Piraten-Unterschlupf, Drogenversteck, innovatives Forschungszentrum: Die kleine Bahamas-Insel Coco Cay alias Little Stirrup Cay hat eine reizvolle Geschichte, bevor sie zur privaten Trauminsel für Kreuzfahrt-Passagiere von Royal Caribbean und ab 2024 auch Celebrity Cruises wurde. Unsere intensive Recherche und spannende Zeitzeugen verraten Ihnen, was Sie über Coco Cay sehr wahrscheinlich noch nicht wussten.
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This article is also available in English: „How Little Stirrup Cay became Royal Caribbean’s private island Coco Cay“.
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Ob der berüchtigte Pirat Captain Blackbeard im 17. Jahrhundert je seinen Fuß auf die kleine Bahamas-Insel Little Stirrup Cay gesetzt hat, ist nicht überliefert. Als Piraten-Unterschlupf dürfte die kleine Insel aber allemal gedient haben. Im 18. Jahrhundert war sie wahrscheinlich auch eine, wenn auch unbedeutende, Durchgangsstation im Sklavenhandel.
Fest steht, dass Drogenkuriere des kolumbianischen Medellin-Kartells das Eiland in den 1980er-Jahren als Zwischenlager für Kokain- und Marijuana nutzten. Für die Entwicklung von Little Stirrup Cay zur heutigen Privatinsel „Coco Cay“ der Royal Caribbean Group sollte dieser Umstand indirekt eine wichtige Rolle spielen.
Themen in diesem Beitrag:
- Dornröschenschlaf im Schatten der größeren Nachbarinsel
- 1972: Little Stirrup Cay soll zu einem innovativen Forschungszentrum werden
- Dan Meyer, der Robinson Crusoe von Little Stirrup Cay
- „The Shallow Sea“ – die Insel bekommt ihren eigenen Roman
- Die Anfänge von Little Stirrup Cay aka Coco Cay als Kreuzfahrt-Privatinsel
- 1985: Admiral Cruises kauft Little Stirrup Cay
- Übernahme durch Royal Caribbean 1988, Umbau bis 1990 und Umbenennung in „Coco Cay“
- Coco Cay von 1994 bis 2018: Evolution vor der Revolution
- 2018/2019 – Der Umbau von Little Stirrup Cay zu „Perfect Day at Coco Cay“
- Wie sich Coco Cay vom Beginn im Jahr 1983 bis heute, 2023, verändert hat
- Und was ist aus dem ursprünglichen Flair der Insel geworden?
Dornröschenschlaf im Schatten der größeren Nachbarinsel
Little Stirrup Cay liegt in den Bahamas günstig an dem für die Schifffahrt seit jeher wichtigen Northwest Providence Channel am nördlichen Ende der Berry Islands. Zugleich blieb sie neben der größeren Nachbarinsel Great Stirrup Cay immer ein wenig unauffällig. 1863 errichtete der Imperial Lighthouse Service des British Empires einen Leuchtturm auf Great Stirrup Cay, im Zweiten Weltkrieg entsteht hier ein Hubschrauberlandeplatz, die US Air Force errichtet in der Nachkriegszeit eine Einrichtung zur Satellitenüberwachung.
Auf Little Stirrup Cay bleibt es dagegen still. Selbst, ob die ursprünglichen Bewohner der Bahamas, die Lucaya, je fest auf Little Stirrup Cay siedelten, ist heute nicht mehr feststellbar. Die Lucaya waren ein Zweig der Taino, die über Jahrhunderte hinweg bis zur Ankunft der Europäer fast in der gesamten Karibik siedelten. Auf den Bahamas wurden sie bis 1520 letztlich vollständig vernichtet – versklavt, getötet, vertrieben.
Erst 1972 erwachte Little Stirrup Cay zaghaft aus dem Dornröschenschlaf, auch wenn es noch viele Jahre dauern sollte, bis die Insel unter dem späteren Marketing-Namen „Coco Cay“ weithin bekannt wurde. Denn eigentlich sollte aus Little Stirrup Cay etwas ganz anderes werden.
1972: Little Stirrup Cay soll zu einem innovativen Forschungszentrum werden
1972 entdeckte der renommierte, amerikanischen Wissenschaftsjournalist und Forscher Neil P. Ruzic die zugleich verkehrsgünstige wie abgeschiedene Lage der Insel für eine revolutionäre Idee: Eine „Island for Science“ sollte Little Stirrup Cay werden – eine Stätte für Forschung an alternativer Energiegewinnung, nachhaltiger Shrimp-Aquakultur, pharmazeutischen Wirkstoffen auf Korallen und einigem mehr.
Ruzic hatte gerade seinen 1959 gegründeten und sehr erfolgreichen Wissenschaftsverlag verkauft und investierte einen Teil des Erlöses in Little Stirrup Cay, das er von einem amerikanischen Privatmann kaufte – damaligen Medienberichten zufolge für 600.000 Dollar. Rund zwei Jahre lang hatte er nach dem idealen Standort für sein Projekt gesucht.
Die Schönheit der Insel sieht Neil P. Ruzic damals eher als angenehme Dreingabe. Später wird er in einer Broschüre für potenzielle Investoren schreiben: „Nicht alle Koralleninseln sind schön, aber diese hier ist es.“
Die Nordküste von Little Stirrup Cay ist rau und felsig, das Meer fällt auf dieser Inselseite steil ab und erreicht eine Wassertiefe von fast einem Kilometer. Im Osten und Süden gibt es Strände, die Buchten davor sind sehr seicht und sandig. Die Insel ist überwuchert von einem niedrigen, subtropischen Dschungel. Es gibt zwei kleine, sumpfige Brackwasser-Seen.
Als Neil Ruzic die Insel kauft, dokumentiert er auch die Flora: Seetraube (Coccoloba), Kokospalmen (Cocos nucifera), Schilfpalmen (Thrinax), Knopfbüsche (Cephalantus). Er findet Insekten, Spinnen, Einsiedlerkrebse und Möwen auf der Insel. Im seichten Wasser im Süden der Insel finden sich unter anderem zahlreiche Conch-Muscheln, karibische Hummer, Sandhaie.
Die höchste Erhebung auf der Insel ist 20 Meter über dem Meeresspiegel. In Dschungel findet Ruzic alte „slave walls“, historische, steinerne Einzäunungen für Schweine (möglicherweise waren es auch Ziegen, wie eine andere Quelle nahelegt), die sich „endlos durch den Dschungel winden“, wie Ruzic schreibt.
Mauerreste aus der Vorgeschichte der Insel kann man übrigens selbst heute noch besichtigen, auch wenn sie auf der Insel-Karte von Royal Caribbean nicht verzeichnet sind (Tipp: Die Ruinen finden sich im Gebüsch neben dem Weg zwischen Helium-Ballon und Thrill Waterpark).
Ruzic war mit dem Konzept der „Island for Science“ seiner Zeit weit voraus. Die Forschungsprojekte, die er auf Little Stirrup Cay angehen wollte, wären für die damalige Zeit bahnbrechend gewesen. Und auch sein konsequent interdisziplinärer Forschungsansatz war damals noch sehr ungewöhnlich.
Aber Neil P. Ruzic war eben auch nicht nur irgendein Wissenschaftler. Lange Zeit am Nasa-Raumfahrtprogramm beteiligt, wäre er gerne selbst mit einer der Apollo-Missionen zum Mond geflogen. 1963 veröffentlichte er das vielbeachtete Buch „The Case for Going to the Moon“. Für ein weiteres, 1970 erschienenes Buch Ruzics, „Where the winds sleep – man’s future on the moon, a projected history”, schrieb kein Geringerer als Wernher von Braun das Vorwort. Ein Youtube-Video namens „How One Book Saved Apollo“ portraitiert Ruzic und seine Bedeutung für das US-Raumfahrtprogramm.
Die beiden Bücher beschäftigen sich schon damals, vor mehr als 50 Jahren, mit der Errichtung einer Basis auf dem Mond, unter anderem als Ausgangspunkt für Missionen zu anderen Planeten wie dem Mars. 1960 bekam Ruzic ein US-Patent für ein Gerät namens „Lunar Cryostat“, das Proben von der Mondoberfläche bei gleichbleibend extrem niedriger Temperatur konservieren kann.
Doch für sein ganz irdisches Projekt „Island for Science“ auf Little Stirrup Cay sollte es anders kommen als erträumt.
Dan Meyer, der Robinson Crusoe von Little Stirrup Cay
Mit einer schillernden Persönlichkeit verbunden sind die Jahre, in denen Neil P. Ruzic hoffnungsvoll am Aufbau der „Island for Science“ arbeitete: Der heutige Schwertschlucker und Motivationsredner Dan Meyer lebte für einige Jahre auf Little Stirrup Cay. In solchen Motivationsreden demonstriert er, wie ihm unter anderem seine Zeit auf Little Stirrup Cay geholfen hat, Ängste in seinem Leben zu überwinden.
Die Ruzics hatten den High-School-Freund von David Ruzic engagiert, um ein Auge auf die Insel zu haben, denn das war offenbar dringend nötig. Neil P. Ruzics Sohn David erzählt: „Wir fingen an, einiges zu bauen, zum Beispiel eine kleine Hütte. Das Problem war, dass so etwas, wenn man es monatelang unbeaufsichtigt lässt, buchstäblich verschwindet. Jedes Brett wurde von Leuten benachbarter Inseln abgebaut und für ihre eigenen Gebäude verwendet.“
Von 1979 bis 1983 verbrachte Dan Meyer daher auf Little Stirrup Cay, die meisten Zeit allein und auf sich gestellt. Auf einer inzwischen nicht mehr zugänglichen Homepage schrieb Dan Meyer über seine Zeit auf Little Stirrup Cay: „Ich lebte in einer strohgedeckten Hütte, kochte über einem Lagerfeuer, aß Kokosnüsse und alles, was ich an Haien, Stachelrochen, Zackenbarschen oder Hummern aufspießen konnte, und lebte im Grunde wie Robinson Crusoe. Die meiste Zeit trug ich einen Tarzan-Lendenschurz und meine Haare waren von der Sonne und dem Salzwasser richtig blond gebleicht.“
„The Shallow Sea“ – die Insel bekommt ihren eigenen Roman
Wie Neil P. Ruzic versuchte, seine großen Ideen auf Little Stirrup Cay umzusetzen, beschreibt er später in einem Thriller mit dem Titel „The Shallow Sea“. Ein Happy End hat die Story nicht: Ruzic berichtet über Ignoranz der Behörden, hartnäckige Korruption und Drogenhandel auf den Bahamas. Sie machten seinen Traum von einer Wissenschaftsinsel zunichte.
„Truth throu fiction“ lautet die Widmung in dem Exemplar des Romans, das Cruisetricks.de vorliegt. Und der Sohn des Autors, David N. Ruzic, sagt: „Zwei Drittel davon sind komplett wahr!“
Das Titelbild des Romans ist eine Zeichnung, kein Foto. Es zeigt eine dicht bewachsene Insel mit zwei natürlichen Seen und die Algen- und Shrimp-Farm in der seichten Bucht auf der windabgewandten Seite der Insel, die ein wichtiger Teil des Forschungsprojekts dort hätte werden sollen.
Ein Teil der Gebäude der Insel steht auf dem Bild in Flammen – ein Sinnbild für das Scheitern des Projekts, auch wenn das Ende der Geschichte in der Wirklichkeit viel weniger dramatisch verlief als im Roman.
Das Buch erschien 1992. Da hatte Neil Ruzic und seine Frau Carol die „Island of Science“-Idee schon längst aufgegeben und stattdessen begonnen, auf Pirateninsel-Romantik und Schnitzeljagden für sonnenhungrige Kreuzfahrturlauber zu setzen.
David Ruzic berichtet von der bitteren Erfahrung des Scheiterns: „Etwa 1980/81 gaben wir es auf zu versuchen, von der bahamaischen Regierung die Genehmigungen für unsere Vorhaben zu erhalten. Wir hatten zwar Baugenehmigungen und beschäftigten Einheimische, um die meisten der erwähnten Bauarbeiten auszuführen. Aber die einzigen beiden Geschäftsbereiche, die die Regierung damals interessierten, waren Drogenschmuggel und Tourismus.“
Für die Ruzics blieb nur eine Wahl, wie es weitergehen konnte mit Little Stirrup Cay, sagt David: „Wir entschieden uns für den Tourismus und zahlten unsere ‚Island for Science‘-Investoren aus.“ Es ist das Ende der Forschungsinsel und der Beginn von Coco Cay als Privatinsel für Kreuzfahrt-Touristen.
Die Anfänge von Little Stirrup Cay aka Coco Cay als Kreuzfahrt-Privatinsel
Seit 1977 gepachtet und seit 1988 gekauft, nutzte Norwegian Caribbean Line (heute NCL) schon damals die Nachbarinsel Great Stirrup Cay. Es ist der frühe Beginn eines Trends, der bis heute anhält: Privatinseln und Privatstrände exklusiv für die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen. Die Vorstellung eine „Out-Island“ auf den Bahamas ganz für sich allein zu haben, beflügelte schon damals die Robinson-Crusoe- und Piraten-Fantasien der Kreuzfahrer.
Dennoch dauert es erstaunlich lange, bis die Idee Nachahmer findet. Der Großsegler Fantome der leger-luxuriösen Windjammer Barefoot Cruises ging zwar mindestens schon seit 1975 oder 1976 vor Little Stirrup Cay vor Anker und brachte die gerade einmal 30 bis 50 Passagiere des Schiffs per Tenderboot zum Schnorcheln und Tauchen an einem Korallenriff zur Insel.
Als erstes für damalige Verhältnisse großes Kreuzfahrtschiff geht aber erst 1983 die Emerald Seas mit knapp einer Kapazität von bis zu 1.000 Passagieren vor Little Stirrup Cay vor Anker und bringt seine Passagiere mit den Beibooten auf die Trauminsel mit Palmen und weißem Sandstrand. Zehn Dollar pro Passagier bekommen die Ruzics dafür von der Reederei, erinnert sich David Ruzic.
Die Kanadierin Cathy Reed erinnert sich an die ersten Anläufe der Emerald Seas auf Little Stirrup Cay. Zusammen mit ihrem Ehemann war sie ab 1983 einige Zeit als Tauch- und Schnorchel-Guide auf Little Stirrup Cay:
„Eastern Cruise Lines beschloss, ihre Reiseroute zu ändern, um im Kreuzfahrtgeschäft ab Miami und auf den Bahamas wettbewerbsfähiger zu werden. Sie entwickelten die ‚Super Cruise‘, die sie 1983 auf den Markt brachten.
Die Kreuzfahrten bestanden aus drei- und viertägigen Ausflügen von Miami nach Nassau, Little Stirrup Cay, Freeport und einem Tag auf See.“ …
… „Der Stopp in Little Stirrup Cay war für die meisten Passagiere ein Höhepunkt und wurde auch als solcher beworben. Eine private Out-Island in den Bahamas mit Sandstränden, tollen Schnorchel- und Wassersportmöglichkeiten, Strandspielen, BBQ-Lunch, einer Bar, Dschungelwanderungen zu alten Ruinen und so weiter. Es war etwas, auf das man sich freuen konnte und das man zu schätzen wusste, wenn man es einmal erlebt hatte.“
Was Little Stirrup Cay in dieser Anfangsphase als Privatinsel zu bieten hatte, war sehr begrenzt. „Wir nannten sie zwar unsere eigene Privatinsel, aber sie war so unterentwickelt, dass sie wirklich nicht viel zu bieten hatte. Und die Zahl der Passagiere war auch nicht besonders groß“, sagt Ken Rush, der damals als Assistant Cruise Director auf dem 1.000-Passagiere-Schiff Emerald Seas arbeitete und heute Entertainment-Direktor bei Royal Caribbean ist. Aber „alle fanden es sehr charmant. Jeder dachte, es sei absolut perfekt. Die Leute wollten gar nicht mehr.“
Wie sich die Insel damals präsentierte, dokumentierte auch Al Parker, damals als Sänger auf der Emerald Seas engagiert. Im Dezember 1988 drehte er ein Video, das heute bei Youtube zu finden ist. Es zeigt neben Little Stirrup Cay (ab Timecode 15:46) auch die Emerald Seas sowie einige Impressionen vom Hafenstopp in Nassau.
1985: Admiral Cruises kauft Little Stirrup Cay
1985 verkaufte Neil P. Ruzic den größten Teil von Little Stirrup Cay schließlich an die gerade neu entstehende Kreuzfahrt-Reederei Admiral Cruises – ein Zusammenschluss von Eastern Cruise Lines (Emerald Seas), Western Cruise Lines (Azur Seas) und Sundance Cruise Lines (Stardancer). Admiral Cruises wiederum ging 1988 in Royal Caribbean Cruise Line auf, die heutige Royal Caribbean Group.
David Ruzic erzählt, wie es damals zum Verkauf der Insel kam: „Mein Vater sprach auch mit anderen Schiffen, um an jedem Tag eines an der Insel zu haben. Einige kleinere Schiffe nahmen sein Angebot an. Bald darauf wurde Eastern Cruise Lines von Admiral Cruises gekauft und Admiral wollte ein Exklusivrecht für die Insel. Als wir anfingen, mit deren Konkurrenten zu sprechen, beschlossen sie, die Insel in aller Eile zu kaufen.“
Die Ruzic-Familie behielt bei dem Verkauf ein kleines Stück Land auf Little Stirrup Cay, rund zwei Hektar der insgesamt 57 Hektar großen Insel. „Wir behielten uns das Recht vor, uns auf der ganzen Insel frei zu bewegen und auch das zu tun, was Kreuzfahrtpassagiere tun konnten“, erzählt David Ruzic.
Auf diesen zwei Hektar, etwa in der Mitte der Insel zwischen den beiden kleinen Seen, errichteten die Ruzics 1988 eine zweistöckige Ferien-Villa mit sechseckigem Grundriss, rund 5.000 Quadratmeter groß.
Ein System zum Auffangen und Filtern des Regenwassers lieferte nicht nur genug Frischwasser zur Versorgung der Villa, sondern reichte auch zu Befüllen eines Swimmingpools. Ein paar wenige der Ideen für die „Island for Science“ konnte Neil P. Ruzic hier also zumindest für seine eigene Villa umsetzen. Und so verbrachte die Ruzic-Familie weiterhin einige Zeit im Jahr auf Little Stirrup Cay.
Übernahme durch Royal Caribbean 1988, Umbau bis 1990 und Umbenennung in „Coco Cay“
Admiral Cruises hatte die kleine Bahamas-Insel ab 1985 also exklusiv und zunächst auch nur für die Passagiere der Emerald Seas. Nennenswerte Veränderungen nahm Admiral Cruises auf Little Stirrup Cay zunächst nicht vor.
1988 wird Admiral Cruises von Royal Caribbean übernommen und damit auch Little Stirrup Cay. Die Reederei beginnt bald mit den ersten, größeren Umbaumaßnahmen, die im Wesentlichen bis 1990 abgeschlossen sind. Sieben Millionen Dollar investiert Royal Caribbean damals insgesamt in den Ausbau der Insel.
1990 bekam die Insel auch einen neuen Namen: „Coco Cay“. Fürs Marketing nutzt Royal Caribbean den Namen Coco Cay von da an konsequent, auch wenn der geografische Name der Insel weiter „Little Stirrup Cay“ lautet.
Um das nordöstliche Ende des Strandes besser vor Erosion zu schützen, errichtet Royal Caribbean östlich der Einfahrt zum Tenderhafen eine niedrige Mauer, die „Seawall“, und einen stilisierten Leuchtturm, den Lighthouse Tower, mit einer kleinen Aussichtsplattform.
Die Seawall verleiht der nordöstlichen Ecke der Insel zugleich das Flair einer Seepromenade im Teilschatten einiger Kokospalmen. Als echter Leuchtturm fungierte der Lighthouse Tower freilich nie. Beim großen Umbau der Insel 2019 wurde er abgerissen.
Ein eigener Tenderhafen und die Meerjungfrau Caylana
Bis 1988 hatte die Reederei lediglich den Bereich der Insel genutzt, der östlich des sumpfigen Sees lag, sowie Strände an der Südseite. Die Tenderboote fuhren mit den Passagieren vom Ankerplatz der Schiffe nördlich der Insel zu einem Holzsteg an einem Strand im Osten. Das war nicht optimal, denn in diesem Bereich lagen zugleich auch die beliebtesten Strandabschnitte.
Daher wurde nun der östliche der beiden Seen auf der Insel ausgebaggert und im Norden ein Durchbruch zum Meer geschaffen – ein kleiner, geschützter Hafen also, in den Tenderboote hineinfahren konnten. Beim großen Umbau der Insel 2019 ist der Tender-Hafen dann zum Harbor Beach geworden.
Liebevolles Detail im Tenderhafen: Nahe dem Anleger für die Tenderboote grüßte eine etwa drei Meter große, bronzene Meerjungfrau in einem kleinen Springbrunnen namens „Caylana“ die ankommenden Passagiere. Royal Caribbean hatte die Statue bei der renommierten Bildhauerin Kathy Spalding (1952 bis 2014) in Auftrag gegeben.
Während des Insel-Umbaus ab 2019 wurde die Meerjungfrau entfernt, kehrte aber Ende Dezember 2022 an fast dieselbe Stelle am heutigen Harbor Beach zurück.
Versenktes Flugzeug als Schnorchel-Attraktion
Vor dem Strandabschnitt im Osten, den die Kreuzfahrt-Touristen bereits zum Schnorcheln direkt vom Strand nutzen, liegt ein Kleinflugzeug in etwa fünf Meter Tiefe als künstliches Korallenriff, laut Seattle Times dort von Royal Caribbean versenkt. Allerdings liegt das Flugzeug dort wohl schon seit mindestens 1983, also deutlich vor Übernahme der Insel durch die Reederei, und soll ein von der Bahamian Defense Force dort abgeschossenes Flugzeug von Drogenschmugglern sein.
In dem Beitrag schreibt der Autor 1994, dass Little Stirrup Cay bei Schnorchlern besonders beliebt sei, weil es neben dem Flugzeugwrack auch die Beton-Nachbildung des Piratenschiffs des berüchtigten Captain Blackbeard aus dem 16. Jahrhundert – genannt „Queen Anne’s Revenge“ – zum Lebensraum für tropische Fische und andere Meeresbewohner geworden sei. Außerdem gebe es vor der Insel auch ein natürliches Korallenriff zum Schnorcheln.
Das Flugzeugwrack ist bis heute dort zu finden. Allerdings liegt es inzwischen außerhalb des freigegebenen Schnorchel-Bereichs. Einige Reste des Piratenschiffs kann man dagegen beim Schnorcheln immer noch entdecken, wie ein Youtube-Video von 2021 zeigt (ab Timecode 5:22):
Coco Cay von 1994 bis 2018: Evolution vor der Revolution
In den folgenden rund 15 Jahren entwickelt die Reederei Coco Cay alias Little Stirrup Cay behutsam weiter, vereinzelt kommen neue Attraktionen hinzukommen. Erst 2019 erfährt die Insel dann eine umfangreiche Erweiterung des Angebots.
1994 gibt es auf der Coco Cay einige Bars, Pavillons für Essen und Getränke, Verkaufsstände im Stil des „Straw Market“ von Nassau, einen kleinen „Adventure Ocean“-Kinderbereich, eine Bühne mit karibischer Live-Musik, Beach Volleyball und diverse Wassersport-Aktivitäten wie Schnorcheln, Tauchen, Parasailing, Glasbodenboot-Touren, Kajak-Touren, Verleih von Floating Mats sowie Tretboote und Waverunner-Jetski.
2003: Caylana’s Castle Cove – Wasserspielplatz vor der Insel
Im März 2003 eröffnen Royal Caribbean und Celebrity Cruises in Sponsoring-Kooperation mit Coca-Cola Company einen neuartigen Wasserspielplatz vor Coco Cay mit einer Investition von über 100.000 Dollar. Der 1.860 Quadratmeter große Wasserpark in Coco Cay mit dem Namen „Caylana’s Castle Cove“ bietet unter anderem zwei über vier Meter hohe, aufblasbare Burgen mit Rutschen auf der einen und Kletterwänden auf der anderen Seite, zwei Trampoline mit gut 7,5 Metern Durchmesser oder aufblasbare Wipp-Tiere, die wie riesige Hot Dogs auf einem Brötchen aussehen. In einem separaten Bereich gibt es ähnliches für kleinere Kinder.
Anfangs befindet sich der Aqua Park in der südlichsten der drei Buchten an der Ostküste der Insel. Spätestens Anfang 2010 wird dieser aufblasbare Wasserpark dann vor einen südlich gelegenen Strand unweit des Anlandungsstegs für die Waverunner-Jetski verlegt.
Und spätestens 2010 nimmt Royal Caribbean nahe der Caylana’s Castle Cove am Strand auch eine aufblasbare „Seatrek Water Slide“ Wasserrutsche in Betrieb, die mit gut 50 Metern (175 Fuß) Rutschenlänge damals als eine der größten Rutschen dieser Art weltweit beworben wird.
Den Wasserpark gibt es bis zur Eröffnung des nun landbasierten, riesigen Wasser- und Rutschenparks „Thrill Waterpark“ und dem Kinder-Wasserspielplatz „Splashaway Bay“ auf Coco Cay nach der umfassenden Erweiterung zu „Perfect Day at Coco Cay“ 2019.
Cabanas und Island Oasis Cabana Club
Mit der Zeit führte Royal Caribbean auf Coco Cay einige Upgrade-Optionen für das Strand-Erlebnis ein: Gegen Bezahlung kann man vorreservierte, bequeme Sonnenliegen oder kleine, überdachte Bungalows am South Beach buchen.
Noch exklusiver waren die Cabanas im Island Oasis Cabana Club, der zwischen 2011 und Anfang 2012 im Nordosten der Insel nahe dem Lighthouse-Tower entstand. Im Herbst 2014 wird der Club erweitert und umfasst dann den gesamten Bereich rund um den Lighthouse-Tower. Eine Passagierin beschreibt ihre Cabana in diesem Beach Club 2014 als „unser eigenes, privates Paradies“.
Der Island Oasis Bach Club ist ein Vorläufer des heutigen Coco Beach Clubs, der beim Umbau der Insel 2019 auf der Südseite der Insel entstand.
2015 öffnet Royal Caribbean im westlichsten Teil des Barefoot Beach – heute South Beach – eine Swim-up-Bar im seichten Wasser vor der Insel. Diese Bar gibt es auch nach der Renovierung von 2019 weiterhin.
2016 – Der Verkauf der restlichen zwei Hektar an Royal Caribbean
Über die Jahre hatte die Ruzic-Familie bereits immer mehr Nutzungszeit an ihrem Ferienhaus auf Coco Cay über Timesharing verkauft und hatten zuletzt nur noch etwa zwei Wochen für sich selbst – bis sie schließlich auch die restlichen zwei Hektar an Royal Caribbean verkauften.
David Ruzic: „Im Jahr 2016 verkauften die Eigentümer unseres Hauses schließlich die letzten zwei Hektar und das Haus selbst an Royal Caribbean und unser Kapitel auf der Insel ging damit zu Ende. Für mich ist das eine Zeit von 1970, als wir uns zum ersten Mal Inseln auch auf den Bahamas ansahen, bis 2016. Eine Zeit von meinem zwölften bis zum 58. Lebensjahr. Mein Leben war also sehr eng mit Little Stirrup Cay verbunden.“ Carol Ruzic und ihr Sohn David haben Little Stirrup Cay seitdem nicht mehr besucht.
Die ehemalige Ferienvilla der Ruzics verschwand schließlich bei den umfangreichen Erweiterungen des Insel-Angebots 2019. Übrig sind heute nur noch ein paar Mauerreste am früheren Zugangsweg zur Villa.
Die Strände auf Coco Cay
Im Laufe der Jahre hat Royal Caribbean die Insel Schritt für Schritt ausgebaut und erweitert, um immer mehr Passagieren gleichzeitig hierher bringen zu können, ohne dass es ungemütlich eng wird. Vor allem die Strände auf der Südseite der Insel waren anfangs komplett unberührt, wild, aber auch ungepflegt, und nicht auf den Insel-Plänen verzeichnet. Aber als Passagier konnte man sich frei dorthin bewegen, wenn man sein Handtuch nicht gleich auf einem Liegestuhl nahe des Tender-Anlegers ausbreitete.
Ein Blick auf die verschiedenen Strände von Little Stirrup Cay alias Coco Cay zeigt, wie immer mehr Bereiche zu offiziellen Stränden wurden und nach und nach offizielle Namen bekamen. Die Strände auf Little Stirrup Cay alias Coco Cay (im Uhrzeigersinn, beginnend im Nordosten):
- seit 2019 neu: Harbor Beach in der Lagune, die vor dem Bau der Pier als Tenderhafen diente
- Snorkel Beach und Water Sports Beach, dazwischen bis 1990 der Tender-Steg; ab 2019 zusammengefasst zu Chill Island
- Wanderers Beach, 2012 umbenannt in Coconut Willie’s Beach; ab 2019: Breezy Bay at Chill Island
- erst seit 2012 mit offiziellem Namen: Barefoot Beach; seit 2019 ist der östliche Teil Coco Beach Club, der südlich heißt South Beach
- im Januar 2024 wurde im Nordwesten der neue Adults-only-Strand Hideaway Beach eröffnet. Royal Caribbean baut dafür den zweiten ursprünglich auf der Insel vorhandenen See zu einer geschützten Lagune auf der eigentlich felsigen und rauen Nordküste um.
Die Strände auf Little Stirrup Cay liegen auf der Ost- und Südseite der Insel, seicht, sandig und geschützt vor der raueren See auf der Nordseite. Denn vor der Nordküste von Little Stirrup Cay fällt der Meeresboden sehr schnell steil ab, das Ufer ist felsig.
2018/2019 – Der Umbau von Little Stirrup Cay zu „Perfect Day at Coco Cay“
2018 begann Royal Caribbean, Coco Cay alias Little Stirrup Cay mit einer Investitionssumme von 250 Millionen Dollar, die vorhandenen Bereiche umfassend zu modernisieren und eine Pier für die großen Kreuzfahrtschiffe zu bauen, damit die Passagiere nicht mehr tendern müssen. Westlich des bisherigen Tenderhafens entsteht eine Art Freizeitpark beispielsweise mit spektakulären Wasserrutschen, einem großen Süßwasser-Pool und einer rund 400 Meter langen Zipline (für Details, siehe unser Beitrag „Coco Cay: Royal Caribbeans ‚Perfect Day*-Privatinsel in den Bahamas“).
Das erste Schiff, das in Coco Cay am neuen Pier anlegt, ist die Mariner of the Seas am 16. März 2019. Von den neuen Teilen der Insel eröffnet Royal Caribbean an diesem Tag nur den ersten Teil. Weitere – insbesondere auch der Wasser- und Rutschenpark – folgen später, wie etwa der Coco Beach Club, der im Dezember 2019 öffnete. Die komplett abgeschlossene Renovierung und Erweiterung der Insel kann die Reederei erst nach der Covid-19-Pandemie präsentieren. Die Adventure of the Seas ist am 14. Juni 2021 das erste Schiff, dass Coco Cay nach 15-monatigen Pandemie-Pause von Royal Caribbean International wieder anläuft.
2023 plant Royal Caribbean die Eröffnung eines etwas abgelegenen „adults only“-Strandes an der Nordküste: Hideaway Beach. Die Kapazität der Insel steigt damit so weit an, dass künftig zwei Oasis-Class-Schiffe – die größten Kreuzfahrtschiffe der Welt – in Coco Cay gleichzeitig festmachen können, ohne es auf der Insel ungemütlich eng werden würde. 13.000 Passagiere gleichzeitig soll die Insel dann problemlos aufnehmen können.
Wie sich Coco Cay vom Beginn im Jahr 1983 bis heute, 2024, verändert hat
Eigentlich hat sich seit 1983 auf Little Stirrup Cay aka Coco Cay so ziemlich alles verändert, sogar der Name der Insel. Doch eines ist geblieben: Coco Cay verkörpert immer noch den Traum einer romantischen Insel in der Karibik mit Palmen, coolen Drinks und Traumstränden.
Daran haben auch die umfassenden Umbauten und die neuen Freizeitpark-Erweiterungen nichts geändert.
Wer möchte, kann all den „Fun“ komplett ignorieren und einfach nur Strand, Sonne und Meer genießen, auch an relativ einsamen Strandabschnitten. Daran haben die Vergnügungspark-Erweiterungen von Coco Cay nichts geändert.
In den 1980er-Jahren gibt es auf Little Stirrup Cay nicht viel mehr als ein paar Sonnenliegen und Hängematten zwischen den Palmen und eine Handvoll Souvenir-Buden des „Straw Market“. Das Animationsprogramm besteht aus Beach-Volleyball und einer organisierten Schatzsuche durch den lichten Urwald der Insel mit einer Flasche Rum als Hauptpreis.
Als die Emerald Seas 1983 zum ersten Mal nach Little Stirrup Cay kommt, gibt es auf der Insel kaum fließendes Wasser. Heute steht dort unter anderem die höchste Wasserrutsche Nordamerikas (Daredevil’s Tower) und Coco Cay reklamiert den größten Süßwasserpool der Karibik für sich (Oasis Lagoon).
Während man von Mobilfunk und Wlan damals noch nicht einmal träumen konnte – und mit Internet auch nichts hätte anfangen können, posten Kreuzfahrt-Touristen heute ihre Instagram-Bilder von Coco Cay über Highspeed-Wlan, das überall auf der Insel verfügbar ist.
Weniger als zehn Menschen lebten damals auf der Insel. Heute sind es rund 540 und zusätzlich pendeln beispielsweise die Betreiber der Shops im Straw Market, per Fährboot von der Nachbarinsel Great Harbor Cay.
Zweimal pro Woche ankerte das 1.000-Passagiere-Schiff Emerald Seas in den 1980er-Jahren vor Little Stirrup Cay. Heute kommen, grob überschlagen, mehr als 40-mal so viele Menschen jährlich auf die Insel. 2022 verzeichnete Royal Caribbean International 530 Kreuzfahrtschiff-Anläufe in Coco Cay. Meist sind zwei Schiffe gleichzeitig da.
Die Insel bietet inzwischen komfortabel Platz für über 10.000 Passagiere gleichzeitig. 2024 werden es nach weiterem Ausbau rund 13.000 sein – die Passagiere zweier der größten Kreuzfahrtschiffklassen der Welt, der Oasis Class und der Icon Class, ohne dass es am Strand eng werden würde.
Das Wachstum führt allerdings auch zu Einschränkungen: Viele Jahre lang konnte man sich als Passagiere auf der Little Stirrup Cay überall nahezu frei bewegen, auf dem Nature Trail sogar ganz offiziell bis zum anderen Ende der Insel an Westspitze laufen. Auch der hübsche „Sunset Point“ im Nordwesten war damals noch zugänglich.
Ken Rush erinnert sich an diese Zeit: „Anfangs habe es auch nur einen sehr kleinen, für die Kreuzfahrt-Touristen erschlossenen Bereich auf Little Stirrup Cay gegeben. Darüber hinaus habe man aber uneingeschränkt am Strand entlang gehen können, „bis man mehr oder weniger in unsere Gebäude kam. Niemand kümmerte sich da sonderlich drum. Man konnte einfach laufen und laufen, wenn auch nicht offiziell.“
Die Unterkünfte der Angestellten und Konzessionäre, die auf der Insel wohnten, waren zumindest anfangs sehr einfach, wie Cathy Reed erzählt. Weil die Umkehrosmose-Anlage selten funktionierte, bekamen sie ihr Wasser in Tanks vom Schiff, die jedoch meist mit Öl verschmutzt waren. Also nutzten sie es abgekocht vor allem zum Duschen und „wenigstens hatten wir Toiletten mit Wasserspülung.“ Und zu Trinken? „Meistens haben wir Softdrinks getrunken – und viel Rum!“
Die steineren Villas für die Mitarbeiter standen etwas zurückversetzt vom heutigen Chill Island Beach zwischen Bäumen und Palmen. Einige Bilder aus Cathy Reeds Fotoalben zeigen, wie es damals dort aussah:
Cathy Reed berichtet weiter: „Es gab keine Klimaanlage und es war oft unerträglich, selbst bei offenen Türen. Wir wollten die Türen nicht offen lassen, weil es so viele Ratten gab. Die haben die Fliegengitter durchgekaut und wir konnten spüren, wie sie nachts über unsere Beine liefen. Schließlich ließen wir die Türen geschlossen und ertrugen die Hitze.“ – „… ein wahres Paradies“, wie sie sarkastisch hinzufügt.
Mit zunehmendem Ausbau der Insel achtete Royal Caribbean genauer darauf, dass die Passagiere die offiziellen Bereiche nicht verließen, allein schon, weil die vielen Angestelltenwohnhäuser und Wirtschaftsgebäude mit zunehmender Passagierzahl auch eine gewisse Abtrennung bedurften. Und so ist seit dem großen Umbau 2019 der Zugang zu dem Teil der Insel westlich des frei zugänglichen Areals nun versperrt.
Coco Cay im Wandel: Ein Vergleich mit Insel-Karten und Satellitenbildern
Der stetige Ausbau von Coco Cay zur heutige spektakulärsten aller Privatinseln von Kreuzfahrt-Reedereien ist auf Insel-Karten von Royal Caribbean gut nachvollziehbar. Einen Eindruck geben exemplarisch drei Versionen von nach 1990, 2016 sowie aktuell von 2022:
Die deutlichsten Veränderungen brachte die massive Erweiterung von Coco Cay zum Jahr 2019, als Royal Caribbean insbesondere den neuen Pier baute, damit Schiffe nun direkt anlegen können und die Passagiere nicht mehr tendern müssen, sowie der Thrill Waterpark und der Ausbau des bisherigen Tenderhafens zur neuen Badebucht Harbor Beach.
Die Satellitenbilder von Google Earth zeigen den Unterschied anschaulich …
… und auch beim Vergleich der Insel-Silhouette sieht man die Unterschiede echt klar (auch wenn der Winkel der beiden Fotos nicht identisch ist, sodass die Insel auf der unteren Aufnahme von 2022 etwas flacher wirkt):
Als Drogenschmuggler auf den Bahamas-Inseln noch ihr Unwesen trieben …
Besonders deutlich hat sich aber auch etwas verändert, von dem die Kreuzfahrt-Urlauber gar nichts mitbekommen hatten: Insbesondere in den 1980er-Jahren trieben die sogenannten „Cocaine Cowboys“ auf den Bahamas ihr Unwesen – von der korrupten bahamischen Regierung geduldete Drogenschmuggler unter anderem des Medellin-Kartells, die mit Schnellbooten unterwegs waren und Inseln wie Little Stirrup Cay als temporäre Drogenverstecke nutzten.
Cathy Reed, Mitte der 1980er-Jahre als Tauchlehrerin auf Little Stirrup Cay, erinnert sich: „Die Insel war ein ziemlich wilder Ort, wenn das Schiff nicht da war. Einmal stießen wir versehentlich auf ein Kokain-Depot auf der Insel. Sie schossen mit einem Gewehr auf uns. Wir stießen auch auf Hunderte von Cannabis-Ballen, die im Dschungel auf ihre Abholung warteten, und wurden von Männern mit Maschinengewehren bedroht.“
Diese Zeiten sind längst vorbei. Dank einer engen Kooperation mit den amerikanischen Behörden hat sich die Drogensituation auf den Bahamas grundlegend geändert. Die Drogen finden ihren Weg in die USA längst auf anderen Routen und mit viel ausgefeilteren Transportmethoden als mit Schnellbooten mitten durch die Bahamas.
Indirekt hat aber der Drogenhandel und mutmaßliche Korruption in der Regierung der Bahamas in den 1980er-Jahren dazu geführt, dass Coco Cay heute ein Insel-Paradies für Kreuzfahrturlauber ist und kein Forschungsparadies für Wissenschaftler. Denn wie wir David Ruzic bereits zitiert haben: „Die einzigen beiden Geschäftsbereiche, die die Regierung damals interessierten, waren Drogenschmuggel und Tourismus.“
Und was ist aus dem ursprünglichen Flair der Insel geworden?
Viele, die Little Stirrup Cay aus der Zeit vor dem Umbau kennen, sorgten sich angesichts der Ausbaupläne um den wilden und unschuldigen Charme der Insel. Was würde ein Thrill-Wasserpark für die Ruhe und das Strand-Sonne-Meer-Erlebnis auf Coco Cay bedeuten? Wie würde man den Helium-Fesselballon wahrnehmen, der über der Insel aufsteigen würde?
Vor dem Umbau genossen Passagiere es, dass ihnen auf der Insel Hühner gackernd über den Weg liefen oder ein großer Leguan auf dem Weg regelrecht für Fotos posierte. Würde man das auch nach dem Umbau so noch erleben können?
Die kurze Antwort ist: Ja, ein Teil dieses Flairs ist bis heute erhalten geblieben, Hühner oder Leguane trifft man allerdings kaum noch. Die über die Jahre immer weiter gestiegene Zahl der Passagiere auf der Insel haben auch dazu geführt, dass die Insel nicht mehr wild und ungezähmt wirkt.
Der westliche Teil der Insel ist nicht mehr zugänglich, durch die vielen neuen Wirtschaftsgebäude dort aber auch nicht mehr so attraktiv wie der ursprüngliche, lichte Urwald aus der Anfangszeit. Fast menschenleer, ruhige Strandabschnitte, an denen man das ursprüngliche Insel-Erlebnis genießen kann, gibt es aber immer noch.
Überraschenderweise gab es solche Überlegungen schon bei den ersten, vergleichsweise zaghaften, ersten Ausbauten der Insel 1990, wie Ken Rush sich erinnert: „Coco Cay war anderes als all die anderen Hafenstopps, die wir machten. Denn wir konnten selbst gestalten, wie wir es wollten. Wir konnten dafür sorgen, dass die Gäste eine gute Zeit haben. Aber schon damals, um ehrlich zu sein, gab es Bedenken, dass wir die Atmosphäre von Little Stirrup Cay zerstören könnten, wenn wir anfangen würden, all diese Dinge auf der Insel zu bauen.“
Und heute? Ken Rush: „Ich glaube nicht, dass wir den Charme dieser Insel verdorben haben. Der ist immer noch da. Man kann sich entscheiden, ob man auf die eine oder auf die andere Seite der Insel geht. Auf der einen kann man entspannen. Oder man kann sich auf der anderen Seite so sehr verausgaben und den Thrill erleben, wie man will. Das finde ich wirklich toll. Es gibt dir einfach so viel mehr Optionen und das ist wunderbar. Zum Beispiel auch der Coco Beach Club – was die Landschaftsgärtner dort mit all den Bäumen und Sträuchern angelegt hat, das ist wunderschön. So etwas findet man sonst nirgendwo, das ist schon ziemlich erstaunlich.“
Cruisetricks.de bedankt sich herzlich für die Informationen und ihre Zeit bei der Unterstützung der Recherchen zu Little Stirrup Cay, besonders bei David und Carol Ruzic, Cathy Reed, Ken Rush, Al Parker, Chris Gray Faust von Cruise Critic und einigen anderen. Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Franz Neumeier & Carmen Winkler.
Es ist beeindruckend, wie viel man über so ein kleines Stück Land im Meer heraus finden kann,über das sich 95% der dortigen Gäste wahrscheinlich keine 10 Sekunden lang Gedanken machen würden.
Vielen Vielen Dank für diesen sehr informativen Bericht.