Es ist das tiefste und intensivste Blau, dass ich je an einem Gletscher gesehen habe: Wir kreuzen mit dem Zodiac vor dem Evigheds-Gletscher. Bei knapp über null Grad regnet es in Strömen – das ist der Preis, den wir für diesen erhabenen Anblick zahlen müssen. Aber mit warmer, regendichter Kleidung wettert man das problemlos ab. Meine Regenhose ist leider nicht mehr ganz dicht, aber gerade noch okay.

Der Gletscher muss vor kurzem mächtig gekalbt haben, denn es liegt eine sehr breite und hohe Fläche quasi blank vor uns, an der man das über die Jahrtausende zusammengepresste, ganz klar wirkende Eis bewundern kann. Die intensive, blaue Farbe entsteht, weil das Eis kaum noch Lufteinschlüsse hat und deshalb den Blauanteil im Tageslicht besonders gut reflektiert, während es die übrigen Farben herausfiltert. An einem bewölkten Tag wie heute wirkt dieses Blau noch intensiver – immerhin ein Vorteil des eher unangenehmen Wetters.







Der Evigheds-Gletscher liegt im Evigheds-Fjord, der um die 100 Kilometer ins Land einschneidet. Der dänische Name „Evigheds“ bedeutet „Ewigkeit“, der grönländische Name Kangerlussuatsiaq bezeichnet, mit viel Understratement, einen „ziemlich langen Fjord“.

Am Eingang zu diesem Fjord liegt die kleine Siedlung Kangaamiut, die wir am Nachmittag besuchen. Wir werden mit Kaffee, Tee und Kuchen begrüßt, der Dorf-Chor singt für uns, eine Tänzerin zeigt uns einen Maskentanz.




Diese Tänze sind eine Inuit-Tradition, bei der Kinder mit erzieherischer Absicht erschreckt und mit ihren Ängsten konfrontiert werden, quasi als Abhärtung für die Härten des Lebens in dieser unwirtlichen Region. Aber die Maskentänze haben auch einen Nebeneffekt auf die zusehenden Erwachsenen, die ebenfalls mit Ängsten und Tabus konfrontiert werden sollen. Sie sollen dem Publikum ihre innere Gefühlswelt als Spiegel vorhalten und es zwingen, sich damit auseinanderzusetzen.

Kangaamiut liegt bereits so weit südlich in Grönland, dass das Meer dort im Winter nicht zufriert. Eine langgezogene Felsenbarriere schafft einen gut geschützten, natürlichen Hafen, in dem zahlreiche Fischerboote liegen. Wegen des schlechten Wetters sind heute fast alle Boote im Hafen und das Dorf ist reche belebt. Es macht Spaß, sich mit den Einheimischen ein wenig zu unterhalten und mehr über ihr Leben hier zu erfahren.










Jedenfalls sind die meisten Menschen, denen man auf den Wegen und Holztreppen, die durch das an einem steilen Berghang gelegenen Dorf führen, herzlich und offen für uns Touristen. Nur einigen, wenigen merkt man an, dass sie lieber ihre Ruhe hätten.

Das dachte ich auch von drei jugendlichen Jungs, die die rauchend vor einem Haus standen. Doch als ich vorbeiging, stellten sie sich mit Namen vor, schütteln mir die Hand und wir plaudern ein wenig auf Englisch – vor allem über Bier. Carlsberg ist ihre bevorzugte Marke. Für sehr viel mehr reichten die gemeinsamen Sprachkenntnisse dann aber leider nicht.

Fakt des Tages: Wie viel Eis gibt es in Grönland?
Etwa sieben Prozent der Trinkwasservorkommen der Erde liegen in Form von Eis auf Grönland. Deshalb bekommt Grönland auch immer dann große Aufmerksamkeit, wenn es um den Klimawandel und das Abschmelzen von Gletschereis geht.
Dabei ist die Eisschmelze auf Grönland in Relation zu seiner Größe wesentlich geringer, als es auf den ersten Blick scheint – freilich in absoluten Zahlen dennoch dramatisch. Aber Untersuchungen von Wissenschaftlern an der Universität Oslo haben gezeigt, dass im Rekordjahr 2024. Auf dem 50 Mal kleineren Svalbard-Archipel (Spitzbergen) sogar mehr Eis abgeschmolzen als wie in ganz Grönland: geschätzte 61,7 Gigatonnen. Auf Grönland waren es geschätzte 55 Gigatonnen. Beide Zahlen stellen die plausibelste Dimension dar, die mögliche Abweichung von den tatsächlichen Werten ist allerdings aufgrund von unzureichender Datenlage immens. Klar ist aber jedenfalls, dass auf Svalbard die Eisschmelze in Relation zur Größe wesentlich höher ist.
Den Osloer Wissenschaftlern zufolge bedeutet das Abschmelzen des Gletschereises rund um die Barentssee (also der Teil des Nordpolarmeers zwischen Grönland, Norwegen und Russland) mit 102,1 Gigatonnen (plus/minus 22.9 Gigatonnen) einen Anstieg des weltweiten Meeresspiegels um 0,27 Millimeter (plus/minus 0,06 Millimeter) – nur durch die Eisschmelze in dieser Region und innerhalb nur eines Jahres.
Laut dem National Snow and Ice Data Center der Universität von Colorado liegt auf Grönland rund 2,9 Millionen Kubikkilometer Eis. Würde es komplett abschmelzen, würde der Meeresspiegel weltweit um etwa 7,4 Meter ansteigen.

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