Ein Stopp mit dem Flusskreuzfahrtschiff in Rüdesheim ist eine Gratwanderung zwischen unangenehmem Massentourismus und herrlichen Wanderungen durch die umliegenden Weinberge. Unser Geheimtipp: Ein knapp zweistündiger Spaziergang zur Burgruine Ehrenfels.
Historisch ist Rüdesheim durch seine spezielle Lage am Mittelrhein zu einigem Reichtum gekommen. Denn hier endete die Landstraße am steilen Rheinufer. Mensch und Fracht musste auf Schiffe umsteigen, um nach Assmannshausen und weiter flussabwärts fahren. Schon seit rund 200 Jahren ziehen die reich verzierten Fachwerkhäuser in den engen Gassen der Stadt Touristen an, inzwischen natürlich längst aus aller Welt. Rüdesheim ist – oder war vor der Coronakrise – der am zweitmeisten besuchte Touristenort Deutschlands.
Zu Coronazeiten ist die Drosselgasse dagegen selbst an einem Samstag bei schönstem Herbstwetter nicht überfüllt. Für einen überteuerten und nicht besonders guten Zwiebelkuchen und ein Glas Federweißen findet sich selbst im zugegebenermaßen sehr hübschen Innenhof des Weingasthauses Rüdesheimer Schloss ein freier Platz. Sogar mittags, wenn dort das Glockenspiel erklingt. Den Rüdesheimer Kaffee zelebriert die Kellnerin gelangweilt-routiniert.

Rüdesheimer Altstadt: mehr Masse als Qualität
Es ist schon erstaunlich, wie ein Touristenmagnet wie Rüdesheim diese selbst in Coronazeiten relativ komfortable Situation nicht nutzt, um ein besseres Tourismusmanagement zu etablieren und mehr Qualität als Masse zu erreichen. Die Cafés und Restaurants sind auf effiziente Touristenabfertigung ausgerichtet, Souvenirläden überwiegend von minderwertigster Billigproduktion aus Fernost dominiert.
Aber genug kritisiert … Rüdesheim hat auch einen paar wunderschöne Seite. In der Stadt selbst ist mein Tipp ein Besuch in „Siegfrieds Mechanisches Musikkabinett“ – siehe unser Besuch dort vor einigen Jahren inklusive Bildern und einer Audio-Aufnahme.
Zum Wandern in die Weinberge
In eine gänzlich andere Welt taucht ein, wer dem Drang widerstehen kann, überhaupt nach Rüdesheim hineinzulaufen. Denn die Stadt ist von Weinbergen umgeben und auf den Spaziergängen oder Wanderungen dort ist man fast gänzlich allein und genießt den weiten Blick über das Rheintal.

Hoch über Rüdesheim steht das Niederwalddenkmal mit interessanter Geschichte, wenn man sich einmal näher damit beschäftigt. Die spätestens seit einer Filmszene mit Elvis Presley weltberühmte Seilbahn führt hinauf zu dem Denkmal, aber auch zu Fuß ist es durch die Weinberge gut erreichbar.
Die Seilbahn beginnt ihren Betrieb um 10 Uhr – zu dieser Zeit hält sich der Andrang in Grenzen, sodass man das Denkmal und die Aussicht in Ruhe genießen kann.

Die Burgruine Ehrenfels
Wir entscheiden uns aber für einen längeren Spaziergang von knapp zwei Stunden quer durch die Weinberge zur Burgruine Ehrenfels, etwa auf halber Strecke nach Assmannshausen.

Von der einst 600 Quadratmeter großen Zollburg auf einem Felsvorsprung über einer Rheinbiegung sind heute vor allem zwei 33 Meter hohe Türme und einige Mauern erhalten. Ins Innere der Burg gelangt man nicht, aber immerhin auf eine Aussichtsterrasse unterhalb des mächtigen Gemäuers.

Gebaut wurde die Burg Ehrenfels ursprünglich wohl schon um das Jahr 1211 herum. Danach wurde sie mehrfach erweitert und ausgebaut. 1689 sprengten Truppen von Ludwigs XIV. die Burg Ehrenfels und setzten sie in Brand. Seitdem steht sie dort als Ruine und Teile wurden beim Anlegen neuer Weinberge mit der Zeit abgetragen. 1814 ist ein Besuch Johann Wolfgang von Goethes auf der Burg Ehrenfels dokumentiert.

Wer dann doch die Weinseligkeit der Drosselgasse vermisst, findet gleich nebenan eine Weinlaube mit perfektem Blick aufs Rheintal. Unter einer mit reifen Weintrauben dicht behängten Laube sind einige Gläser sowie verschiedene Flaschen Wein in einer Holzkiste gelagert, die sich nach Scannen des Personalausweises (als Alterskontrolle) öffnet. Den Wein zahlt man per Überweisung oder Paypal.

Gelangweilte Kellner und drängelnde Touristen gibt es hier oben an der Burgruine nicht, nur Sonne, ein wenig Wind, Rheintal-Blick und Ruhe …