Es ist das vielleicht beste und sicherlich faszinierendste Restaurant auf Kreuzfahrtschiffen weltweit: Das „Archipelago“ auf der Costa Toscana und Costa Smeralda hat sich nicht nur wegen großartiger Menüs einen eigenen Beitrag auf cruisetricks.de verdient, sondern auch wegen seines nachhaltigen und mutigen Konzepts, das man in solcher Konsequenz bislang nirgendwo sonst auf See findet.
Mit Sterneköchen schmücken sich Spezialitätenrestaurants auf Kreuzfahrtschiffen ja gerne. Doch die drei Spitzenköche Hélène Darroze, Ángel León und Bruno Barbieri haben sich in ihren Leben gemeinsam schon erstaunliche 18 Michelin-Sterne erkocht. Das allein sagt freilich noch nicht viel über das Archipelago aus – aber das Essen dort ist wirklich auf Sterne-Niveau. Zu den Köchen und der Köchin sowie ihren Menüs später noch mehr.
Was das Archipelago ebenfalls außergewöhnlich macht, ist einerseits, dass es nicht etwa auf einem Ultraluxus-Schiff eröffnet hat, sondern auf der Costa Toscana und Costa Smeralda im eher günstigen Marktsegment. Zudem weicht es von den auf Kreuzfahrtschiffen üblichen Menü-Konzepten ab, die fast immer einen Kompromiss eingehen, um die Speisenauswahl relativ konservativ gestalten. Was kein breites Publikum hat, gibt es dort kaum oder gar nicht, beispielsweise nur sehr selten Wild, ganz zu schweigen von noch exotischeren Zutaten wie etwa Kalbsbries, das ich immerhin einmal auf der Europa 2 und jetzt wieder im Archipelago-Menü von Hélène Darroze gesehen habe.
Das Archipelago ist ein innovatives Restaurant und vor allem das Menü von Ángel León ist geradezu experimentell, ungewöhnlich, mutet seinen Gästen im positivsten Sinne eines zu: Algen, Plankton, Seeigel. Es kostet etwas Mut, dieses Menü zu bestellen. Doch wer etwas experimentierfreudig ist und gerne auch einmal ungewöhnliche Aromen erlebt, bekommt hier etwas sehr Außergewöhnliches.
Spricht man mit Ángel León, wozu ich die Gelegenheit bei der Taufe der Costa Toscana im Juni 2022 hatte, erlebt man einen Mann mit einer Mission, der dafür brennt, das Meer als Nahrungsquelle der Zukunft für die Menschheit zu erschließen. Er experimentiert mit Algen und Plankton, forscht an Seegras, züchtet Seereis und noch vielem mehr. Er träumt davon, eines Tages den Großteil unserer nicht-tierischen Lebensmittel aus dem Meer gewinnen zu können, als Äquivalent zu Früchten und Gemüse. Einen kleinen Einblick in diese Zukunftsvision gibt er in seinem Archipelago-Menü.
Ángel Leóns Hoffnungsträger: Seereis
Noch kann er Seereis, auf den Ángel León große Hoffnungen setzt, nicht in größeren Mengen anbauen, weshalb sein Plankton-Risotto im Archipelago auch noch auf an Land angebauten, normalen Risotto-Reis zurückgreift. Aber bei der Taufe der Costa Toscana demonstrierte er schon einmal, was der Seereis kann. Er wächst unter Wasser und erinnert an irgendetwas zwischen Reis und Quinoa, schmeckt überhaupt nicht salzig, hat keinerlei Gluten und benötigt zum Anbau keinerlei zusätzliche Ressourcen, insbesondere kein Trinkwasser – einige große Vorteile gegenüber herkömmlichem Reis.
Nahhaltige Ausstattung des Archipelago
Doch zurück zum Restaurant: Eine weitere Besonderheit ist die Ausstattung. Denn der nachhaltige Grundgedanke spielt auch bei der Ausstattung eine große Rolle, bei denen laut Costa sehr auf nachhaltige Materialien geachtet wurde. Optisch am auffälligsten sind dabei die Treibholz-Skulpturen, die als elegante Raumteiler eingesetzt wurden.
Goldfarbene Stäbe verwachsen hier mit großen, gewundene Treibholz-Stücken. Diese Äste und Wurzeln stammt Strandreinigungsaktionen an der italienischen Küste im Rahmen des von Costa Crociere Foundation geförderten Programms „Guardians of the Coast“. An die Stiftung gehen denn auch fünf Euro aus jedem Menü, das Kreuzfahrtpassagiere hier verspeisen. Die meisten Treibholz-Stücke wurden übrigens in der Gemeinde Framura bei La Spezia aufgesammelt.
Die Köche, von denen die Menüs im Archipelago stammen
Insgesamt sieben Michelin-Sterne hat sich Bruno Barbieri in seiner Karriere bereits erkocht: für ein Restaurant einen Stern, für drei weitere jeweils zwei Sterne – zuletzt im Restaurant „Arquade“ des Fünf-Sterne-Hotels Villa del Quar in Pedemonte bei Verona.
Die französische Spitzenköchin Hélène Darroze hat ihre Karriere bereits auf höchsten Niveau begonnen, im Le Louis XV von Alain Ducasse. Drei ihrer Restaurants haben zusammen sechs Michelin-Sterne: drei Sterne beim „The Connaught“ in London, zwei Sterne beim „Marsan par Hélène Darroze“ in Paris und ein Stern beim „Hélène Darroze à Villa La Coste“ in der Provence.
Ángel León stammt aus dem andalusischen Jerez de la Frontera und ist in Spanien als „el Chef del Mar“ bekannt. Er bekam zwei Michelin-Sterne für sein Restaurant Puerto de Santamaría und erkochte sich drei Sterne mit dem Restaurant Aponiente in El Puerto de Santa María nahe Cadiz. Der Guide bezeichnet ihm als „wahren Visionär“.
Die fünfgängigen Menüs plus Gruß aus der Küche und Petit Fours kosten jeweils 55 Euro, passende Weinbegleitung 40,70 Euro (37 Euro plus 15 Prozent Servicegebühr). Mit Costa-Club-Paket ist die Weinbegleitung noch knapp zehn Euro günstiger.
Zu guter Letzt gehört zum Außergewöhnlichen des Archipelago auch die Auswahl der Weine für die Weinbegleitung, zumal der Preis von rund 40 Euro mehr als fair ist. Auch hier ist der Sommelier mutig, schenkt Weine aus, die zunächst ungewöhnlich, mal zu süß, mal recht herb anmuten – zusammen mit dem jeweiligen Gericht dann aber exzellent harmonieren. Die Weinbegleitung setzt nicht auf Bekanntheit oder Gefälligkeit des jeweiligen Weins für sich genommen, sondern auf eine großartige Abstimmung mit den Aromen des jeweiligen Gerichts.
Wem meine Rezension des Archipelago nun zu euphorisch klingt, wer nennenswerte Kritikpunkt erwartet: Ich habe keine gefunden. Ich habe das Archipelago als großartiges Restaurant abseits der üblichen Konzepte von Restaurants auf Kreuzfahrtschiffen erlebt und dort auf der Costa Toscana einen der spannendsten Abende in einem Restaurant seit langer Zeit verbracht.
Erwähnt sei aber, was ich im Text schon angedeutet habe: Für das Menü von Ángel León braucht es etwas Mut und die Bereitschaft, Aromen zu probieren, die man so nicht kennt und sich von Nuancen überraschen zu lassen, die man so nicht erwartet. Nicht jeder mag letztlich den Geschmack von Seeigel, nicht jeder kann sich mit der intensiv grünen Farbe von Plankton anfreunden und auch Tintenfisch-Tinte ist nicht jedermanns Sache.
Mein Tipp dennoch: Dieses Erlebnis sollte man sich nicht entgehen lassen. Wenn doch, sind die beiden Menüs von Bruno Barbieri und Hélène Darroze aber sicherlich ebenbürtige, weniger experimentelle Alternativen – finden jedenfalls Journalisten-Kollegen, die diese Menüs auf der Costa Toscana probiert haben.
Wahrlich ein experimentelles Menu zumal es nicht auf Luxuskreuzfahrschiffen serviert wird. Ich hoffe, dass es genügend Interessenten hierfür gibt. Ich jedenfalls wäre dabei. Daher Dank für diesen Bericht.
Bitte den aufgeführten Preis für das Weinpaket prüfen. € 37,– plus € 15,– Servicegebühr ergeben nicht die genannten
€ 40,70.
@Achim Fischer: Danke für den Hinweis. Der Betrag 40,70 Euro stimmt, der Fehler liegt (bzw. jetzt: lag) bei der Einzeit zur Servicegebühr: Es sind natürlich 15 Prozent, nicht 15 Euro ;-) Ich hab’s korrigiert.