Die Hansestadt Visby an der Westküste der schwedischen Insel Gotland gilt als eine der am besten erhaltenen Städte der historischen Hanse. Seit 1995 gehört Visby zum Unesco-Weltkulturerbe, stand aber auch davor schon lange unter schwedischem Denkmalschutz.
Rund 50 Wachtürme, Tore und Zugbrücken sollen noch erhalten sein. Umgeben ist Visby von einer fast vollständig erhaltenen, 3,6 Kilometer langen und bis zu neun Meter hohen, mittelalterlichen Stadtmauer, die den Reichtum der Hansestadt vor Überfällen gieriger Plünderer schützte.
Nach unserem organisierten Kulinarik-Ausflug auf Gotland fahren wir deshalb mit dem kostenlosen Shuttle-Bus die kurze Strecke bis zur Altstadt von Visby und schlendern wir durch die engen Gassen und über schmale Treppen entlang der Fachwerk- und Giebel-Häuser, Kirchen und herrschaftlicher Villen der Kaufleute.
Wir haben Glück und sind in Visby genau während der Mittelalter-Woche, die hier seit vielen Jahren im August gefeiert wird. Einheimische und viele auswärtige Besucher tragen mehr oder weniger originalgetreue, historische Kostüme.
Fast ist es ein wenig schade, dass wir uns für den Kulinarik-Ausflug entschieden haben, denn in der Altstadt Visbys könnte man sich noch für viel längere Zeit verlieren. Doch auch den Ausflug sollten wir nicht bereuen …
Die kulinarischen Besonderheiten Gotlands
Der Landausflug „Chef Led Local Farm Tour & Greenhouse Lunch“mit Oceania Cruises soll einen Einblick in die kulinarischen Besonderheiten Gotlands vermitteln. Begleitet von der Leiterin des Culinary Arts Centers der Marina, Noelle Barille, und einem exzellenten, lokalen Guide besuchen wir die Lilla Bjers Farm mit einem der bekanntesten Restaurants Schwedens sowie eine kleine Schaf-Farm.
Erdgeschichtlich ist die schwedische Insel Gotland als Korallenriff in Äquator-Nähe entstanden, was für die Landwirtschaft besondere Bedingungen schafft. Zugleich hat die Insel die meisten Sonnenstunden in ganz Schweden – Letzteres ganz ähnlich wie Bornholm in Dänemark. Bei viel Sonne und einer nur dünne Humusschicht bilden Obst und Gemüse einen besonders intensiven Geschmack aus. Hinzu kommen Gewürze, die man in Schweden eher nicht erwarten würde, zum Beispiel Kardamom oder Safran. Ersterer kam schon früh durch die Hanse-Handelsverbindungen auf die Insel, Letzterer wird hier in kleinen Mengen sogar angebaut.
Lilla Bjers Farm: biologische Landwirtschaft und eines der besten Restaurants Schwedens
Hauptteil des Kulinarik-Ausflugs ist die Lilla Bjers Farm, zu der auch eines der besten und bekanntesten Restaurants Gotlands und Schwedens gehört. Weil sich die Farmer-Familie nicht sicher war, ob ein Restaurant hier überhaupt funktionieren würde, bauten sie es in ein Gewächshaus, das sich notfalls auch als solches nutzen ließe, falls das Restaurant scheitern würde. Doch dazu kam es nicht, das Restaurant wurde ein großer Erfolg.
Lilla Bjers baut fast alle Zutaten für die Gerichte selbst angebaut. Die wichtigsten Produkte sind Spargel, Erdbeeren, Kartoffeln und Zwiebeln. Aber insgesamt wachsen hier rund 400 verschiedene Gemüse- und Obstsorten, von Artischocken bis Zucchini. Beim Anbau legt Lilla Bjers Wert auf naturnahe Landwirtschaft ohne chemische Hilfsmittel oder Dünger.
Ein großer Teich hilft bei der Wasserversorgung ebenso wie gegen den Abfluss von Nährstoffen und dient damit nebenbei auch der Wasserqualität der Ostsee. Die Farm ist KRAV-zertifiziert, was den höchsten Standard für naturnahe und nachhaltige Landwirtschaft in Schweden bedeutet.
Beim Mittagessen an einem langen Tisch im Gewächshaus bekommen wir eine vegetarische Hauptspeise serviert, die aus verschiedenen Varianten von Kohl sowie Linsen besteht – alles aus eigenem Anbau und so lecker, dass man gar nicht auf die Idee kommt zu bedauern, dass kein Fleisch auf den Tisch kommt.
Das ebenso simple wie feine Dessert besteht aus zuckersüßer Wassermelone, Joghurt und Dinkel-Crumble.
Lämmer mit Dauerwelle
Eigentlich sollte der zweite Teil des Ausflugs „Chef Led Local Farm Tour & Greenhouse Lunch“ zur bekannten Ejmunds Rinderfarm führen. „Corona-bedingt“ (genauere Erklärungen dazu gab es nicht) weichen wir stattdessen auf die kleine Schafzucht Ansarve aus.
Dort probieren wir geräuchertes Lammfleisch auf Meerrettich-Creme und hausgemachte Marmelade auf Safran-Biscotti. In der historischen Scheune verkaufen die Schafzüchterinnen Lammfelle und Produkte aus Schafwolle von ihren recht besonderen Tieren. Sie haben ein sehr weiches, dicht gekräuseltes Fell. Das Fell der Schafe hat hier Farben, die zumeist eine Abstufung von Grau sind.
Nur gut 240 Hektar groß ist das Weideland der Ansarve-Farm. Wegen der relativ kargen Vegetation wachsen die Tiere langsam. Das Fleisch entwickelt – anders als etwa bei den schnell wachsenden neuseeländischen Schafen – einen viel intensiveren Geschmack.