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„Genießen, nicht verschwenden“ – Costas Projekt gegen Lebensmittel-Verschwendung

Übrig gebliebene Lebensmittel vom Kreuzfahrtschiff an Hilfseinrichtungen an Land abzugeben, war bislang unmöglich, weil entsprechende Gesetze das schlicht verboten haben. Costa hat dafür im Rahmen des Food-Waste-Programms „4GoodFood“ eine Lösung gefunden. Ich habe mich auf der Costa Favolosa mit den Projektverantwortlichen unterhalten und ein wenig hinter die Kulissen geschaut.

„4GoodFood“ – „für gutes Essen“ heißt das Programm gegen Lebensmittelverschwendung bei Costa. Im Vergleich zu dem stark auf die Eindämmung von Lebensmittel-Verschwendung fokussierten Projekt bei TUI Cruises (siehe unser ausführlicher Beitrag „Food Waste auf Kreuzfahrtschiffen: Volles Buffet, volle Mülltonne?“), beschäftigt sich Costa in einem breiteren Ansatz auch mit nachhaltigen und regionalen Produkten, Aufklärungskampagnen bei den Passagieren zu guter und gesunder Ernährung und ähnlichen Aspekten, die mit dem Thema zusammenhängen.

Der plakativste Aspekt vorweg: Warum kann Costa Lebensmittel an Land spenden, andere Reedereien bislang aber scheinbar nicht? Fast überall gelten Gesetze, die eine Abgabe von überzähligen Lebensmitteln von Kreuzfahrtschiffen beispielsweise an Tafeln an Land verhindern.

Gesetzesänderung ermöglichst Wiederverwendung von Überproduktion

Doch seit die UNO ambitionierte Ziele zur Eindämmung der Armut in der Welt aufgestellt hat (mehr dazu später), kommt Bewegung in die Sache. Eine Gesetzesänderung in Italien, an der Costa nach eigenen Angaben mit intensiver Lobby-Arbeit mitgearbeitet hat, ändert vieles. In Kooperation mit der italienischen Organisation Banco Alimentare verteilt Costa deshalb seit Juli 2017 überzähliges Essen an Hilfsbedürftige an Land.

Komplizierte Verhandlungen gingen dem voraus, vor allem mit dem Zoll und den Gesundheitsbehörden. Acht Monate lang habe man damit verbracht, zu verhandeln und Dokumente beizubringen, bevor es grünes Licht für das Projekt gab, erzählt die Projektverantwortliche Stefania Lallai, Sustainability & External Relations Director bei Costa.

Inzwischen läuft die Lebensmittel-Abgabe in Savona und Civitavecchia. Rund 24.000 fertige Mahlzeiten seien dort von Juli 2017 bis Anfang Mai 2018 bereits an Tafeln und Hilfseinrichtungen abgegeben worden. Die Überproduktion jedoch wird bereits an Bord als fertige Mahlzeiten verpackt und mit Hilfe von Banco Alimentare an Hilfsbedürftige im nahen Umkreis des jeweiligen Hafens verteilt.

Weitere italienische Städte wie Palermo, Cagliari, Bari und Venedig sollen folgen. In anderen Mittelmeer-Ländern sind laut Costa vergleichbare Gesetzesänderungen nötig, um in absehbarer Zeit auch Deals erreichen zu können, mit denen überzählige Lebensmittel von Kreuzfahrtschiffen in Häfen wie Marseille, Barcelona, Athen und Valletta an Land verwendet werden dürfen.

Orientierung an den „Sustainable Development Goals“ der UNO

Costas Projekt orientiert sich an den großen Zielen der UNO im Rahmen der „Sustainable Development Goals“, die ein Ende der Armut in der Welt anstreben. In dem darin definierten Ziel Nr. 12 – nachhaltige Produktion und Verbrauch von Lebensmitteln – soll die Lebensmittelverschwendung bis 2030 weltweit um die Hälfte reduziert werden, mehr und bessere Lebensmittel mit weniger Ressourcen-Einsatz erzeugt werden (SDG Target 12.3). Costa will dieses Ziel bereits zehn Jahre früher erreichen.

Deshalb bezieht Costa auch einen regionaleren Bezug von Lebensmitteln in das Projekt mit ein. Laut UNO entfällt auf den Lebensmittelbereich weltweit 30 Prozent des Energieverbrauchs und 22 Prozent der entstehenden Treibhausgase. Weniger Lebensmittel-Verschwendung und kürzere Transportwege verbessern diese Bilanz.

Regionale Küche auf der Costa Favolosa - sehr lecker: Seebarsch gefüllt mit Muscheln und Garnelen
Regionale Küche auf der Costa Favolosa – sehr lecker: Seebarsch gefüllt mit Muscheln und Garnelen

Bei Costa passt Regionalität ohnehin gut in die Strategie, eine möglichst authentische italienische Reederei zu sein und den Passagieren in den Restaurants möglichst viele italienische Spezialitäten und Gerichte aus der jeweiligen Region zu servieren, in der das Schiff gerade unterwegs ist.

Begonnen hat Costa das schon vor einigen Jahren mit dem Slow-Cruising-Konzept für die damaligen „neo Collection“-Reisen und in Hinblick auf das Essen in Kooperation mit der Universität von Pollenzo. Berichtet hatten wir dazu bereits damals in unserem Live-Blog von einer Reise mit der Costa Neoriviera 2014.

Messen, informieren, Ideen entwickeln

Der auffälligste Aspekt, die Verwendung von Überproduktion an Land, ist aber nur ein kleiner Teil des „4GoodFood“-Projekts. Costa analysiert die Entstehung von Lebensmittelabfällen in allen Bereichen an Bord, am Buffet, in den Restaurants, in der Crew-Messe und vor allem auch schon bei der Zubereitung in den Galleys. Wie viele kleine Details und Einzelmaßnahmen sich aus dieser Analyse ableiten, habe ich schon bei dem Food-Waste-Programm von TUI Cruises ausführlich beschrieben. Hier ähneln sich die Projekte der beiden Reedereien ziemlich.

Stefano Fontanesi, Corporate Executive Chef, erläutert das Wiege-System in den Galleys
Stefano Fontanesi, Corporate Executive Chef, erläutert das Wiege-System in den Galleys

Waagen für Lebensmittelabfälle sind bei Costa allerdings eine Dauereinrichtung: In jedem Bereich der Galley stehen diese Waagen, auf denen alle Abfälle im Detail erfasst werden – beispielsweise Fleischabschnitte, Reste von Gemüse, nicht verwendete Ränder von Tortenböden, um nur ein paar Beispiele zu nennen. So sind auch langfristige Entwicklungen erkennbar, aus denen man beispielsweise optimiere Abläufe in der Küche ableiten kann.

Crew-Training und Information der Passagier

Das Wiegen der Abfälle hält das Thema aber auch im Bewusstsein der Crew. Denn die Waagen geben direktes Feedback: Wie viel CO2-Ausstoß und wie viel Kosten durch die Abfallvermeidung eingespart werden. Drin sieht Stefano Fontanesi, Corporate Executive Chef von Costa, einen wichtigen Erfolgsfaktor: Viele Tausend Crew-Mitglieder müssen geschult werden und sollen im Alltag darauf achten, möglichst wenig Lebensmittelabfälle zu verursachen.

Ähnlich wichtig ist Aufklärung der Passagiere. Stefano Fontanesi vermeidet das Wort „Erziehung“, denn natürlich sollen die Passagiere ihren Urlaub genießen und sich nicht gegängelt fühlen. Aber letztlich geht es darum, die Passagiere sanft und freundlich dazu zu bringen, sich am Buffet nur so viel auf den Teller zu schaufeln, wie sie auch essen können. Und im Idealfall sogar darum, nachhaltigere Produkte zu bevorzugen.

Ganz subtil gibt es deshalb am Buffet minimal weniger Fleisch und mehr Gemüse als früher. Ein paar Prozent nur, sodass es nicht auffällt, aber eben doch in die richtige Richtung geht. Mehr nachhaltige Lebensmittel, weniger Fleisch, selbiges in der Produktion mehr Energie verbraucht und für wesentlich höheren Ausstoß an Treibhausgasen verantwortlich ist.

Info-Aufsteller erinnern die Passagiere im Buffet-Restaurant an verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln
Info-Aufsteller erinnern die Passagiere im Buffet-Restaurant an verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln

Aufsteller „Taste don’t waste“ – frei übersetzt: „Lass‘ es Dir schmecken, aber verschwende nichts“ – auf den Tischen im Buffet informieren die Passagiere und Crew über das Projekt und erinnern immer wieder an das Ziel, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Pilotprojekt auf der Costa Diadema

Beim dem Pilot-Projekt auf der Costa Diadema hat allein die Information der Passagiere zu rund 20 Prozent weniger Reste auf den Tellern geführt. Bei der Crew erreichte die Aufklärungskampagne sogar erstaunliche 58 Prozent Reduzierung bei Resten auf den Tellern.

2015 startete das Projekt auf der Costa Diadema als Pilot-Projekt, Im September 2017 begann die Übertragung auf die übrigen Schiffe der Costa-Flotte, die bis Ende Juni 2018 abgeschlossen sein soll. Zwei Monate lang war auf der Costa Diadema der Ursprungzustand erfasst worden. Anschließend entwickelte Costa sieben Monate lang Verbesserungsmaßnahmen, begleitet von kontinuierlichen Messungen.

Detaillierte Erfassung von Abfällen in der Küche
Detaillierte Erfassung von Abfällen in der Küche

Das Ergebnis auf der Costa Diadema: eine Reduktion der Lebensmittelabfälle von insgesamt 54 Prozent. Der Lebensmittelabfall, so berichtet Projektleiterin Stefania Lallai, sei in der vollständigen Umsetzung aller denkbaren Maßnahmen pro Person und Tag von 218 Gramm auf nur noch 98 Gramm zurückgegangen. Auf den bis Anfang Mai umgestellten elf Schiffen lag der Wert zu diesem Zeitpunkt bei rund 35 Prozent Einsparung, die überwiegend beim Aspekt Überproduktion erzielt worden sei.

Vergleichswerte zu Restaurants an Land sind schwierig zu bekommen und vor allem kaum zu vergleichen, weil die Rahmenbedingungen unterschiedlich sind und nicht genau klar ist, was und wo genau gemessen wird. Das World Resources Institute beispielsweise nennt für Großbritannien einen Wert von 284 Gramm pro Gast pro Tag an Lebensmittelabfällen. Eine Studie der Universität Stuttgart kommt dagegen für Deutschland gerademal auf einen Wert von 94 bis 114 Gramm.

Eine Offenlegung der Zahlen des Projekts nach Umstellung aller Schiffe der Flotte hat Costa für den Nachhaltigkeitsbericht 2018 versprochen.

Nachhaltige Ernährung für Kinder, nachhaltiger Anbau in Afrika

Im weiteren Sinne Teil des Projekts gegen Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit ist auch eine Initiative, die Costa zusammen mit Barilla entwickelt hat. Mit einem Sammelkarten-Spiel für Kinder bis zwölf Jahren soll Kindern spielerisch den Wert von Lebensmitteln nahebringen und mit Menüvorschlägen ein Gefühl für gesunde und nachhaltige Ernährung wecken.

Kinder-Menü und Sammelkarten-Spiel
Kinder-Menü und Sammelkarten-Spiel

Wertschätzung für Lebensmittel und bewusster Umgang damit soll als Nebeneffekt ebenfalls dabei helfen, die Menge an Lebensmittelabfällen zu reduzieren. Bewusste Ernährung soll den Anteil an tierischen Proteinen zu Gunsten von mehr pflanzlicher Nahrung reduzieren und damit indirekt den Energiebedarf und die Meine de ausgestoßenen Treibhausgase bei der Produktion von Lebensmitteln reduzieren.

Im Sinne der schon angesprochenen UNO-Initiative investiert Costa die Einsparungen aus dem Food-Waste-Programm übrigens in ein Projekt der Fondazione Slow Food per la Biodiversità. Die gemeinnützige Stiftung überstützt den Aufbau von nachhaltig bewirtschafteten Nutzgärten in Schulen und Gemeinden in Afrika.

5 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

5 Gedanken zu „„Genießen, nicht verschwenden“ – Costas Projekt gegen Lebensmittel-Verschwendung“

  1. Das klingt vielversprechend. Interessant wäre zu wissen, ob in den 69 Gramm pro Person auch der unvermeidbare Abfall, der beim Zubereiten der Speisen (zum Beispiel die Schalen von Ananas, die natürlicherweise um das Fruchtfleisch herum, aber nicht verzehrbar sind) schon eingerechnet ist. Die Zahl klingt für mein Empfinden sehr niedrig.

    Wenn sich das bei Costa durchsetzt, kann ich mir vorstellen, daß das auch bei anderen Marken des Carnival-Konzerns eingeführt werden wird. Zu wünschen wäre es.

    Die frage bleibt letztlich, wie gut die „Erziehung“ der Passagiere klappt. Gerade bei den per Konzept buffetlastigen AIDA-Schiffen sehe ich zu oft, wie sich Leute die Teller voll schaufeln und dann maximal die Hälfte davon essen. Klar, es kann immer mal was dabei sein, was einem wider Erwarten dann doch nicht schmeckt, aber oft ist es einfach Maßlosigkeit. Da hole ich doch lieber erst mal eine kleinere Portion und gehe dann eben noch mal ans Buffet.

  2. @Eike: Die Abfallmenge bezieht sich tatsächlich auf alles, also auch das, was schon in der Küche beim Zubereiten wegfällt, also tatsächlich unvermeidlich ist. Der Wert erscheint sehr niedrig, deckt sich aber auch mit dem, was TUI Cruises bei seinem Projekt ermittelt hat, scheint also realistisch zu sein. An Land in der Gastronomie sind die Werte etwas höher, einer Zahl aus Deutschland zufolge, die ich gefunden habe, bei etwas über 100 Gramm, Großbritannien sogar bei weit über 200 Gramm. Aber eine exakte Wissenschaft ist das natürlich alles nicht, denn wie Du schreibst: Wenn mehr Ananas eingesetzt werden, steigt das Abfallgewicht sofort rasant an; werden viele Brötchen weggeworfen, schlägt das wegen des geringen Gewichts längst nicht so zu Buche. Wie immer kann man da wenig pauschal urteilen, sondern muss in die Details reinschauen.

    (Anmerkung: Ich habe die Zahl im Text korrigiert, da es offenbar im Gespräch an Bord ein Missverständnis gab: Es sind 98 Gramm, nicht wie ürsprünglich geschrieben 69 Gramm).

  3. Ich kenne so etwas aus der Gastronomie resp. der Hotelbranche, wo man ebenfalls Abfälle bzw. die in die Küche zurückkommenden Reste wiegt, um die Portionen zu optimieren und Verschwendung zu vermeiden. Natürlich braucht man sich nichts vormachen – es geht selbstverständlich auch darum, Kosten zu reduzieren.

    Gerade bei Reedereien – und umso mehr bei Großkonzern-Reedereien – werden Umweltschutzmaßnahmen natürlich in erster Linie eingeführt, wenn sich damit auch eine Kostenoptimierung erreichen läßt. Was eine gute Sache ist.

    Bei keinem Hotel an Land kann man soviel mit solchen Änderungen bewirken, wie eine Reederei es kann, weil an Land die Umsetzung und konsequente Einhaltung der vorgegebenen Standards nicht so konsequent überwacht werden und auch nicht so viele „Zimmer/Gäste“ auf einmal betrifft.

    Ich finde es großartig und hoffe, daß die Erfahrungen von Costa auch bei den anderen konzerneigenen Marken umgesetzt werden.

  4. @Franz: Danke für die ergänzenden Worte! :-)

    @Wendy: Klar steckt da bei den Reedereien auch der finanzielle Gesichtspunkt dahinter. Aber wenn die Umwelt entlastet wird und die Reederei noch Geld spart, ohne daß dies zum Nachteil für den Gast ist*, ist das doch die optimale Win-Win-Situation.

    *) Wobei ich bei AIDA schon Nörgler gehört habe, als kurz vor Feierabend auf dem Buffet kleinere Portionen serviert wurden und zum Teil Speisen, die vorher an zwei Stellen standen, nur noch an einer Stelle des Buffets verfügbar waren. Obwohl wirklich noch jede Speise in ausreichender Menge bereit stand, wurde gemosert. Da könnte ich…. *grrrr*

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