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Episoden eines Reiselebens: Wenn der Reisepass Taxi fährt …

Auf dem Weg zur Kreuzfahrt den Reisepass zu Hause vergessen. Die Zeit bis zum Abflug reicht nicht, um zurückzufahren. Panik. Dann eine Idee: Ein Taxi soll den Pass schnell noch zum Flughafen bringen. Aber das wird knapp, extrem knapp …

Auch mit so viel Reiseerfahrung wie ich ist man nicht automatisch gegen grobe Dummheit immun. Das habe ich unfreiwillig auf meiner jüngsten Reise zur Costa Toscana festgestellt. Jetzt bin ich um eine unangenehme Erfahrung reicher und um 80 Euro ärmer.

„Meine Ausrede: Morgens um 4 Uhr bin ich einfach noch nicht so frisch im Kopf …“

Morgens um vier Uhr ist die Konzentration noch nicht sonderlich hoch, die Denkfähigkeit eingeschränkt. Zumindest ist das meine Ausrede.

Costa-Kenner werden schon ungeduldig sein und sagen: Aber bei Fahrtrouten innerhalb der EU braucht man doch bei Costa gar keinen Reisepass. Stimmt. Und bei den meisten Reedereien geht es bei reinen EU-Routen inzwischen auch ohne Reisepass. Aber das noch nicht lange so. Früher war Reisepass meist Pflicht. Deshalb war ich mir morgens im Halbschlaf nicht sicher.

Das Hirn geht in den Notfallmodus

Ich stehe am Flughafen zum Check-in, das Boarding beginnt in 60 Minuten, als mir bewusst wird, dass der Reisepass zu Hause am Schreibtisch liegt. Das Hirn geht in den Notfallmodus, die Nerven fangen an zu flattern.

Schnell am Handy googeln, ob man den Pass tatsächlich benötigt. Blöderweise liefert das erste, spontane Suchergebnis eine falsche Antwort: „Ja, der Reisepass ist Pflicht.“ Für weitere Recherchen bleibt keine Zeit.

„Die einzige Chance: Ein Taxi für den Reisepass. Jetzt. Sofort. Aber das ist gar nicht so einfach.“

Die einzige Chance, den Pass noch rechtzeitig zu bekommen, ist ein Taxi – und zwar sofort. Denn das Zeitfenster dafür ist winzig. Ein Taxi braucht von zu Hause zum Flughafen 20 bis 30 Minuten, plus zehn Minuten Anfahrt. Durch die Sicherheitskontrolle muss ich auch noch und dann noch zum Gate. Am Münchner Flughafen im Terminal 2 immerhin die Security keine ernste Hürde, aber ein paar Minuten dauert es eben dennoch.

Telefon klingelt, und klingelt, und keiner geht ran

Also zu Hause anrufen. Doch Carmen, meine Frau, liegt zu Hause selig schlummernd im Bett und hört das Telefon nicht. Dreimal, viermal, fünfmal anrufen – niemand geht ran. Jetzt bin mir nicht einmal mehr sicher, ob ich in die Telefonanlage nicht so konfiguriert habe, dass es um diese Uhrzeit erst gar nicht klingelt. Der Versuch, die Anlage vom Handy per Fernzugriff umzuprogrammieren, scheitert am Passwort, das mir auf die Schnelle nicht mehr einfällt.

„Letzte Rettung: Schlafzimmerlicht ferngesteuert per Alexa ein paar Mal ein- und ausschalten.“

Da fällt mir ein, dass ich Alexa auch vom Handy aus steuern kann – und das Schlafzimmer-Licht kann ich per Alexa steuern. Also einschalten, ausschalten, einschalten, ausschalten – das sollte reichen, um Carmen zu wecken. Ich weiß, wie perfide das ist. Aber ich bin in Panik. Und es funktioniert. Bei meinem sechsten Anruf-Versuch geht sie ans Telefon. Große Erleichterung.

Mein Zeitfenster wird immer kleiner

Inzwischen ist das Zeitfenster auf das Niveau „nahezu unmöglich“ geschrumpft. Trotzdem versuchen wir es natürlich. Die Lufthansa-Mitarbeiterin am Check-in (ein Mensch, kein Check-in-Automat, denn dank meines Vielflieger-Status‘ darf ich am Business-Schalter einchecken) fiebert mit mir mit.

„Das Boarding zum Flug nach Barcelona beginnt. Das Taxi ist immer noch nicht da.“

Ich stehe also am Taxistand des Flughafens, blicke nervös alle paar Sekunden auf die Uhr und schöpfe jedesmal Hoffnung, wenn sich ein Auto in der Dunkelheit nähert. Ein paar Dutzend Enttäuschungen, dann, endlich, als das Boarding zu meinem Flieger nach Barcelona schon begonnen hat, drückt mir der Taxifahrer meinen Pass (und eine Quittung über knapp 80 Euro) in die Hand.

Reisepass in letzter Minute per Taxi - das wäre beinahe schief gegangen ...
Reisepass in letzter Minute per Taxi – das wäre beinahe schiefgegangen …

Durch die Security, knapp zehn Minuten nach Boarding-Beginn

Ich renne zur Security, winke der Mitarbeiter am Lufthansa-Check-in mit dem Pass. Sie hat zuvor versprochen, der Kollegin am Gate Bescheid zu geben, wenn ich auf dem Weg bin, damit der Flieger notfalls kurz für mich wartet. Danke, Lufthansa, Ihr seid großartig!

„Danke, Lufthansa. Im entscheidenden Moment war Eurer Service einfach großartig!“

Als letzter steige ich ins Flugzeug – und atme tief durch. Geschafft. Dann google ich etwas ausführlicher und stelle fest: Den ganzen Aufwand, die ganzen Nerven (und die 80 Euro) hätte ich mir sparen können. Es hätte aber auch anders sein können. So war ich auf der sicheren Seite. Alles richtig gemacht – außer natürlich der Dummheit, den Reisepass zu Hause liegenzulassen, den ich sonst ausnahmslos immer dabeihabe.

Trotz allem: Es war die richtige, taktische Entscheidung

Einen positiven Aspekt ziehe ich aus der Erfahrung aber dann doch: Bis auf die temporäre Vergesslichkeit frühmorgens funktioniert der logisch denkende Teil meines Gehirns ziemlich gut, auch bei Stress. Denn das Pass-Problem war letztlich ein rein taktisches: Hätte ich noch länger recherchiert, ob ich den Pass wirklich brauche, hätte sich das Zeitfenster geschlossen, um ihn noch rechtzeitig bringen zu lassen. Taktisch war meine Entscheidung also die einzig richtige. Trotzdem hat es 80 Euro gekostet, ganz umsonst.

„Taktisch die richtige Entscheidung. Dennoch hat mich meine Vergesslichkeit knapp 80 Euro gekostet …“

Noch etwas habe ich gelernt: Ab sofort gibt’s bei mir eine Check-Liste für die absolut essenziellen Dinge auf einer Reise: Reisepass, Buchungsunterlagen für die Kreuzfahrt und Geldbeutel. Letzteren habe ich tatsächlich vor einigen Jahren auch einmal zu Hause vergessen …

Und mein Reisepass? Der hat nun neben exotischen Stempeln von den Galapagos, Chile, Aldabra, Kenia, Madagaskar, Mosambik, Katar, Saudi-Arabien, Thailand, Singapur und Vietnam auch die Erfahrung gesammelt, wie es ist, allein mit dem Taxi zum Flughafen gefahren zu werden.

7 Kommentare

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

7 Gedanken zu „Episoden eines Reiselebens: Wenn der Reisepass Taxi fährt …“

  1. Hahaha, Lufthansa und Service? Das passt nicht zusammen. Was Service ist habe ich grade in Australien mit Qantas erlebt. Da wurde sowohl am Boden als auch in der Luft Service geboten. Bei LH muss man inzwischen Klagen um seine, nach EU, Rechte zu bekommen.

  2. @Thomas: Da würde ich vorsichtig widersprechen. Einzelne LH-Mitarbeiter, eigentlich die meisten, erlebe ich regelmäßig als sehr freundlich und hilfsbereit; wesentlich mehr als bei so mancher anderen europäischen oder auch amerikanischen Airline. Erstattung etc., also alles, was eher anonymen Unternehmens-Service angeht, steht auf einem anderen Blatt.

  3. Das lese ich jetzt zum ersten Mal, dass manche Reedereien generell einen Reisepass verlangen. Wir sind bisher mit MSC, Costa, Aida, Nicko Cruise, Mein Schiff und Royal Caribbean gefahren und haben innerhalb von Europa noch nie einen Reisepass gebraucht.

  4. @Claudia: Das ist in den vergangenen Jahren tatsächlich deutlich besser geworden und routenabhängig. Früher galt wirklich bei den meisten internationalen Reedereien generell Reisepasspflicht, vor allem als zwei Gründen: a) ist es immer denkbar, dass man bei einem medizinischen Notfall in ein Land außerhalb der EU ausgeflogen werden muss – das ist (inkl. anschließende Wiederausreise nach Hause) mit Reisepass mit deutlich weniger Problemen verbunden; b) ist es v.a. für internationale Reedereien mit 50, 60 verschiedenen Nationalitäten bei den Gästen für die Check-in-Hilfskräfte im Hafen kaum noch zu durchschauen, wer nun genau welche Art von Ausweispapieren braucht. Einheitlich alle mit Reisepass macht das deutlich einfacher, auch bei der Abfertigung mit den Behörden in jedem Hafen.
    Also: Ja, Personalausweis reicht tatsächlich inzwischen oft aus, v.a. eben auf reinen EU-Routen (mit der Falle Großbritannien, wo man leicht übersieht, dass es eben nicht mehr zur EU gehört). Aber mit dem Reisepass ist man zuverlässig auf der sicheren Seite.
    Ich ändere das im Text oben noch ab, dass es keine Missverständnisse gibt. Danke für den Hinweis.

  5. Ein Freund von mir hat auch seinen Reisepass zu Hause liegen lassen, leider reichte die Zeit nicht mehr, diesen zu holen. Ist am nächsten Tag seiner Frau nachgeflogen.
    Das war mir eine Warnung. Ich habe mir eine Urlaubsliste (die im PC gespeichert ist und je nach Bedarf geändert wird) der Sachen, die ich nicht vergessen darf, angelegt (je nach Reise: Auto, Flug, Kreuzfahrt). Diese Liste wird am Vorabend abgearbeitet, der Pass und die Kreditkarten kommen sofort in die (Flug-)Tasche. Erst wenn
    die komplette Liste abgearbeitet bzw. jede Position durchgestrichen ist, gehe ich beruhigt ins Bett. Hilft, habe nie mehr irgendetwas vergessen.

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