Royal Caribbean könnte es schaffen, mit der Utopia of the Seas den großen Markt der Kurzkreuzfahrten von Florida zu den Bahamas deutlich zu verändern. Ein paar entscheidende Details verschaffen der Reederei einen klaren Vorsprung. Das dürfte diesen Markt umkrempeln und die Konkurrenz gehörig unter Druck setzen. Und noch etwas anderes verändert sich dabei in der Kreuzfahrt …
Es klingt wie eine Routine-News zu einem neuen Kreuzfahrtschiff: Royal Caribbean stellt erste Details zur Utopia of the Seas vor und will das Schiff – immerhin etwas überraschend – für Kurzkreuzfahrten ab Port Canaveral (Orlando) einsetzen. Tatsächlich steckt dahinter aber eine kleine Revolution in der Kreuzfahrt und ein kluger, unkonventioneller Schachzug der Reederei. Warum das so ist, zeigt sich aber erst auf den zweiten Blick.
Gewöhnlich schicken die großen Kreuzfahrt-Reedereien ihre neuesten Schiffe auf Sieben-Nächte-Routen. Das gilt bislang als lukrativer. Auf den Kurzreisen ab Florida zu den Bahamas mit drei oder vier Nächten Dauer kommen ältere Kreuzfahrtschiffe zum Einsatz, auch weil hier die Konkurrenz groß ist und daher die Preise niedrig sind.
Verdient wird auf diesen Reisen vor allem durch den Umsatz an Bord: Casino, Getränke, Spa, Shops. Passagiere sind auf diesen Reisen in besonderer Feierlaune, nicht nur während Springbreak-Zeiten, und geben entsprechend viel Geld in kurzer Zeit aus.
Details, die für Royal Caribbean ein großer Vorteil sind
Mit der Utopia of the Seas stellt Royal Caribbean dieses Konzept nun auf den Kopf. Die Reederei bringt ein Angebot auf den Markt, das sie aus der mehr oder weniger einheitlichen Konkurrenz heraushebt. Sie bietet außerdem etwas, das die anderen in dieser Form so schnell nicht nachahmen können.
Warum? Weil Royal Caribbean nicht nur das neueste Schiff dort positioniert – das könnten Mitbewerber ebenfalls tun. Sondern weil Royal Caribbean das ohnehin begehrte, neue Schiff kombiniert mit dem Erlebnis auf der Privatinsel Coco Cay, die für die Zielgruppe der Kurzreisen – Party und Familie – aktuell weit mehr bietet als die Inseln der Mitbewerber.
Und die Reederei hat noch einen wichtigen Trumpf im Ärmel: den „Royal Beach Club“, der 2025 auf Paradise Island in Nassau eröffnen soll. Das erscheint auf den ersten Blick nicht übermäßig spektakulär zu sein. Doch muss man wissen, dass Nassau als Kreuzfahrthafen zu den zehn Prozent unbeliebtesten der Karibik gehört, weil dort einfach zu wenig geboten ist und in dieser Zieltruppe jeder schon mehrfach dort war. Mit dem Royal Beach Club schafft Royal Caribbean es nun aber, diesen Hafen exklusiv für seine Kunden deutlich attraktiver zu machen – und da kann die Konkurrenz erst einmal nicht mithalten.
Eine Drei- oder Vier-Nächte-Route ab Florida ist bei Royal Caribbean also allein schon durch die beste Privatinsel sowie eine exklusive Attraktion in Nassau deutlich attraktiver, als die Konkurrenz das auf absehbare Zeit anbieten kann. Die Utopia of the Seas als ganz neues Mega-Kreuzfahrtschiff der Flotte ist da schon fast nur das Sahnehäubchen auf dem ohnehin besten Produkt auf diesem Markt. Nur Disney Cruise Line ist da halbwegs ebenbürtig, schon wegen der auch außerhalb der Kreuzfahrtwelt enormen Markenbekanntheit.
Ideal fürs Neukunden-Geschäft
Dabei wird Royal Caribbean mit dieser neuen Herangehensweise noch nicht einmal primär um die Kunden der anderen Reedereien buhlen. Denn es gibt eine viel größere Zieltruppe, die potenziell einfacher zu gewinnen ist: Kreuzfahrt-Neulinge, „new to cruise“.
Der größte Teil der Menschen, selbst in den USA, hat noch nie eine Kreuzfahrt gebucht. Der Anteil der Kreuzfahrt am Reisemarkt liegt bei unter fünf Prozent. Kurz-Kreuzfahrten senken die Einstiegsschwelle deutlich ab, denn sie sind für einen günstigeren Gesamtbetrag zu bekommen und man muss nur wenig Urlaubstage investieren, um es auszuprobieren. Das ist wichtig in den USA, wo die Menschen typischerweise viel weniger Urlaub haben als in Europa.
Der Basis-Hafen Port Canaveral ist unter diesem Aspekt ebenfalls sehr geschickt gewählt. Er liegt nahe an Orlando, einem der weltweit bedeutendsten Ziele für Familienurlaub – also mit potenziell einer riesigen Zielgruppe, die an einen Aufenthalt in einem der Themenparks relativ einfach noch ein paar Tage auf einem Kreuzfahrtschiff anhängen kann.
Dazu wiederum passt, dass Royal Caribbean die Utopia of the Seas noch mehr auf Familienfreundlichkeit optimiert hat und inzwischen (für die „Icon of the Seas“) den nicht ganz abwegigen Anspruch des besten Familienurlaubs der Welt erhebt. Allzu weit von der Icon of the Seas ist die Utopia of the Seas da nicht entfernt.
Kreuzfahrtschiff und Privatinsel verschmelzen zu einer Einheit
Und noch etwas fällt bei den Plänen zur Utopia of the Seas auf: Das Schiff und die Destination verschmelzen zu einem einheitlichen Erlebnis. Die Reederei schafft sich eine komplett eigene Urlaubswelt, in der klassische Destinationen mit unabhängigen Landausflügen faktisch keine Rolle mehr spielen.
Bei der Fahrtroute von Port Canaveral nach Coco Cay und Nassau – und bei der Vier-Nächte-Route zusätzlich einem Seetag – spielt Sightseeing kaum noch eine Rolle. Die Passagiere bewegen sich fast während der gesamten Reise innerhalb der Sphäre der Reederei, ob am Schiff oder auf einer Insel.
Daher unterscheidet die Reederei bei ihren Marketing-Botschaften auch nicht mehr zwischen Features der Utopia of the Seas selbst und den Attraktionen auf der Privatinsel Coco Cay.
Und so findet sich dann auch auf der Infografik zu diesen Reisen Punkte wie „13 Wasserrutschen“ (die sich auf Coco Cay befinden) parallel zu vier Rutschen an Bord der Utopia of the Seas; oder fünf Pool (an Bord) neben dem „größten Süßwasserpool der Karibik“ (auf Coco Cay); oder eine knapp 500 Meter lange Zip-Line (auf Coco Cay). Das alles wird auf einer Seite einheitlich unter der Überschrift „Utopia of the Seas“ präsentiert.
Um von Land und Leuten nichts zu sehen, fahre ich ja nicht in den Urlaub. Ich will ja da hin gebracht werden und die Kultur und Gegend kennen zu lernen. Also so sehr muss ich nicht in die Sphäre der Reederei eintauchen.
@Chris: Das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Urlaubskonzepte … Nicht jedem muss jedes gefallen.
Eine 3 oder 4 Nächte Kreuzfahrt ist null Erholung und für die Besatzung noch mehr Arbeit
@Hans: Dann würde ich doch mal die Hunderttausenden fragen, die solche Reisen jedes Jahr buchen – ich glaube, „Erholung“ ist gar nicht das, was sie im Sinn haben ;-)
Mehrbelastung für die Crew? Ja, ohne Zweifel.
Utopia of the Seas ist nicht der Hammer, der hier dargestellt wird. Überfülltes, verrauchtes Casino und mäßige bis maue Shows, sprich ein Abklatsch der uns bekannten Wonder, Harmony und Symphony. Erholen kann man sich nur, wenn man auf überfüllte Liegeplätze steht. Die Reiseroute wurde sehr kurzfristig auf 2 Regenseetage geändert, wir haben nur mehr aufs Ausschiffen gewartet…
Dass viele Amis noch nie auf Kreuzfahrten waren, ist interessant, da eigentlich das Gros der Gäste ihre 2 Wochen Urlaub auf solchen Schiffen verbringt. Vielen Amis ist es auch egal, wo man hinfährt, ob es nur Seetage gibt usw. Die Ziele haben viele schon x-fach gesehen wie Sint Maarten…. Bei 2 Wochen Urlaub steht man auf Fun, Action, Spiel… der Rest in unerheblich. Für Deutsche zählen oft andere Werte….Ich nehme an, Sie haben noch keine 95 Kreuzfahrten hinter sich.
Text wegen rechtlichen Bedenken vom Autor stark gekürzt
@Martin Huber: Einfache Gegenfrage: Warum buchen Sie eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff, bei dem völlig klar und vorhersehbar alles anders ist, als Sie es sich wünschen? Eine Fahrtroute, die Sie nicht mögen, ein amerikanisches Schiff, obwohl Sie offenbar eine Abneigung gegen „Amis“ haben, Fun und Action, obwohl Sie Ruhe bevorzugen. Auch dass im Casino das Rauchen erlaubt ist, ist kein Geheimnis.
Ich habe in dem Beitrag doch beschrieben, was einen auf dem Schiff erwartet. Wer eine andere Vorstellung von Kreuzfahrt hat, was völlig natürlich ist, weil nicht alle Menschen gleich sind, der sucht sich ein Schiff und eine Reise, die besser zu den eigenen Vorstellungen passen.
Ich buche ja auch keinen Badeurlaub, wenn ich Strand nicht ausstehen kann, und reise nicht nach Frankreich, wenn ich die französische Sprache und Lebensart nicht ausstehen kann, und nicht nach Brasilien, wenn ich beim Abendessen auf Schnitzel mit Pommes um 17:30 Uhr stehe etc.
Und was erwarten Sie sich eigentlich von den Shows auf einem solchen Schiff, die Sie als „Abklatsch“ dessen bezeichnen, was zum Besten gehört, was es in der Kreuzfahrt derzeit gibt?
(Und doch, ich habe weit mehr als 95 Kreuzfahrten „hinter mir“, sehe Kreuzfahrten allerdings nicht als etwas an, das ich „hinter mich bringen muss“).
Nebenbei bin ich mir auch nicht klar, wie Sie darauf kommen, dass dieser Beitrag die Utopia of the Seas als „Hammer“ darstellt. Ich zeige sachlich auf, was die Utopia tut, wie sie eingesetzt wird und welche Veränderungen sie für den Markt dort bringt. „Der Hammer“ ist dann Ihre Interpretation, die aber irgendwie daneben geht, wenn Sie all das Beschriebene offenbar nicht mögen …