend persönlich begleitet oder eigene Reiseleiter mitschickt, kann er auch noch vor Ort eingreifen und für vegane Optionen sorgen, wenn ein Kooperationspartner doch einmal etwas falsch verstanden hat. Und dabei kann er gegenüber dem Restaurantbesitzer auch etwas deutlicher werden, wenn etwas nicht klappt. Kompromisse sind für ihn keine Option, das haben wir auf der Asien-Reise gemerkt.
Und dann überrascht er seine Gäste morgens auch mal mit frischen, veganen Croissants, die er in Siem Reap (Kambodscha) von einer lokalen, französischen Bäckerei per Tuktuk-Kurier bringen lässt – und die sind ganz großartig und jedenfalls besser als die allermeisten nicht-veganen Croissants, die man typischerweise auch in guten Hotels zum Frühstück bekommt.

Die Hotels im Nachprogramm zur Mekong-Kreuzfahrt in Saigon und Siem Reap hat er ausgewählt, weil sie entweder eine eigene, kleine Frühstückskarte für die Vegan-Travel-Gruppe anbietet oder sogar einen eigenen, kleinen Buffet-Bereich mit veganen Gerichten aufbauen.
Zum Mittag- und Abendessen sind exzellente, vegetarisch-vegane Restaurants reserviert, mit so vielen verschiedenen Gerichten, dass man irgendwann aufhört zu zählen. Was gut funktioniert: Die Gerichte kommen in großen Portionen zum Teilen in die Tischmitte, sodass sich jeder nehmen kann, was er möchte – was meist bedeutete: Man probiert von allem etwas, weil es so lecker ist.
Einige Beispiele aus Saigon:









Nur ganz selten ist beim Essen auch mal ein Tofu-Gericht dabei – ein weiteres Veganer-Vorurteil, dass ich über Bord werfen konnte. Vegan bedeutet eben nicht, zu darben und zu leiden, sich geschmacklosen Tofu anzutun und nicht essen zu „dürfen“, was „wirklich schmeckt“.
Und auf der Mekong-Navigator hatten wir eine Speisekarte mit jeweils mehreren Gerichten zur Auswahl, wie sonst auch auf Kreuzfahrten.





















An was man sich gewöhnen muss, weil es dem Gewohnten widersprich: Ein veganes Gericht folgt anderen Regeln. Es ist eben nicht ein Stück Fleisch oder Fisch mit Beilagen. Schon die Präsentation am Teller wirkt daher anders. Es wirkt oft wie „nur eine Beilage“ – aber die hat es geschmacklich in sich.
Ein Beispiel die „Earth Bowl“ auf der Mekong Navigator: brauner Reis, der einen intensiven Eigengeschmack mitbringt, mit Gewürzen, Sesam, Mango, Rote-Beete-Saft, Rettich und Frühlingszwiebel weiter aufgepeppt und das Umami kommt on der Miso-Mayonnaise. Ja, der Reis ist hier das Hauptgericht, nicht die Beilage. Und es ist lecker.

In Vietnam und Kambodscha spielen duftig geröstete Erdnüsse und Cashews eine Rolle, Früchte wie Mango, Bananen, Pomelo, natürlich Kokosnuss, Avocado, Kichererbsen und Jackfruit, aber beispielsweise auch Kürbis. Überraschend knackig in der Textur und reizvoll im Geschmack ist die Lotuswurzel.

Lässt man Fleisch und Fisch weg, entdeckt man viel bewusster, was eigentlich welche Aromen, welcher Geschmack in den Zutaten steckt, die man sonst nur als eher vernachlässigte „Sättigungsbeilagen“ am Teller liegen hat – und die in der nicht-veganen Küche dann oft auch mit nur sehr wenig Hingabe und Kreativität zubereitet sind.
Was übrigens auch zum Konzept gehört: Es gibt keine Landausflüge, die aus IScht des Tierschutzes fragwürdig sind, wie Elefantenreiten, Schwimmen mit Delfinen, Besuch von Krokodilfarmen udn Ähnliches.
Und wie funktioniert das – als Nicht-Veganer in einer veganen Reisegruppe?
Haben uns unsere Mitreisenden als Fremdkörper in der Gruppe betrachtet, als sie (ziemlich bald) gemerkt und erfahren haben, dass wir sonst nicht vegan leben?
Ein paar skeptische Blicke haben wir anfangs natürlich geerntet. Aber vor allem, weil die Veganer sich fragten, warum wir Nicht-Veganer auf eine solche Reise gehen. Aus Entdeckerlust und Offenheit für Neues – unsere Begründung war schnell akzeptiert.

Und natürlich war es für uns eine Geste des Respekts den Mitreisenden gegenüber, uns anzupassen und einzufügen. Natürlich gehe ich bei einem gemeinsamen Marktbesuch nicht zur nächsten Garküche, um mir gegrillte Fleischspieße zu kaufen – was mir überraschenderweise aber auch nicht schwerfiel.
Ich habe sogar meine geliebten Leder-Flipflops zu Hause gelassen, aus Respekt vor den Veganern, die das aus Tierliebe sind. Nur auf meine Merinowoll-Kleidung wollte ich nicht verzichten. Aber man sieht es den Shirts auch nicht an, dass sie aus Wolle sind.
Mein persönliches Fazit: ich habe nichts vermisst
Mein auch für mich selbst überraschendes Fazit: Wir haben während der zwölf Tage in Vietnam und Kambodscha, weder auf dem Flusskreuzfahrtschiff Mekong Navigator, noch beim Nachprogramm in Saigon und Siem Reap (Angkor Wat) beim Essen irgendetwas vermisst. Die vegane Küche war derart lecker, dass ich nicht einmal in Versuchung gekommen wäre, etwa Nicht-Veganes zu bestellen.
Sogar eher das Gegenteil ist eingetreten: Auch nach der Reise haben wir keineswegs Heißhunger nach Fleisch verspürt. Wir sind sogar bis zu einen gewissen Grad im veganen Flow geblieben, haben für uns selbst zum Valentinstag einen Tisch in einem veganen, vietnamesischen Restaurant in München reserviert. Nicht, weil wir Veganer geworden sind, sondern weil es einfach so lecker ist – wenn man es richtig macht beziehungsweise die richtigen Restaurants findet.
Nicht alles, was vegan ist, schmeckt mir – aber für eine vegane Reise ist das ziemlich egal
Natürlich gibt es Dinge, die gewöhnungsbedürftig sind. Schwierig ist es vor allem beim Frühstück, wenn man Wurst du Käse gewohnt ist. Denn auch wenn Veganer auf vegane Rügenwalder Wurst (die ganz okay ist) und Käse-Ersatz aus Cashew schwören: Diese Ersatzprodukte halten für meinen Geschmack einem Vergleich mit tierischer Wurst und Käse aus Kuhmilch nicht Stand.

Für mich persönlich ist das nicht sonderlich relevant, denn ich esse auch zu Hause zum Frühstück keine Wurst und Käse, sondern frisches Obst und Müsli. Und ob da Kuh- oder Mandelmilch drin ist, ist mir auch zu Hause ziemlich egal – in nehme, was gerade da ist.
Vor allem aber: Das ist eben nur die Perspektive eines Nicht-Veganers. Eine vegane Kreuzfahrt ist für Veganer konzipiert. Wer auf Wurst und Käse zum Frühstück, den Burger zum Lunch und Steak, Schnitzel, Gulasch & Co. zum Dinner nicht verzichten will, wird eine solche Reise ohnehin nicht buchen.

Für mich ganz persönlich werden vegane Reisen künftig eindeutig eine weitere Option sein. Wenn mich die Destination reizt, ist der Vegan-Aspekt kein Hinderungsgrund. Im Gegenteil: Ich habe diese Reise gerade auch kulinarisch sehr genossen und mich über positive, neue Geschmackserlebnisse gefreut.

Was die Reise bei mir ganz persönlich auch bewirkt hat: Ich denke noch mehr und ergebnisoffener über meine Ernährung nach. Ich war schon davor an einem Punkt angekommen, bei dem mich viele Fleischgerichte nicht mehr begeistern konnten.
Die vegane Reise hat mir deutlicher gezeigt, dass es sich lohnt, über Gewohnheiten hinaus zu denken und nicht nur, weil das Steak als die Krönung eines Dinner-Hauptgangs gilt, eben das Steak zu bestellen und nicht etwa ein wahrscheinlich schmackhafteres, aber eben nicht so prestigeträchtiges, dafür aber sehr fein und raffiniert gemachtes Pasta-Gericht.
Die Vegan-Reise hat bei mir im Kopf eine Entwicklung angestoßen, bei der ich noch nicht weiß, wo sie genau hinführt. Jedenfalls nicht zu komplett veganem Lebensstil, aber sicher viel stärker in Richtung guter, vegetarischer oder zumindest fleischarmer Küche. Ich bin selbst gespannt.
Nur eines weiß ich: Genuss wird bei mir immer die höchste Priorität haben. Aber eben was mir persönlich schmeckt – und nicht, was nur den Konventionen und Gewohnheiten entspricht.
Moin Franz,
sehr schön und ehrlich beschrieben – wie du das ja immer so machst!
Und du bringst es dabei auch wieder auf den Punkt, es geht beim Essen, egal ob vegan oder nicht-vegan oder vegetarisch, um den Geschmack und die Qualität. Man muss nicht alles veganes mögen, auch Fleischesser mögen z.B. kein Fisch, und das ist auch gut so. Doch du räumst in deinem Bericht treffenderweise mit dem Vorurteil auf, dass man in der veganen Küche nur Blattsalat und Tofu isst – und dass man eben auch ohne Fleisch eine vollwertiges Menü auftischen kann. Es gibt so viele Möglichkeiten von den Zutaten als auch den Gewürzen, da verliert man schon den Überblick. Schön dass Ihr euch mit Dirk auf die Reise gemacht habt und wieder neue Geschmackserlebnisse entdecken konntet. Wobei man ehrlicherweise auch sagen muss, dass ja gerade die asiatische Küche prädestiniert für eine Vegane Reise ist. Eine Treckingreise nach Grönland, oder Himalaya oder in die Anden sieht da schon schwieriger, fleischlastiger aus. Doch selbst im Alltag hier in Deutschland steht man spätestens beim Besuch seines Lieblings-Griechen beim Blick auf die Speisekarte vor enormen Herausforderungen – hingegen es beim Italiener um die Ecke dann schon wesentlich einfacher ist!
Lieber Christian, ja, in gewisser Weise war es natürlich ein wenig feige von uns, vegan ausgerechnet in Asien auszuprobieren ;-) Da hält sich das Risiko tatsächlich sehr in Grenzen. Aber mal abgesehen von Trecking in Grönland, wo man den Proviant aber ohnehin vollständig mitschleppen muss, ließe sich vegane, oder vegetarische Küche grundsätzlich so ziemlich überall durchziehen. Nur ist die Essenskultur in manchen Regionen so stark auf Fleisch fokussiert, dass es dort sicherlich schwieriger ist als in Asien, wenn man nicht selbst kocht, sondern vegan in einem Restaurant finden muss. Was ich für mich von dieser Reise mitnehme, ist in dieser Hinsicht, dass ich ganz persönlich viel weniger Fleisch „brauche“, aus ich das bisher angenommen hatte. Und zwar, weil vegan/vegetarisch oft beser oder mindestens gleich gut schmeckt.