Der Brand auf der Ostseefähre Lisco Gloria hat gezeigt, wie gefährlich ein Feuer auf einem Passagierschiff werden kann. Dabei war die Lisco Gloria nicht etwa ein klappriger Seelenverkäufer, sondern eine moderne Fähre (Baujahr 2001) der renommierten dänischen Fährgesellschaft DFDS Seaways.
Auf Fähren wie Kreuzfahrtschiffen ist ein Feuer mit weitem Abstand das Schlimmste, was passieren kann. Das Dilema: Es gibt – abgesehen von der Evakuierung des Schiffs über die Rettungsboote – keine Fluchtmöglichkeit. Wie bei jedem Brand ist zunächst der giftige Rauch die wesentlich größere Gefährdung für die Passagiere als die Flammen selbst – und der Rauch breitet sich schlimmstenfalls über die Klimaanlage blitzschnell aus, noch bevor selbige abschaltet.
Erst mit fortschreitendem Brand wird auch die extreme Hitze zu einem gravierenden Problem. Die Bilder der Lisco Gloria zeigen, dass die dabei erreichten Temperaturen durchaus genügen, um sogar Löcher in solide Stahl-Wände zu fressen.
Ein Paradoxon bei Schiffbränden: Obwohl Wasser rund um das Schiff im Überfluss vorhanden ist, läßt sich ein größerer Brand an Bord kaum sinnvoll löschen. Denn im Extremfall bringt das enorme zusätzliche Gewicht des Löschwassers das Schiff zum Sinken. Hat ein Feuer erst einmal größere Ausmaße erreicht, läßt es sich daher nicht mehr löschen – es muss ausbrennen, wie auch bei der Licso Gloria geschehen. Freilich sind zu einem solchen Zeitpunkt Passagiere längst evakuiert.
Rettungsübungen: Lästig oder dringend notwendig?
Über die Rettungsübungen auf Kreuzfahrtschiffen wir gerne gescherzt. In Foren diskutieren Passagiere ihre Tricks, wie sie sich um die Übung drücken und machen sich lächerlich über denn Sinn der Übungen. Fakt ist aber – das weiß man vor allem aus der Luftfahrt – dass Passagiere mit genauen Kenntnissen der Rettungswege und der Abläufe in einem Notfall deutlich bessere Chancen haben als die Passagiere, die sich nicht entsprechend vorbereitet hatten.
Was uneinsichtige Übungsmuffel leicht übersehen: Bei einem Brand gibt es an Bord möglicherweise nur noch eine Notbeleuchtung, die Gänge sind vielleicht voller dichtem Qualm, die Sicht extrem eingeschränkt. Wer seine Rettungsweste auch im Dunklen findet und die Rettungswege bei schlechter Sicht und am Boden kriechend findet, ist einfach im Vorteil. Und: Ein Feuer an Bord ist für alle Beteiligten eine extreme Stress-Situation; je besser man Bescheid weiß, je mehr Routine man durch die Übungen hat, desto sicherer erinnert man sich auch bei aufkommender Panik noch an die richtigen Abläufe.
Am Rande bemerkt: Im Notfall orientierungslose, weil uninformierte Passagiere gefährden auch die Sicherheit aller anderen Passagiere. Schon aus Respekt der Mitreisenden sollte also jeder an der Notfallübung teilnehmen.
Um die Kirche im Dorf zu lassen: Auch bei den zwei schwereren Bränden auf Kreuzfahrtschiffen der letzten 15 Jahre gab es nur wenige Schwerverletzte (Rauchgasvergiftungen) und nur einen Toten (Herzinfarkt nach Rauchgasvergiftung) – angesichts der Tausenden von Passagieren an Bord eine relativ beruhigende Statistik.
Rauchen an Bord, Zigarettenstummel über Bord
Auf einem Kreuzfahrtschiff kann die – ohnehin nicht gerade umweltfreundliche – Gewohnheit, Zigarettenstummel einfach wegzuwerfen, fatale Folgen haben. Die eiserne Regel, nichts über Bord zu werfen, hat seinen ganz ernsten Sinn. Denn ein glühender Zigarettenstummel kann auf einem Balkon eines tiefer gelegenen Decks landen und dort brennbares Material in Brand stecken. Der Großbrand auf der Star Princess 2003 ist beispielsweise durch einen Glimmstengel auf einem Passagierbalkon entstanden.
Immer mehr Kreuzfahrtgesellschaften verbieten daher das Rauchen in den Kabinen und auf den Balkonen komplett, trotzdem alle Materialien an Bord längst hitzebeständig und nicht entflammbar sein müssen – sicher ist sicher.
Und nicht umsonst reagieren Kreuzfahrtgesellschaften auch empfindlich, wenn Passagiere potenziell feuergefährliche Gegenstände wie Bügeleisen, Tauchsieder, Haarglätter und Ähnliches mit an Bord bringen wollen. Solche Gegenstände müssen gemäß der Reisebedingungen ausdrücklich zu Hause bleiben.
Nicht überdramatisieren: Brände sind sehr selten
Wir wollen die Sache nicht überdramatisieren. Kreuzfahrtschiffe sind heute sehr sicher, nicht zuletzt durch sehr strikten Brandschutzvorschriften. Feuer auf Kreuzfahrtschiffen sind extrem selten. Größere Brände gab es zuletzt 2006 auf der Star Princess und 1998 auf der Carnival Ecstasy. Insgesamt zehn kleinere Brände listet die US-Website Cruise Bruise für die vergangenen zehn Jahren auf, die im Wesentlichen recht schnell von der Crew gelöscht wurden. Der letztlich glimpflich verlaufene Maschinenbrand auf der MS Deutschland in diesem Jahr ist dort nicht erfasst.
Strenger Brandschutz: SOLAS 2010
Die international einheitlichen Brandschutzvorschriften sind extrem strikt, teils bis an die Grenze zur Absurdität. Seit 1. Oktober gilt das neue, internationale Abkommen zur Sicherheit in der Seefahrt, SOLA 2010, für alle Passagierschiffe mit mehr als 49 Passagieren – auch für Schiffe älteren Baujahres, die seit 2005 noch unter einer Ausnahmeklausel weiterfahren durften. SOLAS („International Convention for Safety of Life at Sea“) existiert bereits seit 1914 und entstand in Folge des Untergangs der Titanic 1912. Seitdem wurde SOLAS mehrmals erweitert und erheblich verschärft. Einige ältere Schiffe, bei denen sich die Modernisierung auf die neuen Standards nicht mehr rentiert hätte, fielen SOLAS 2010 zum Opfer, so zum Beispiel die Queen Elisabeth 2, die Saga Rose und die Caribe I (ex Regal Empress, ex Olympia).
Ausbildung der Besatzung entscheidend
Entscheidend ist im Falle eines Brandes an Bord eines Kreuzfahrtschiffs letztlich die gute Ausbildung der Offiziere und der Crew. Denn kommt es tatsächlich zu einem Brand – und sei es nur ein Mini-Brand einer umgefallenen Geburtstagskerze in einer einzelnen Kabine – ist perfekt trainiertes Eingreifen und rasches Löschen des Brandherdes innerhalb kürzester Zeit gefragt, bevor sich das Feuer ausbreiten kann.
Und als Passagier sollte man sich zweimal überlegen, ob man noch einmal bei einer Kreuzfahrtgesellschaft bucht, bei der die Crew die Rettungsübungen grob nicht ernst nimmt und die Passagiere nicht mit Nachdruck dazu anhält, an der Übung teilzunehmen.
Trotzdem ist eine witzige Präsentation der Schwimmweste und der Prozeduren natürlich völlig in Ordnung. Denn das bringt die Passagiere dazu, sich die Informationen einzuprägen. Und wenn beispielsweise bei Celebrity Cruises die charmanten Tänzerinnen des Bord-Theaters die Demonstration der Schwimmwesten übernehmen, dann ist ihnen höchste Aufmerksamkeit auf jeden Fall sicher. Ziel erreicht.
Vielleicht sollte man wieder einführen, dass alle mit ihren Rettungswesten zur Seenotrettungsübung erscheinen. Vielleicht wird die Übung von den Passagieren dann erster genommen.
Auf unserer letzten Kreuzfahrt hatten wir unsere Muster Station im Hauptrestaurant: Alle saßen gemütlich herum und haben dem Sicherheits-Video vom Beamer nur wenig Beachtung geschenkt.
Ich fürchte, wer mit der falschen Einstellung an die Sache herangeht, wird das Ganze auch mit Schwimmweste nicht ernst nehmen. Ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass die Zeiten vorbei sind, wo man bei der Übung in der Karibik mit Schwimmweste 30 Minuten lang in der sengenden Hitze stehen muss.
Vor einiger Zeit habe ich mal eine Reportage im TV gesehen, wo ein Flugsicherheits-Spezialist aus den USA (der etwas paranoid, aber doch sehr interessant war) erzählt hat, wie er sich auf Notfälle im Flugzeug vorbereitet. Eigentlich ziemlich simpel, aber kaum jemand nimmt sowas ernst: Security-Karte aus der Sitztasche lesen, tasten, ob die Schwimmweste unterm Sitz auch wirklich da ist, abzählen, wieviele Sitzreihen es bis zum Notausstieg sind (für den Fall, dass man bei einem Brand nihts mehr sieht und sich hintasten muss). Das Ganze kostet pro Flug kaum eine Minute – aber ich bin mir sicher: Wer sich diese Routine angewöhnt, hat bei einem Absturz einfach höhere Überlebenschancen, wenn der Flieger so runterkommt, dass es überhaupt ine Chance gibt.
Was spricht also dagegen – außer der eigenen Macho-Eitelkeit, die einem einredet, dass das uncool ist-, sich auf einem Schiff den Fluchtweg einzuprägen und zu wissen, wo die jeweilige Muster-Station ist, ohne dass man im Notfall nochmal nachschauen muss? Ich versteh‘ die Leute nicht, die das auf die superleichte Schulter nehmen …
Hallo!
Ein wirklich sehr interessanter Artikel! Zu unserem Erstaunen gab es auf der Minicruise mit DFDS gar keine Seenotrettungsübung. Schwimmwesten waren auch keine auf den Kabinen. Wo wir im Ernstfall hingemusst hätten? Keine Ahnung! Wahrscheinlich wäre das totale Chaos ausgebrochen… Das einzige, was es gab, war eine absolut unverständliche & leise Lautsprecherdurchsage bzgl. Notsignal und irgendwelche Sicherheitsinfos… was da gesagt wurde, hat sicherlich nicht mal 1% der Mitreisenden verstanden, wenn sie überhaupt mitbekommen haben sollten, dass es eine solche Durchsage gab…
Liebe eine Übung zuviel als zu wenig…
Lieben Gruß Tine
Ich hab‘ in Erinnerung, dass mir mal jemand erklärt hat, dass die (ziemlich teuren) Schwimmwesten gerne als Souvenirs geklaut werden und es deshalb immer häufiger keine Westen mehr auf den Kabinen gibt. Stattdessen gibt’s die Rettungswesten dann an der Muster-Station – schon, weil das vorher anlegen und dann mit den klobigen Dingern durch die engen Schiffsgänge drängeln ohnehin ins Chaos führen würde.
Aber umso wichtiger ist natürlich, dass man eine Übung macht um im Ernstfall zu wissen, wo man hin muss, um eine Schwimmweste zu bekommen …