Tallinn ist eine der schönsten Städte in der Ostsee und mit seinem unvergleichlichen, mittelalterlichen Flair ein beeindruckendes Erlebnis und aus diesem Grund leider etwas überlaufen. Aber wer früh unterwegs ist, geht den großen Touristen-Strömen aus dem Weg.
Wir genießen an diesem warmen, sonnigen Frühlingstag die Stadt Tallinn, ihre liebenswerten Bewohner, das authentische Kunsthandwerk dennoch intensiv – und das leckere Essen, das wir auf einer Food-Tour genauer erkundet haben.
Für Tallinn lohnt es sich, mit einem Schiff zu kommen, das morgens als erstes im Hafen ist. Denn am schönsten sind die Gassen der Unterstadt und die Aussichtspunkte am Domberg, wenn man dort fast ganz allein unterwegs ist, die Souvenir-Verkäufer gerade erst aufbauen und nebenbei noch Zeit für ein Schwätzchen haben.
Die Regal Princess war in dieser Hinsicht perfekt – AIDAmar und MSC Meraviglia waren noch im Anlauf, als wir schon an Land gingen. Wir hielten uns also nicht lange im Hafen auf und machten uns auf den kurzen Fußweg hinauf zum Domberg. Der schnellste Weg dorthin führt über die Patkuli-Treppe im Nordwesten des Dombergs. Schon während des Aufstiegs bietet sich hier immer wieder ein wunderschöner Ausblick zur Unterstadt und zum Hafen.
Tipp: Für fünf Euro kann man den Turm des Doms besteigen. Morgens ist da noch kaum etwas los.
Die enge, steinerne Wendeltreppe im Turm ist ein Erlebnis für sich und oben bietet sich ein schöner Blick auf die Stadt und die russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale.
interaktive Panorama-Bilder: Tallinn
Food-Tour in Altstadt Tallinns
Für die Mittagszeit haben wir vorab eine lokale Food-Tour bei Food Sightseeing Estonia gebucht, die ein wenig Sightseeing mit typisch estnischem Essen verbindet. Wie schon einige Male in der Vorsaison hatten wir auch diesmal wieder Glück mit dieser Tour: Wir waren die einzigen Teilnehmer, unser Guide Rasmus war also quasi unser Privatführer durch Tallinn. Individueller kann man eine Stadt nicht erkunden.
In drei Stunden probieren wir lokale Spezialitäten, lassen uns von Rasmus viel über Estland und seine Bewohner erzählen und lernen natürlich viel über estnisches Essen und die vor allem russischen und deutschen Einflüsse. Eine sehr schöne Tour, auf der man nebenbei auch viel von der Stadt sieht und nicht so überfüttert und mit Alkohol betäubt wird, wie das sonst auf Food-Touren oft der Fall ist.
Honig-Pfeffer-Schnaps (milder und feiner als der Honig-Pfeffer-Wodka in St. Petersburg) und eine Kürbis-Pastinaken-Suppe im Restaurant Peppersack, einem der ältesten Gebäude der Stadt, das noch aus der Hanse-Zeit stammt.
Die estnische Variante der Tortellini in einem der Reval Cafés, Estlands deutlich überlegene Antwort auf Starbucks. Dazu gibt’s Apfel-Karotten-Saft.
Ganz exklusiv in einem Privat-Zimmer im Obergeschoß des berühmten Cafés Maiasmokk probieren wir Sprotten auf Schwarzbrot. Der Milch-Shake aus Erdbeeren bringt uns eine weitere estnische Spezialität nahe: Kama. Diese Mischung aus verschiedenen Getreidearten und Erbsen, geröstet und fein geschrotet, vermischen die Esten gerne mit Kefir (wie bei unserem Shake) oder auch mit Joghurt.
Schon am Vormittag hatten wir im Maiasmook eine kurze Kaffee-Pause eingelegt und dort auch einer Künstlerin beim Bemalen der Marzipan-Figuren und -Bilder zugeschaut.
Kama begegnet uns später noch einmal am Balti-Jaama-Markt nahe dem Bahnhof. In dem eigenwilligen Café „so brooklyn“ gibt es Kama in einer Art Sahnecreme in der Eiswaffel – und das ist erstaunlich lecker. Kama hat einen ganz angenehm-eigenartigen Geschmack, an dem man sich schnell gewöhnen kann. Im Supermarkt in den Markthallen nehmen wir uns jedenfalls gleich mal eine Packung davon für weitere Küchen-Experimente mit nach Hause.
Tipp für den Balti-Jaama-Markt: In der obersten Etage gibt es einen großen Antik-Markt zum Stöbern und Entdecken.
Während unserer Food-Tour machen wir einen Stopp in der historischen Raeapteek-Apotheke von 1422, in der angeblich eine Variante es Marzipans, „Panis Martius“, erfunden wurde. Ein Lehrbub namens Mart sollte ein Mittel gegen den Liebeskummer der Adeligen finden – Marzipan war der Legende nach das Ergebnis.
Das Highlight der Food-Tour aber ist der Besuch bei Chocolala. Die Pralinen aus dieser Pralinen-Manufaktur sind – zu Recht – preisgekrönt: fantasievoll und unglaublich lecker, vor allem aber sehr fein und subtil im Aroma, das nicht von zu viel Süße überdeckt wird.
Mein Lieblingsgeschmack: Gin und Wacholder. Aber auch bei anderen Sorten, die wir zum Probieren bekommen, wie Birkensirup, Vana-Tallinn-Likör, junge Fichtentriebe, Cassis, Salz-Karamel, Balsamico-Ganache oder Rum-Karamel kommt man ins Schwärmen.
Im Keller hat Chocolala ein kleines Museum, vor allem mit historischen Einwickelpapieren von estnischer Schokolade und ein wenig Geschichte zur Schokolade in Estland, die hier tatsächlich schon eine lange Tradition hat. Der Hauptgrund dafür: Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gab es hohe Zölle auf Schokolade, nicht aber auf die Rohmaterialien. Also begannen die Esten, einfach selbst Schokolade herzustellen und diese Kunst im Laufe der Zeit zu perfektionieren.
Kunsthandwerk und Souvenirs
Immer wieder kommen wir während der Tour an der alten Stadtmauer und den Stadttoren Tallinns vorbei, überqueren den Marktplatz und sehen uns in den Kunsthandwerker-Quartieren der Aragats Ateljee Galerii und des Meistrite Hoov um.
Tallinn gehört zu den recht wenigen Städten, in denen es sich sehr lohnt, sich lokales Kunsthandwerk als Souvenir anzusehen. Selbst direkt am Hafen der Souvenir-Markt hat da sehr schönes, lokales Handwerk zu bieten.