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Aberglaube in der Schifffahrt – und wie die Kreuzfahrt alte Traditionen nicht mehr richtig ernst nimmt

Aberglaube und Tradition sind in der Schifffahrt eng miteinander verbunden. Vieles davon gerät aber vor allem in der Kreuzfahrt in Vergessenheit. Selbst feste Traditionen gehen dabei schonmal über Bord – etwa, dass nur Frauen ein Schiff taufen sollten. Wir werfen einen Blick auf abergläubische Traditionen und wie ernst die Kreuzfahrt-Branche sie heute noch nimmt.

Wenn Sie keine Pechsträhne haben wollen, vermeiden Sie Gespräche mit Menschen, die Plattfüße haben. Und nehmen Sie diese eiserne Regel nur nicht auf die leichte Schulter. Bannen lässt sich die Gefahr übrigens, wenn Sie denjenigen oder diejenige zuerst ansprechen. Gleiches gilt übrigens für Rothaarige.

Kommen Sie ja nicht auf die Idee, auf einem Schiff ein fröhliches Liedchen zu pfeifen. Tun Sie das jedenfalls absolut niemals, wenn Sie auf der Brücke sind. Pfeifen beschwört nämlich Stürme herauf. Auf Englisch heißt das „whistle up a storm“). Den darauf folgenden Zorn der mitreisenden Passagiere wollen Sie nicht auf sich ziehen.

Pfeifen? Sturm! Klatschen? Donner und Blitz!

Ich gestehe: Ich habe beim Karaoke auf einer Kreuzfahrt einmal „Wind of Change“ von den Scorpions gesungen. Wie naiv. Was da alles hätte passieren können. Andererseits: Was ist eigentlich mit den vielen Dampfpfeifen auf Schiffen seit Erfindung der Dampfmaschine?

Und noch so eine Verhaltensregel: Klatschen Sie an Bord eines Schiffs nicht in die Hände. Das löst Gewitter mit Donner und Blitz aus – jedenfalls, wenn man dem Aberglauben folgt.

Spätestens beim Klatschen merkt man: So wirklich viel mit der Realität haben diese alten Regeln nicht mehr zu tun. Auf modernen Kreuzfahrtschiffen haben sie ohnehin keinen Bestand mehr. Man stelle sich das gewaltige Gewitter vor, das entstehen müsste, wenn das Publikum im knapp 1.400 Zuschauer fassenden Theater der Oasis of the Seas am Ende eine Show langanhaltend und mit Standing Ovations klatschen.

Verbotene Wörter an Bord von Schiffen

Aber nicht nur Verhalten wie Pfeifen oder Klatschen war auf Schiffen verpönt. Auch bestimmte Wörter oder Phrasen durften keinesfalls laut ausgesprochen werden.

In Frankreich beispielsweise war es undenkbar, „Kaninchen“ zu sagen und selbst heute trifft man diese Sichtweise vereinzelt noch. Der Grund ist wohl, dass Kaninchen die Hanfseile auf Schiffen als besonders schmackhaft empfanden und sie regelmäßig anknabberten. Effektiver als das Wort Kaninchen nicht auszusprechen, erscheint da allerdings, einfach keine Kaninchen an Bord zu nehmen.

Andere Wörter, die man verschiedenen Quellen zufolge besser nicht erwähnte, waren: Katzen, Schweine, Füchse oder auch Kirchen.

Ganz ähnlich wie an Land vermied man auf Schiffen auch Wörter, die irgendwie zu negativen Ereignissen führen konnten. Um sicherzustellen, dass die Schiffscrew sicher in den Hafen zurückkehrte, war es also tabu, beispielsweise die Möglichkeit eines Ertrinkens zu erwähnen. Oder sich auch nur mit „Good bye“ zu verabschieden. Selbst „viel Glück“ vermied man, denn es impliziert ja, dass man Glück brauchen würde, um heil zurückzukehren.

Der Einzige Weg, um einen solchen sprachlichen Faux-pas rückgängig zu machen? Blutvergießen. Pragmatischerweise ließ sich das mithilfe eines kräftigen Faustschlags ins Gesicht desjenigen bewerkstelligen, der das böse Wort ausgesprochen hatte.

Kein Blau, kein Rot, kein Grün …

Viel Aberglauben in der Seefahrt und Schifffahrt ist auch mit Farben verbunden. Je nach Situation können beispielsweise Blau, Grün, Rot oder auch Schwarz ein Problem sein.

Eine Taufpatin mit roten Haaren und grünem Kleid beispielsweise käme einer Katastrophe bei. Denn das würde doch allzu sehr an den Klabautermann erinnern, den man definitiv nicht an Bord haben will. Der Klabautermann hat dem Mythos zufolge nämlich rote Haare und grüne Augen.

Folgt man diesem Gedanken, dann hat die Allure of the Seas bislang allen schlechten Omen zum Trotz unvorstellbares Glück gehabt. Denn deren Taufpatin ist Shreks Ehefrau Fiona: rothaarig und mit grünem Kleid.

Aber auch ein schwarzes Kleid sollte die Taufpatin vermeiden. Denn die Farbe Schwarz stand früher vor allem für Krankheit, Verderben und Tod.

Und Blau? Dieser Aberglaube stammt von den Flussschiffen am Mississippi. Dort galt lange, dass die Decks der Raddampfer niemals blau angestrichen werden sollten. Wie bei den meisten dieser Mythen sollte die Farbe Blau ein schreckliches Unglück heraufbeschwören. Freilich gibt es auch hier einen Gegenbeweis – oder die Ausnahme von der tragischen Scheinwirklichkeit. Das (inzwischen verschrottete) Flusskreuzfahrtschiff Mississippi Queen hatte über 30 Jahre lang blau gestrichene Decks. Ein ernsthaftes Unglück ist dem Schiff nie geschehen.

Traditionen und Aberglaube rund um Schiffstaufen

Besonders viele Traditionen, Mythen und Aberglaube sind mit der Taufe eines Schiffs verbunden. Zumindest kann man aber froh sein, dass sich die Ursprünge der Schiffstaufe nicht erhalten haben. Denn zu Schiffstaufen wurden ursprünglich Tiere geopfert.

Die den Wikinger brachten, um die Götter zu besänftigen, für ein neues Langboot sogar ein Menschenopfer. Das Blut des Unglücklichen wurde dann an den Bug des Bootes geschmiert. Später wurde Blut durch Wein ersetzt und letztlich durch Champagner – mutmaßlich Dank der klugen Marketingstrategie der französischen Champagner-Winzer schon im 19. Jahrhundert.

Folgt man altem Seemanns-Aberglauben mit Ursprung in unterschiedlichen Ländern, sollte die Taufpatin eines Schiffs nicht schwanger sein. Vor allem aber durfte sie keine natürlich roten Haare haben und kein grünes (oder schwarzes) Kleid tragen. Plattfüße sind ohnehin ein No-go, wie zuvor schon erwähnt.

Aus heutiger Sicht überraschend: Bis etwa ins 18. Jahrhundert stand die Taufe eines Schiffs ausschließlich Männern zu. Erst die British Royal Navy soll das im 19. Jahrhundert geändert haben, sodass sich eine neue Tradition entwickelte.

Insgesamt mutet die traditionelle Rolle von Frauen in der Schifffahrt heute seltsam an und entspricht nicht mehr unseren gesellschaftlichen Überzeugungen. Brachten Frauen an Bord von Schiffe den antiken Vorstellungen zufolge noch großes Unglück, gibt es heute sogar Kapitäninnen, auch auf Kreuzfahrtschiffen.

Frauen auf Schiffen erzürnten (angeblich) die Götter

In der antike herrschte die Überzeugung, Frauen auf Schiffen würden die Götter erzürnen, heftige Stürme und Wellen verursachen. Seltsamerweise passierte das aber dennoch nicht, solange Frauen jedenfalls nicht als solche erkennbar waren. Immer wieder fuhren als Männer verkleidete Frauen zur See. Sogar einige der berühmtesten Piraten waren tatsächlich Frauen, beispielsweise Mary Reed, Anne Bonny oder Zheng Yi Sao.

Andererseits bekamen Schiffe traditionell immer weibliche Namen. Eine der sehr wenigen Ausnahmen war der „Imperator“. Kaiser Wilhelm bestand bei diesem Schiff ausdrücklich auf den männlichen Artikel. Die Erklärungsversuche für die Tradition weiblicher Schiffsnamen ist vielfältig. Im Beitrag „Warum sind Kreuzfahrt-Schiffe (fast) immer weiblich?“ habe ich das Thema schon einmal ausführlich abgehandelt.

Einerseits brachten Frauen an Bord dem Aberglauben zufolge nur Unglück über das Schiff und verärgerten das Meer. Andererseits sollten nackte Frauen – ich bitte um Verzeihung für die politische Unkorrektheit des Themas – dagegen beruhigend und besänftigend auf das Meer wirken. Vor allem im 19. Jahrhundert wurden daher barbusige Frauen zum beliebtesten Motiv für die Gallionsfigur auf Schiffen. Zuvor fand man an gleicher Stelle eher eine Figur des Schiffseigners, eines Kriegshelden oder auch mächtiger Tiere wie Löwen.

Immer häufiger männliche Taufpaten

Die Tradition, dass Schiffe eigentlich nur von Frauen getauft werden sollen, haben Kreuzfahrt-Reedereien in den vergangenen Jahren immer häufiger durchbrochen. Und so gibt es längt zahlreiche männliche Taufpaten, vom Rapper Pitbull (Norwegian Escape) über die US-TV-Legende Jay Leno (Carnival Venezia) bis zum Fußballstar Lionel Messi (Icon of the Seas).

Selbst Comic-Figuren durften schon Pate für Schiffe stehen. Die Allure of the Seas wurde 2010 von der Comic-Figur Fiona getauft. Die Disney Wonder bekam 1999 ihren Segen von Tinkerbell.

Weil die Verantwortung für ein einzelnes Schiff schon groß genug ist, sollte ein Mensch auch nur Taufpate oder Taufpatin eines einzigen Schiffs sein. Dass es auch bei deutlich mehr Schiffen gutgehen kann, zeigt Sophia Loren. Sie ist bislang Taufpatin von 20 Kreuzfahrtschiffen, 19 bei MSC Cruises sowie 1990 für die Crown Princess, die spätere A-Rosa Blu und erste AIDAblu.

Auch Whoopie Goldberg hat zwei Kreuzfahrtschiffe getauft – und sogar mit ähnlichen Namen. 1990 die Viking Serenade nach deren Übernahme und Umbenennung durch Royal Caribbean und dann 2003 die Serenade of the Seas.

Wann muss ein Schiff eigentlich getauft werden?

Nahezu komplett in Vergessenheit geraten ist in der Kreuzfahrt – zumindest offiziell – die Tradition und der zugrundeliegende Glaube über den Zeitpunkt der Schiffstaufe.

Der ursprüngliche Zweck der Taufe war ein ganz essenzieller. Es handelte sich um eine Beistandspakt mit den Göttern und besonders dem Meeresgott Neptun, damit das Schiff und die Menschen an Bord immer wieder unbeschadet in den Hafen zurückkehren mögen. Spätestens vor Beginn der ersten Fahrt eines Schiffs war die Taufe daher sinnvoll und angebracht.

Heutige Schiffstaufen sind dagegen große Events mit viel Publicity und die finden statt, wenn es planerisch eben am besten passt. Das kann dann schonmal mehr als ein halbes Jahr nach der eigentlichen Indienststellung sein, wenn ein in Europa gebautes Kreuzfahrtschiff zunächst im Mittelmeer unterwegs ist und dann erst im Spätherbst erst in seinem eigentlichen Basishafen in den USA getauft wird.

Die Carnival Vista beispielsweise ging am 1. Mai 2016 auf Jungfernfahrt im Mittelmeer. Getauft wurde sie aber erst am 4. November 2016 in New York City.

Einige Werften halten jedoch zusätzlich an der alten Tradition fest. Sie taufen ein Kreuzfahrtschiff beim Stapellauf beziehungsweise dem Aufschwimmen in kleinem, aber feierlichen Rahmen an dem Tag, an dem das Schiff zu ersten Mal Wasser unter den Kiel bekommt.

Mehr zu Traditionen im Schiffbau lesen Sie übrigens in unserem Interview „Tradition und Aberglaube beim Bau von Kreuzfahrtschiffen“ von vor einigen Jahren mit dem damaligen Projektingenieur Berndt Lönnberg in der finnischen Werft Meyer Turku.

Überhaupt keine Schiffstaufe? Eine wirklich dumme Idee!

Ein Schiff überhaupt nicht zu taufen, ist übrigens eine besonders dumme Idee. Ein solch böses Omen erscheint nahezu unüberwindlich. Das populärste Beispiel dafür ist die Titanic. Weil das Schiff nach den damals neusten wissenschaftlichen Standards konstruiert war und dementsprechend als unsinkbar galt, verzichtete man auf eine Schiffstaufe.

Diese Arroganz rächte sich gleich auf der Jungfernfahrt bitterlich. Freilich kann man argumentieren, dass der Untergang sehr wenig mit der fehlenden Taufe und viel mehr mit der Hybris, Ruhmsucht und Arroganz der Eigner und Offiziere zu tun hatte. Aber das ist ein anderes Thema, das wir hier nicht vertiefen wollen.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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