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„Food Waste Bio-Digester“ auf Kreuzfahrtschiffen – Was steckt dahinter?

Die Kreuzfahrt folgt einem Trend, den es an Land schon etwas länger gibt: „Food Waste Digester“ – Lebensmittelabfall-Fermenter. Relativ kleine, einfach zu handhabende Geräte zersetzen Lebensmittelabfälle schnell und auf natürliche Weise. Das hat einige praktische und finanzielle Vorteile gegenüber der herkömmlichen Methode, Lebensmittelabfälle an Bord von Kreuzfahrtschiffen zu entsorgen.

Carnival Cruise Line hat eigenen Angaben zufolge alle 23 Schiffe der Kreuzfahrtschiff-Flotte mit Bio-Digestern nachgerüstet. Bereits seit 2019 testet Carnival Corp. verschiedene Systeme zur Food-Waste-Verarbeitung. Aber auch andere Kreuzfahrt-Anbieter rüsten ihre Schiffe zunehmend mit solchen Systemen nach.

Lebensmittelabfälle – so sehen es die internationalen Marpol-Vorschriften vor – dürfen zumeist außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone kleingehäckselt ins Meer abgegeben werden, quasi als harmloses Fischfutter. Das ist ein wenig unschön und hat auch an Bord handfeste Nachteile. Je nach Fahrtgebiet oder Fahrtroute ist die Abgabe ins Meer oft kaum möglich, sodass die Lebensmittelabfälle an Bord gelagert werden müssen, mit entsprechendem Platzbedarf und Geruchsentwicklung.

Die Alternative, Müllverbrennung an Bord, ist relativ aufwendig und setzt bei Lebensmittelabfällen teils auch eine vorausgehende Trocknung der Abfälle voraus und kann ebenfalls nur auf hoher See eingesetzt werden.

„Food Waste Digester“, oft auch „Bio Digester“ genannt, bieten den Reedereien eine recht einfache Lösung.

Was macht ein „Food Waste Digester“?

Bio-Digester oder Food-Waste-Digester sind relativ kleine Geräte, in denen Lebensmittelabfälle mit Hilfe von zugegebenen Mikroorganismen mit Unterstützung durch etwas warmem Wasser, Sauerstoff und kontinuierlicher Bewegung fermentiert, also zersetzt werden. Der Prozess läuft also rein biologisch ab und benötigt keine Zusätze von Chemikalien.

Anders als beim zeitaufwendigen Kompostieren, bei dem zudem sehr klimaschädliches Methan entsteht, zersetzt der biologische Prozess in einem Bio-Digester die Lebensmittel in weniger als einem Tag. Zudem funktioniert die Methode auch bei kontinuierlicher Zugabe neuer Lebensmittelabfälle.

In einem Food Waste Digester wird den Lebensmittelanfällen ein auf die jeweilige Zusammensetzung der Abfälle genau abgestimmte Kultur an Mikroorganismen zugefügt, die in der richtigen Umgebung mit warmem Wasser und Sauerstoff Enzyme produzieren.

Die Enzyme zerlegen das biologische Material in immer kleinere Molekülketten, bis letztlich eine trübe Flüssigkeit übrig bleibt – Wasser und kleinste, nicht zersetztes, biologisches Material. Im Idealfall würde die Zersetzung lediglich CO2 und Wasser erzeugen, in der Praxis funktioniert das aber nicht vollständig, sodass in dem Wasser noch Reste biologischer Partikel enthalten sind.

Das (englischsprachiges) Video eines Herstellers solcher Anlagen beschreibt deren Funktionsweise recht anschaulich:

Da der Lebensmittelbrei im Bio-Digester ständig in Bewegung gehalten wird, kann auch ständig neues Material, sprich: Food Waste, zugegeben werden. Das nach und nach entstehende Grauwasser läuft einfach ab – und wird regelkonform in entsprechenden Tanks aufgefangen und gleich oder später ins Meer abgegeben.

Wie ein Beitrag bei Marine Executive kritisiert, genehmigen manche Klassifikationsgesellschaften aber auch die eigentlich regelwidrige Vermischung der Flüssigkeit aus dem Bio-Digester mit übrigem Grauwasser an Bord, das dann vor allem auf modernen Schiffen durch deren Kläranlage geleitet wird. Gleiches geschieht übrigens mit den Abwässern aus Bio-Digestern beispielsweise in Restaurants an Land.

Vorteile der Lebensmittelabfall-Fermentierung

Bio-Digester sind sehr unkompliziert in der Handhabung, benötigen ein wenig Know-how zur alltäglichen Benutzung und sind daher auf Kreuzfahrtschiffen sehr einfach einzusetzen. Die geringe Größe macht ein Nachrüsten einfach. Sie reduzieren auch die Geruchsentwicklung in den Müllräumen der Schiffe deutlich.

An Land haben Bio-Digester weitere Vorteile, die auf Kreuzfahrtschiffen aber weniger zum Tragen kommen. Vor allen in Ländern, in denen Lebensmittelabfälle zumeist noch auf Mülldeponien landen, reduzieren sie die Treibhausgas-Emission erheblich. Denn bei der Kompostierung auf der Deponie entsteht das kurzfristig 20- bis 25-mal klimaschädlichere Methan, während bei der Fermentierung in einem Bio-Digester entsprechend weniger klimaschädlicheres CO2 entsteht. Letzteres ließe sich nur reduzieren, wenn Lebensmittelabfälle erst gar nicht anfallen (siehe unser FAQ-Beitrag Was tun Reedereien gegen Lebensmittelverschwendung?).

Anderere Wege: Trocknung oder Gasifizierung von Lebensmittelabfällen

Nicko Cruises setzt auf der World Voyager eine Gasifizierungsanlage (MAGS) ein, in der kohlenstoffbasierter Müll, also insbesondere auch Lebensmittelabfälle, unter Sauerstoffabschluss und großer Hitze in Gas umwandelt umgewandelt wird. Das Gas ist als Energiequelle nutzbar, vom Müll bleibt nur eine sehr geringe Menge einer ascheartigen Substanz übrig, die an Land entsorgt wird. Mehr dazu in unserem Beitrag „World Voyager: Hybrid- und Jet-Antrieb, Technik. Update. Auch Seabourn hat auf der Seabourn Venture inzwischen eine MAGS-Anlage.

Ein bereits seit längere Zeit auf Kreuzfahrtschiffen genutztes Verfahren ist die Trocknung von Lebensmittelabfällen, die aber im Vergleich zum Food Waste Digester deutlich aufwendiger ist. AIDA setzt beispielsweise schon seit Indienststellung AIDAdiva 2007 ein Trocknersystem (Food Waste Dryer) ein. Dabei werden zunächst harte und weiche Abfälle getrennt, Plastik und andere Fremdkörper aussortiert und die weichen Lebensmittelabfälle dann zerkleinert und getrocknet. Das Endprodukt, eine biologisch abbaubare Substanz, die Kaffeesatz ähnelt, wird im Hafen an Entsorgungsunternehmen abgegeben.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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