Eine Reise auf der Segelyacht Chronos verbindet die Vorzüge von Kreuzfahrten mit der Exklusivität einer Privatyacht. Für erfahrene Kreuzfahrer bedeutet das ein paar Umstellungen. Dennoch – oder gerade deshalb – ist die Gefahr groß, nach einer solchen Segelkreuzfahrt nichts anders mehr zu wollen.
Einen wichtigen Unterschied zu typischen Kreuzfahrten will ich besonders herausgreifen, da er von erfahrenen Kreuzfahrer die größte, gedankliche Umstellung verlangt …
Keine festen Routenpläne, Ankunfts- und Abfahrtszeiten
Ich habe bisher noch kein Wort über Landgänge verloren, und das hat einen guten Grund: Sie stehen bei einer Segelyacht-Reise nicht so stark im Vordergrund und sind nicht so straff durchorganisiert und geplant wie auf typischen Kreuzfahrten. Das Konzept auf der Chronos ist nicht, eine fest vorgegebene Route mit fixen Ankunfts- und Abfahrtszeiten durchzuziehen. Die Art des Reisens ist eher eine Kombination aus Kreuzfahrt und Yachting.
Steht der Wind gerade günstig, verschiebt sich ein Hafenstopp schonmal auf einen anderen Tag oder fällt kürzer aus, als ursprünglich angedacht. Das Segeln steht im Vordergrund und ist ein Erlebnis, das andere Kreuzfahrtschiffe nicht bieten können. Wann immer es geht, wird auf der Chronos gesegelt und der Motor ausgeschaltet.
Segeln hat Priorität
Einen kleinen Eindruck, wie sich das anfühlt, gibt das Video im Blogbeitrag „Bei kräftigem Wind segelt die Chronos nach Positano“ sowie das 360-Grad-Panoramafoto hier:
interaktive Panorama-Bilder: Chronos
Schnell gewöhnt man sich an eine totale Entspannung. Man bewegt sich langsamer, wird innerlich ruhiger, fauler und gemächlicher, bis man sich dabei ertappt, wie man schon seit einer halben Stunde einfach nur auf einer der weichen Bänke seitlich an Deck sitzt, die Seele baumeln lässt oder ganz ohne Gedanken einfach nur da sitzt, das Nichtstun genießt, in die Wellen schaut, das sanfte Dahingleiten unter Segeln genießt.
Wem das noch nicht genug ist, lässt sich von der Crew Sicherungsgurtzeug anlegen und klettert nach vorne in das Bugspriet-Netz. Die Sicherung ist vernünftig, weil das Netz relativ klein und das Absturzrisiko entsprechend größer ist. Liegt man erst einmal im Netz, will man dort aber auch nicht mehr weg.
Und: Mithelfen beim Segelsetzen ist erlaubt und wird von der Crew als willkommene Unterstützung begrüßt. Aber wer nicht anpacken will, kann guten Gewissens im Schatten liegen bleiben und einfach nur zuschauen.
Landgänge individuell
Geführte Landausflüge im Bus sind nicht im Angebot, die Crew kümmert sich auf Wunsch aber um die Bestellung von Taxis oder auch Kleinbussen, wenn sich Passagiere für einen selbst organisierten Ausflug zusammentun wollen.
Oft sind die Landgänge eher kurz, ein paar Stunden. Man erkundet zu Fuß die nähere Umgebung, macht einen Spaziergang, setzt sich in ein Café im Dorf, entdecke kleine, hübsche Plätzchen abseits der Touristen-Hotspots. Das ist also mehr Yacht-Leben als Abhaken von To-Do-Listen und Top-Attraktionen.
Die Tagesplanung wird morgens beim Frühstück mit dem Kapitän besprochen, aber wenn unerwartet Wind aufkommt oder abflaut, ändert sich das auch spontan noch einmal. An einem Ankerplatz angekommen, sprechen sich Passagiere und Crew ab, wie lange man an Land bleiben will und vereinbart die Uhrzeiten, zu denen das Dinghi die Passagiere am Ufer wieder abholt.
Yachthafen, Marina oder Ankerplatz statt Kreuzfahrt-Terminal
Die Chronos legt nicht an Kreuzfahrt-Terminals großer Städte an. Stattdessen beginnt und endet die Reise typischerweise in einem Yachthafen oder einer Marina, in unserem Fall in Salerno. Bei der Anreise sollte man daher ein paar Euro extra für den Transfer dorthin einplanen. Sailing Classics organisiert dafür Gruppentransfers mit Taxis oder Kleinbussen, sofern Passgiere etwa gleichzeitig am Flughafen ankommen.
Während der Reise liegt die Chronos häufig zwischen vielen anderen, großen und kleinen Yachten vor Anker und bleibt dort auch über Nacht, oft mit einem zweiten Landgang am Abend. Vom Schiff aus geht es mit Dinghis – stabilen, motorisierten Schlauchbooten – an Land oder auch mal direkt zu einem Ziel wie der Blauen Grotte auf Capri oder dem Fiordo di Furore.
Einziger Innenraum: der Halbsalon mit Bar
Der einzige Innenraum – abgesehen von den Kabinen – ist auf der Chronos der Halbsalon inklusive einer kleinen Bar. Wer möchte, findet hier Seekarten und eine kleine Bibliothek. Die Crew nutzt die großen Tische beispielsweise zum Falten von Servietten und Tischtüchern. Am letzten Tag wird einer der Tische zum Bordshop mit Poloshirts, Baseball-Caps, Logo-Tassen und Ähnlichem.
Neben der Bar gibt es im Salon einen Spender für (stilles) Trinkwasser, außerdem eine Auswahl an Sonnencremes, wenn man gerade zu bequem ist, seine eigene aus der Kabine zu holen.
Eine ausführliche Beschreibung aller Details zur Chronos finden Sie übrigens in der Beitragsserie „Amalfi-Küste und Golf von Neapel mit der S.Y. Chronos“ unseres Schwesterblogs Cruisediay.de.
Segelkreuzfahrt in Zeiten des Coronavirus die beinahe ideale Urlaubsform
Unvermeidlich ist in diesen Tagen das Thema Covid-19. Unsere Reise auf der Chronos habe ich in dieser Hinsicht als nahezu ideal erlebt, sieht man von dem Unbill der Fluganreise einmal ab. Doch selbst hier ist die Lufthansa inzwischen bei der Durchsetzung der Regeln deutlich konsequenter geworden. Und mit gutem Selbstschutz – am Flughafen und im Flieger durchgehend FFP2-Maske tragen – ist auch hier das Risiko gering. Wer ganz sicher gehen will, reist mit dem eigenen Auto an.
Sailing Classics verlangt derzeit von allen Passagieren einen aktuellen Coronatest mit negativem Ergebnis. Außerdem wird jeden Morgen berührungslos Fieber gemessen und Temperaturveränderungen als erstes Indiz für eine Erkrankung gedeutet.
Das gesamte Bordleben spielt sich unter freiem Himmel ab, immer weht ein leichter Wind und es ist genug Platz, um Abstand zueinander zu halten, wenn man das möchte. Das macht eine Maskenpflicht an Bord faktisch überflüssig. Mund-Nasen-Schutz sieht man lediglich bei der Service-Crew beim Auftragen der Mahlzeiten, wo direkte Nähe unvermeidbar ist.
Einerseits ein wenig albern, andererseits eben konsequent nach den Abstandsregeln ist dagegen die Maskenpflicht im Dinghi. Nachdem man derzeit in Italien die Maske an Land aber ohnehin fast überall benötigt, auch im Freien, macht die Maske auf den kurzen Dinghi-Fahrten auch keinen großen Unterschied mehr.
Man merkt, dass sowohl Passagiere als auch Crew im Laufe der Reise entspannter werden, ohne aber den Respekt voreinander zu verlieren. Natürlich hilft bei der Abstandsdisziplin auch, wenn man jedes einzelne Besatzungsmitglied persönlich kennt und schätzt. Und die negativen Coronatests aller Passagiere sowie die morgendlichen Temperatur-Checks senken das Ansteckungsrisiko so weit, dass es jedenfalls deutlich niedriger ist als zu Hause im Alltag.
Einzig die Handdesinfektion nach Rückkehr von Landgängen hätte ein wenig konsequenter sein können. Doch der Weg zur Kabine und zum Händewaschen ist nur ein paar Schritte weit, sodass hier ebenfalls kein nennenswertes Risiko entsteht.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit
Ein Thema liegt mir in der Kreuzfahrt besonders am Herzen: Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Eine Segelyacht ist in diesem Punkt ohnehin exzellent. Je nach Wind wird ein Teil der Fahrtstrecken bei abgeschaltetem Motor und damit ganz ohne Emissionen absolviert. Lediglich ein Generator für elektrische Energie läuft dauerhaft, hauptsächlich für die Küche und die Klimatisierung der Kabinen.
Seit meiner Reise auf der Rhea vor zwei Jahren hat Sailing Classics aber noch einmal einen großen Schritt gemacht. Einmalplastik habe ich an Bord überhaupt nicht mehr gesehen, Seife ist in Papier verpackt, Strohhalme sind hochwertig aus Edelstahl, Plastikgeschirr gibt es ohnehin nicht. Und jede Kabine hat zwei Alu-Trinkflaschen, die man am Wasserspender im Salon auffüllt.
Für den Antrieb kommt als Kraftstoff relativ schadstoffarmes MGO zum Einsatz. Das Schiff hat eine Abgasreinigungsanlage, die ähnlich wie ein Scrubber funktioniert und die bei diesem Kraftstoff ohnehin geringen Mengen an Schwefeloxid und Ruß weiter reduziert.
Abwasser wird generell in Tanks gesammelt und an Land entsorgt. Trinkwasser produziert die Chronos mit einer Umkehrosmose-Anlage selbst.
Mein persönliches Fazit
Ich versuche erst gar nicht zu verhehlen, wie grandios ich ganz persönlich diese Art des Reisens finde. Die entspannte und familiäre Atmosphäre, ständig an der frischen Luft, keine Entertainment-Druck – das macht Kopf und Seele frei und versetzt einen in kürzester Zeit in eine völlige Entspannung, in der man einfach nur an Deck sitzen (oder liegen), Wind und Wellen genießen und an absolut nichts anderes denken will.
Selten ist es mir auf einer Kreuzfahrt deshalb so schwer gefallen, mich zum Arbeiten aufzuraffen, systematisch die für meine Beiträge benötigten Fotos zu schießen, Bilder zu sortieren und zu bearbeiten, tägliche Blog-Beiträge zu schreiben, Fakten zu recherchieren. Für einen Reisejournalisten ist eine Kreuzfahrt auf der Chronos also zugleich auch ein Intensiv-Training in Arbeitsdisziplin – das ich allerdings sehr gerne absolviert habe.
Wer sich jetzt Arbeiten an Bord der Chronos so vorstellt …
… der liegt daneben. Denn in der Sonne ist am Display des Laptops leider nichts zu erkennen. Dieses Foto haben wir nur spaßeshalber gestellt.
Tatsächlich bin ich zumeist morgens um 6 Uhr an einem Tisch unter dem Sonnensegel gesessen, solange die Sonne noch nicht über die Berge gestiegen ist, das Licht vom Meer noch nicht so stark reflektiert wurde. Da ist sinnvolles Arbeiten, vor allem bei Fotos, noch möglich. Ansonsten eben in der Kabine, wo es dafür ausreichend dunkel ist.
Auf den Punkt gebracht: Kreuzfahrten bergen generell ein hohes Suchtrisiko nach Meer, Wind und Freiheit. Eine Reise auf der Chronos gehört in dieser Kategorie zu den besonders intensiv und schnell süchtig machenden Stoffen …