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Ein Tag in Venedig: Meine Geheimtipps abseits der Touristenmassen

2020 habe ich Venedig nahezu touristenfrei erlebt, jetzt sind die Touristenmassen wieder zurück in Venedig. Doch diese einzigartige Atmosphäre gibt es in der Lagunenstadt noch immer – wenn man nur den Markusplatz und die Rialtobrücke meidet. Deshalb habe ich ein paar meiner ganz persönlichen Geheimtipps für Venedig zusammengestellt. Bitte nicht weitersagen …

Dass Venedig meine persönliche Lieblingsstadt ist, weiß jeder regelmäßige Leser von cruisetricks.de. Dass der dramatische Massentourismus dort nur sehr wenig mit der Kreuzfahrt zu tun hat, ebenfalls. Größere Kreuzfahrtschiffe dürfen eh‘ nicht mehr direkt in Venedig anlegen, die Reedereien weichen innerhalb der Lagune ans Festland nach Fusina und Marghera aus, oder gleich nach Triest oder Ravenna.

Einfach mal treiben lassen …

Wer, wie ich, nicht auf Venedig verzichten will, auch wenn die Millionen wieder durch die Gassen drängen, sucht sich Stellen, die von Reisegruppen, Selfie-Jägern und Influencern verschont bleiben.

Venedig
Venedig

Eigentlich muss man sich dafür nur ein wenig abseits der Hauptschlagadern der Stadt treiben lassen, beispielsweise im Stadtteil Cannaregio: Google Maps (das in den engen Gassen Venedigs ohnehin nur begrenzt hilfreich ist) mal für eine, zwei Stunden ausschalten und dann einfach der Nase nach …

Venedig
Venedig

Jede Gasse, in der sonst niemand unterwegs ist, ist ein guter Anfang – auch wenn man regelmäßig in Sackgassen läuft und plötzlich vor einem Kanal steht, an dem es zu Fuß nicht weitergeht.

Venedig
Venedig

Solange man es nicht eilig hat, sind das die schönsten Orte der Stadt. Bequeme Schuhe sind für solche Spaziergänge allerdings empfehlenswert.

Venedig
Venedig

Der beste Blick auf Venedig

Aber natürlich will man in Venedig den Markusplatz samt Campanile und Dogenpalast nicht komplett ignorieren. Dafür sind sie viel zu schön und faszinierend. Nur: Muss man sich dort wirklich durch die Touristen drängeln? Nein, muss man nicht. Einen großartigen Blick auf das Ensemble gibt es nämlich aus der Distanz: vom Campanile der Kirche San Giorgio Maggiore auf der kleinen Insel Giorgio.

Die Kirche und der Campanile sind von 9 bis 19 Uhr geöffnet, die Auffahrt ganz bequem mit dem Aufzug kostet acht Euro. Und Giorgio ist nur eine Vaporetto-Station von San Marco entfernt – die Actv-Linie 2 fährt vom Markusplatz dorthin und auch die Fahrt selbst bietet einen großartigen Blick auf den Dogenpalast.

vor der Kirche San Giorgio Maggiore
vor der Kirche San Giorgio Maggiore

Fast allein am Markusplatz zum Sonnenaufgang

Ein zweiter Tipp für alle, die trotz des Andrangs die Rialto-Brücke und den Markusplatz nicht missen wollen: Früh morgens zum Sonnenaufgang ist am Markusplatz die Stimmung ohnehin die schönste des Tages und um diese Zeit liegen fast alle anderen Touristen noch im Bett. Da hat man den Markusplatz auch in der Hochsaison fast für sich allein.

Erst am späteren Vormittag und vor allem dann nachmittags wird es inzwischen aber an den Touristen-Hotspots wieder brechend voll.

an der Rialto-Brücke
an der Rialto-Brücke

Gondole, gondole …

Gondel-Fahrt gefällig? Die mit Abstand billigste, allerdings auch eher unromantische Variante sind die sogenannten Traghetti, mit denen man für zwei Euro an einigen Stellen den Canal Grande queren kann.

Traghetto
Traghetto

Das sind Original-Gondeln, wenn auch nicht so hübsch dekoriert, die quasi als Fußgänger-Fähren fungieren. Solche Traghetti gibt es beispielsweise nahe der Vaporetto-Station San Giglio, am Rialto-Markt und noch einigen weiteren Stellen.

Traghetto fahren
Traghetto fahren

Wer es sich den teuren Spaß leisten will, einmal „richtig“ Gondel zu fahren: Nahe dem Markusplatz oder der Rialto-Brücke ist der Andrang am größten.

Wer also Wartezeiten und vor allem die anschließende Gondelfahrt in Stau und Kolonne vermeiden will, sucht sich einen Gondoliere etwas abseits.

Und dann will man zwischendurch ja auch mal was essen …

Dass man die Cafés mit Livemusik am Markusplatz – allen voran das Café Florian – wegen der horrenden Preise meiden sollte, sollte klar sein. Außer, man ist bereit, für dieses fast schon surreale Erlebnis einer von nostalgischer Musik umwehten Oase inmitten des modernen, hektischen Touristen-Alltags zu bezahlen.

Aber ehrlich, ich weiß da was Besseres: Ganz nahe der Vaporetta-Station Ca’Rezzonico ganz in der Nähe der Academia gibt es die Konditorei Majer (Calle Crosera, Sestiere Dorsoduro 3108 D/B). Dort gibt’s richtig leckere Pizza auf die Hand, ebenso wie traumhaftes, süßes Gebäck und Törtchen und einen eigenen Kaffee, der direkt in Venedig im Stadtteil Cannaregio geröstet wird.

Konditorei Majer
Konditorei Majer

Direkt neben der Konditorei kann man es sich am Ufer des Kanals Rio de S. Barnaba an der Ponte die Pugni gemütlich machen. Selbst die Möwen, die gerne etwas vom Essen abhaben wollten, habe ich hier deutlich zurückhaltender und friedlicher erlebt als am Markusplatz, wo sie einem schonmal die Pizza direkt aus der Hand klauen.

Majer Venezia hat insgesamt zehn Läden und Restaurants in Venedig, da werde ich bei meinen nächsten Besuchen in der Stadt noch den einen oder anderen ausprobieren.

Die wahrscheinlich beste Gelateria in Venedig – das leider nur wenige halbwegs gute Eisdielen hat – ist Gelati Nico, im Gambero-Rosso-Guide „Gelaterie d’Italia 2022“ immerhin mit einer Eistüte ausgezeichnet und die einzige Eisdiele Venedigs, die in dem Guide überhaupt genannt wird. Nico liegt am Giudecca-Kanal direkt an der Vaporetto-Station Zattere.

Gelati Nico
Gelati Nico

Gleich um die Ecke am Kanal Rio de S. Trovaso kann man auf der anderen Kanalseite die Arbeiten in der Gondel-Werft Squero di San Trovaso beobachten, während man auf der Kaimauer sitzt und sein Eis schleckt.

Gondel-Werft Squero di San Trovaso
Gondel-Werft Squero di San Trovaso

Ebenfalls direkt an der Station Zattere haben wir mit der Pizzeria Ristorante Da Gianni ein für venezianische Verhältnisse recht günstiges, aber sehr freundliches und vor allem gutes Restaurant gefunden, das sich bei schönem Wetter für ein entspanntes Mittagessen oder Aperol Spritz mit Cicchetti anbietet.

typisch venezianisch: Sarde in Saor - sauer eingelegte Sardinen mit Zwiebeln und Wacholderbeeren
typisch venezianisch: Sarde in Saor – sauer eingelegte Sardinen mit Zwiebeln und Wacholderbeeren

Und hier werden die Cicchetti – anders als an der touristenüberlaufenen Rialto-Brücke – auch noch so genannt, und nicht „venezian tapas“ …

Abends kann man in Venedig unheimlich teuer (und gut) essen gehen. Eine vergleichsweise günstige und sogar recht romantische Variante sind – überraschenderweise – die Handvoll Restaurants entlang des Canale di Cannaregio am Rande des ansonsten extrem touristischen Viertels rund um den Bahnhof.

Venedig-Blues

Ich will zum Abschluss nicht verschweigen, dass es je nach Gemüt auch ziemlich wehmütig machen kann, Venedig abseits der ausgetretenen Touristenpfade zu erleben. Wenn man die Hauptstraßen verlässt, fällt einem erst so richtig der Kontrast zwischen der touristischen Glitzerwelt zwischen Nobel-Hotels und Luxus-Shops einerseits und den vielen verlassenen, langsam verfallenden Häusern auf, die davon zeugen, dass inzwischen nur noch weniger als 50.000 Menschen fest in Venedig wohnen.

Venedig
Venedig

Selbst an einem Haus direkt an der Rialto-Brücke hängt ein Transparent mit der Aufschrift „no Mafia“ – bezugnehmend auf die angeblich während der Pandemie vielfach an Mafia-Unternehmen verkauften Restaurants, Hotels und anderen historischen Gebäude.

Schnappschuß aus Burano
Schnappschuss aus Burano

Touristen hetzen Selfies jagend, aber ohne wirkliches Interesse an der Stadt durch die Gassen und nehmen nicht wahr, dass die Stadt stirbt. Zerfallene Häuser und vom Hochwasser gezeichnete Wände nehmen sie bestenfalls als romantischen Flair, als authentisches Erlebnis wahr.

Venedig
Canal Grande, Venedig

Die ab 2024 geplante Eintrittsgebühr für Tagestouristen in Venedig wird, fürchte ich, das Dilemma noch verschlimmern. Denn wer für etwas Eintritt bezahl, hat womöglich Erwartungshaltungen und Ansprüche, verhält sich womöglich noch mehr wie in einem Museum. Der Stadt helfen wird das nicht.

Es fällt immer schwerer, sich an Venedig einfach zu nur erfreuen, weil immer offensichtlicher wird, dass die Stadt unterzugehen droht. Und dennoch liebe ich Venedig.

Am 14. September 2023 hat die Unesco übrigens darüber entscheiden, Venedig vorerst noch nicht auf die Liste des gefährdeten Weltkulturerbes zu setzen – mutmaßlich auch, weil der Stadtrat kurz davor eine Zugangsgebühr für die Stadt beschlossen hat, die Kritiker freilich nur als fade Besänftigungsmaßnahme gegenüber der Unesco sehen. Das nächste Mal tagt das entsprechende Unesco-Gremium 2025. Das ganze, aktuelle Dilemma der Lagunenstadt beschreibt Petra Reski in einem Gastkommentar in der Süddeutschen Zeitung vom 15. September 2023: „So stirbt Venedig (leider hinter Paywall).

5 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

5 Gedanken zu „Ein Tag in Venedig: Meine Geheimtipps abseits der Touristenmassen“

  1. @Andreas Niggemann: Danke für die Ergänzungen, da kann ich nur zustimmen. Venedig ist so spannend und facettenreich, man findet so viele schöne Plätze abseits des Touristen-Getümmels, dass man immer und immer wieder dorthin fahren kann und immer noch etwas Neues entdeckt.

  2. Vielen Dank für die Tipps in diesem Beitrag. Die hätten passender nicht kommen können, da wir gestern die Gelegenheit wahrgenommen haben, von unserem Urlaubsort Jesolo aus einen Tag in Venedig zu verbringen. Wir haben bereits um 08:00 Uhr morgens den fast leeren Markusplatz in der Morgensonne erstaunt, eine Runde mit der Linie 2 gedreht, einen Happen bei Majer genossen und die entlegeneren und teilweise erstaunlich ruhigen Stadtteile erkundet. Wir haben es sogar geschafft, auf dem Rückweg noch Abstecher nach Murano und Burano zu machen. Sehr schade nur, dass der Vaporetto-Anleger von San Giorgio gesperrt war; die Aussicht von dort muss den Fotos nach zu urteilen ja phänomenal sein.
    Jedenfalls kann ich die Aussagen im Bericht nur bestätigen. Trotz meiner Skepsis davor hatten wir einen sehr schönen und nachhaltig beeindrucken Tag in Venedig.

  3. Fantastische, stimmungsvolle Fotos und lebhaft geschriebener Text über Ihre Geheimtipps in Vendig.
    Macht doch sehr Lust selber nach Venedig zu reisen, auch wenn Sie dann sehr geehrter Herr Neumeier Ihre Geheimtipps nicht mehr für sich selber haben!

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