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Verlust von Brandschutz-Zertifikaten bestimmter Paneele stellt Reedereien und Werften vor größere Probleme

Erschütterung und etwas Ratlosigkeit in der Kreuzfahrt-Branche: Bestimmte Typen von Paneelen des renommierten Herstellers Paroc haben ihre Brandschutz-Zertifizierung verloren – sind jedoch angeblich bereits auf 45 Schiffen verbaut. Das berichtet die Financial Times. Die Auslieferung der Explora I wurde deshalb vorerst gestoppt. Unklar ist, wie es jetzt weitergeht und welches konkrete Risiko überhaupt besteht – vor allem für die schon in Dienst befindlichen Schiffe.

Update 20. Juli 2023: Offenbar sind die Brandschutzprobleme gelöst, die Explora I soll am 20. Juli an die Reederei übergeben werden, die neu angesetzte Jungfernfahrt ab 1. August stattfinden.

Was zunächst nur wie das ärgerliche Missgeschick in der Fincantieri-Werft in Monfalcone aussah, entpuppt sich als größeres Problem für gleich mehrere Reedereien und Kreuzfahrtschiff-Werften: Anfang der Woche wurde bei Fincantieri die Auslieferung des neuen Luxus-Kreuzfahrtschiffs Explora I gestoppt – die Schiffbauer hätten „ein kritisches Problem festgestellt, das sofort behoben werden muss“, hieß es seitens der MSC Group, Muttergesellschaft von Explora Journeys. Die Auslieferung des Schiffs werde sich um mehrere Wochen verschieben.

Nun ist die Ursache für die Verzögerung klar: Bestimmte brandisolierende Paneele des Herstellers Paroc mit Hauptsitz in Helsinki haben ihre Zertifizierung verloren, wie die Financial Times berichtet und wie Branchen-Insider auch gegenüber cruisetricks.de bestätigten. Ohne eine solche Zertifizierung dürfen Materialien beim Bau eines Kreuzfahrtschiffs nicht eingesetzt werden.

Branchen-Insidern zufolge ist das Problem mit diesen speziellen Paneelen in Werft- und Reedereikreisen bereits seit einigen Wochen bekannt. Öffentlich geworden ist das Ganze aber erst jetzt, nachdem die Klassifikationsgesellschaft dem neuen Luxus-Kreuzfahrtschiff Explora I in der italienischen Fincantieri-Werft in Monfalcone offenbar die Abnahme („Klasse“) verweigerte.

Angeblich 45 Schiffe betroffen

Doch betroffen ist weit mehr als nur der eine Neubau bei Fincantieri, die Explora I der MSC-Luxustochter Explora Journeys. Auf 45 bereits in Dienst befindlichen Schiffen sollen die betreffenden Paneele ebenfalls verbaut worden sein, schreibt die Financial Times. Unklar ist dabei, ob es sich dabei durchweg um Kreuzfahrtschiffe handelt, da die Financial Times auch „andere Schiffstypen“ erwähnt, ohne das genauer zu spezifizieren. Die Zahl 45 soll direkt vom Paneele-Hersteller Paroc kommen. Cruisetricks.de hat bei Paroc im Klarstellung bezüglich der betroffenen Schiffe und der Zahl der Kreuzfahrtschiffe gebeten, aber auch eine Woche nach der Anfrage noch keine Antwort erhalten.

Zu den betroffenen Schiffen soll jedenfalls die kürzlich in Dienst gestellte MSC Euribia gehören, die in der französischen Werft Chantiers de l’Atlantique gebaut wurde. Ein weiteres MSC-Kreuzfahrtschiff von Fincantieri in Italien soll ebenfalls betroffen sein. Auch von Carnival will die Financial Times erfahren haben, dass dort ein Schiff mit diesen Paneelen ausgestattet ist. Zum Zeitpunkt des Einbaus hätten sie aber noch alle nötigen Zertifikate besessen.

Update: MSC Cruises äußert sich zur MSC Euribia in einem Statement am 8. Juli: „Bereits fahrende Schiffe mit den gleichen Paneelen sind nicht automatisch betroffen. Dennoch arbeitet unser anderer Schiffbauer, Chantiers de l’Atlantique, mit der Klassifikationsgesellschaft und Experten aus der maritimen Industrie zusammen, um die Situation der MSC Euribia im Detail zu analysieren und die erforderlichen Tests durchzuführen. Anschließend werden wir, falls nötig, einen entsprechenden Aktionsplan entwickeln.“

Brandschutz ist ein essenzielles Thema auf Kreuzfahrtschiffen. Daher existieren äußerst strenge und detaillierte Brandschutzvorschriften, insbesondere auch bezüglich des beim Bau eines Schiffs verwendeten Materials. Alle auf einem Kreuzfahrtschiff verwendeten Materialien müssen entsprechend dieser Brandschutzvorschriften einer genauen Prüfung unterzogen und zertifiziert werden, bevor sie auf einem Kreuzfahrtschiff zum Einsatz kommen dürfen.

Die Financial Times zitiert einen Sprecher der Herstellerfirma Paroc zu den Konsequenzen: „Wir arbeiten derzeit sowohl mit unseren Kunden als auch mit den Aufsichtsbehörden zusammen, um mögliche Risiken, die sich aus ihrer Verwendung ergeben, zu beseitigen.“

Paroc ist ein großer und renommierter Zulieferer für die Kreuzfahrt-Industrie und liefert unter anderen Brandschutz-Lösungen vor allem auf Basis von Steinwolle an zahlreiche Werften. Von dem aktuellen Problem betroffen sind mindestens die Werften von Fincantieri in Italien und Chantier de l’Atlantique in Frankreich.

Die Meyer-Werften in Deutschland und Finnland sind dagegen offenbar nicht betroffen. Ein Sprecher der Meyer-Werft erklärte gegenüber cruisetricks.de, man habe keine der fraglichen Paneele auf Kreuzfahrtschiffen verbaut.

2020 wurden die problematischen Paneele eigentlich zertifiziert

Unklar ist, warum die 2020 als konform zu den Brandschutzvorschriften zertifizierten Paneele nun ihre Zulassung verloren habe. Laut Financial Times gelten solche Zertifikate für fünf Jahre, weshalb vor allem nicht klar ist, warum an den Paneelen erneut Tests durchgeführt wurden, was dann zum Entzug der Zertifizierung führte.

Die Financial Times schreibt, Ende Mai habe Fincantieri davon erfahren, dass ein bestimmter Typ von Wandpaneele die Zertifizierung verloren habe und daher nicht mehr eingesetzt werden könne. Auch ein zweiter Paneele-Typ habe die Zertifizierung verloren und der Hersteller Paroc habe Fincantieri darüber informiert, schreibt die Financial Times unter Berufung auf Quellen, die nicht öffentlich genannt werden wollen, weil sie haftungsrechtliche Konsequenzen befürchten.

Der lokale Zulieferer der Paneele in Italien habe dann mit dem Rückruf der Paneele begonnen, was dazu führte, dass Fincantieri die für den 6. Juli geplante Auslieferung der Explora I stoppte.

Auslieferung der Explora I verschoben

Am 4. Juli 2023 hatte Explora Journeys die für den 6. Juli vorgesehene Übergabe des neuen Kreuzfahrtschiffs Explora I vorerst abgeblasen. Das Schiff bleibe vorerst in der Fincantieri-Werft in Monfalcone bei Triest, hieß es. In diesem ersten Statement schreibt Explora Journeys: „Fincantieri S.p.A. und die Cruise Division der MSC-Gruppe haben sich entschlossen, noch zusätzliche Arbeiten sowie den letzten Feinschliff an der Explora I (…) durchzuführen. Leider wird sich der Aufenthalt des Schiffes in der Werft aufgrund der erforderlichen Arbeiten um einige Wochen verlängern.“

Als die Reederei kurz darauf auch die Jungfernfahrt des Schiffs absagt, enthält die Erklärung an die Passagiere bereits etwas konkretere Informationen: Gemeinsam mit der Werft habe man die Entscheidung treffen müssen, „den Zeitplan für die Inbetriebnahme der Explora I zu aktualisieren. Während das Schiff vollständig fertiggestellt ist (…), haben unsere Schiffsbauer ein kritisches Problem festgestellt, das sofort behoben werden muss. Wir arbeiten gemeinsam mit Fincantieri an einer Lösung des Problems, um sicherzustellen, dass die Explora I den höchsten Standards entspricht, denn die Sicherheit unserer Gäste und Gastgeber ist für uns natürlich von größter Bedeutung. Leider wird sich der Aufenthalt des Schiffes in der Werft aufgrund der für die Arbeiten erforderlichen Zeit um einige Wochen verlängern.“

Das ganze Ausmaß der Situation brachte dann aber erst die Financial Times ans Licht, die am 7. Juli 2023 unter dem Titel „Luxury cruise liner’s launch delayed as dozens of ships face potential safety hazard“ (paywall) ausführlich berichtete.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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