Mit einem Antrittsbesuch in ihrer namensgebenden Stadt hat die Rotterdam von Holland America Line ihren Dienst aufgenommen. Sie ist das dritte Schiff der Pinnacle-Klasse, das neue Flaggschiff und bereits das siebte Schiff mit diesem Namen in der knapp 150jährigen Geschichte der Reederei.
Ich hatte Ende Oktober die Gelegenheit, für einige Stunden an Bord zu gehen, mir das Schiff anzusehen, nach Unterschieden zur Nieuw Statendam Ausschau zu halten und ein Interview mit dem Präsidenten von Holland America Line, Gus Antorcha, zu führen. Ausführliche Beiträge finden Sie bei cruisetricks.de auch zu den Schwesterschiffen Koningsdam (2016) und Nieuw Statendam (2018).
Themen in diesem Beitrag:
Internationales Schiff mit historischen Wurzeln in den Niederlanden
In vielen Aspekten zeigt sich, wie wichtig für Holland America Line die niederländischen Wurzeln, der früheren Firmenzentrale Rotterdam (das heutige Hotel New York) und der enge Bezug zum niederländischen Königshaus sind: Prinzessin Margriet der Niederlande wird das Schiff im Frühjahr 2022 taufen, sobald es nach seiner ersten Karibik-Saison zurück in Europa ist. Und das Schiff hat eine eigens komponierte Hymne bekommen, ein holländischer Dichter verfasste ein Gedicht für die Rotterdam.

Eigentlich sollte der HAL-Neubau „Ryndam“ heißen. Doch als die Reederei während der Corona-Pandemie die bisherige Rotterdam ausmusterte, war klar, dass dieser traditionsreiche Schiffsname sofort wieder vergeben werden sollte. Also bekam das neue Schiff den Namen „Rotterdam“ – und die selbe Taufpatin wie schon bei der sechsten Rotterdam, welche 1997 ebenfalls von Prinzessin Margriet getauft wurde.
Ein Schiff, das viel zu bieten hat, sich aber nicht in den Vordergrund drängt
In heutigen Maßstäben ist die Rotterdam mit einer Bruttoraumzahl von knapp unter 100.000, einer Länge von 300 Metern und 2.668 Passagieren ein mittelgroßes Schiff, angesiedelt zwischen Massenmarkt und Luxus. In diesem Premium-Segment spielen die Fahrtroute und die Destinationen eine wesentliche Rolle, beinahe so sehr wie bei kleineren Luxus-Schiffen. Zugleich erlauben die Dimensionen der Rotterdam aber mehr Vielfalt der Angebote an Bord bei Entertainment und Restaurants sowie günstigere Preise als zumeist im Luxus-Segment.

Die Rotterdam ist wiederum in diesem Marktsegment ein Schiff, das die Destinationen betont und sich selbst als Schiff eher zurücknimmt und nicht zu sehr in den Vordergrund drängt. Es bietet eine feine und vielfältige Kulinarik, herzlichen und sehr guten Service, sorgt für großartige Abendunterhaltung, will aber nicht selbst der Star der Reise sein.

Ein Blick auf die Konkurrenz zeigt, dass sich die Konzepte in diesem Marktsegment gerade auseinander entwickeln. Vor allem Celebrity Cruises und Holland America Line waren sich früher deutlich ähnlicher. Inzwischen geht Celebrity mit „Modern Luxury“ einen neuen Weg und lässt damit mehr Raum für Holland America Line, die ihrem bisherigen, traditionelleren Konzept treu bleibt und hier ihre Stärken ausbaut.
Entdecker-Charakter und Reiseziele im Vordergrund
Die Rotterdam hat mehr Entdecker-Charakter und Destinations-Orientierung – beides Eigenschaften, die sich im Markt zunehmend auf kleinere, typischerweise teurere Schiffe konzentriert. Dieser besondere Charakter manifestiert sich auf der Rotterdam besonders deutlich im Crow‘s Nest – dem Äquivalent zu den Aussichts-Lounges auf kleineren Kreuzfahrtschiffen, am obersten Deck ganz vorne.

Bei fast allen größeren, neuen Kreuzfahrtschiffen ist dieser Bereich inzwischen verschwunden und beispielsweise exklusiven Suiten-Bereiche gewichen. So etwas wie eine Aussichtslounge gibt es dort schlicht nicht mehr.

Auf der Rotterdam ist das kombinierte „Krähennest“ und Explorations Café, dagegen eine Art gesellschaftlicher Mittelpunkt des Schiffs mit Café und Bar, mit Tageszeitungen, Displays zum Erkunden der Destinationen und Buchen von Landausflügen, gemütlichen Sitzecken und Liegestühlen mit Blick aufs Meer, einem großen Modell des Schiffs sowie einem etwas abgetrennten Raum mit Brett- und Kartenspielen.

Was dagegen nicht so recht zu dieser Ausrichtung passen mag, ist wohl der Optimierung der Passagierkapazität geschuldet: Auf den Pinnacle-Class-Schiffen vermisst man schmerzlich das auf anderen HAL-Schiffen typische, breite Promenadendeck mit Sonnenliegen und Blick aufs Meer. Auf der Rotterdam, ebenso wie auf den Schwesterschiffen Koningsdam und Nieuw Statendam, ist davon nur eine schmale Promenade mit davor hängenden Rettungsbooten übrig.
Design und Ambiente
Beim Design gelingt es Holland America Line auf der Rotterdam, Moderne und Tradition zu vereinen. Das Ambiente ist elegant und heimelig, aber nicht altbacken; an vielen Stellen sehr modern, aber nicht kühl oder erzwungen jung.
Welcher Stil das Ambiente auf der Rotterdam prägt, zeigen am besten einige symbolische Fotos verschiedener Bereiche am Schiff. Sie geben einen besseren Eindruck, als man mit Worten schildern kann.
Abendunterhaltung mit erstklassiger Live-Musik
Wenn es abends dunkel wird und draußen nichts mehr zu sehen ist, bietet Holland America Line auch auf der Rotterdam wieder exzellente Abendunterhaltung – Theater mit Shows auf Spitzenniveau in einem sehr modern ausgestatteten Theater mit Video-Bühnenbild, das in Teilen rund um das gesamte Theater läuft …

… und vor allem mit Live-Musik auf mehreren Bühnen entlang des „Music Walk“: Rock, Blues, Klassik, Billboard-Hits. In dieser Qualität und Vielfalt kommt keine andere Reederei an Holland America Line heran.

Um diese Qualität sicherzustellen, pflegt Holland America Line einige hochkarätige Kooperationen: eine Rock-Band in Kooperation mit dem Rolling Stone; Blues-Musik mit dem B. B. King Blues Club in Memphis; Chart-Hits der vergangenen 50 Jahre mit Billboard.
Klassik ist auf Kreuzfahrtschiffen zunehmend eine Rarität, die HAL mit einer Kooperation mit dem New Yorker Lincoln Center for Performing Arts weiter pflegt.
Essen und Restaurants
Beim Essen ist der Markt auf Kreuzfahrtschiffen gerade im Premium-Segment hart umkämpft. Die Reedereien versuchen sich kontinuierlich gegenseitig zu übertrumpfen, oft mit ständig neuen, wechselnden Sternekoch-Kooperationen und neuen Restaurants. Holland America Line geht auch hier einen etwas anderen Weg und setzt auf hochklassige Kontinuität.

Der in Florida lebende Österreicher Rudi Sodamin ist seit 2005 Consultant Master Chef on Holland America Line und leitet das „Culinary Council“, in dem namhafte Köche das kulinarische Konzept der Reederei entwickeln und prägen. Die Bandbreite des Culinary Councils reicht vom niederländischen Drei-Sterne-Koch Jonnie Boer über Sushi-Meister Andy Matsuda und Chocolatier Jaques Torres bis zur jungen Kristen Kish, Gewinnerin der zehnten Staffel von „Top Chefs“.
Das Ergebnis sind exzellente Restaurants mit jeweils auch hier eher traditionellem Ansatz: Zuzahlungspflichtige Spezialitätenrestaurants bieten französisch-mediterrane Küche in Rudi’s Sel de Mer, asiatisch im Tamarind und im Namu Sushi, amerikanisch geprägt im Steakhaus Pinnacle Grill sowie das Canaletto mit der amerikanischen Variante einer italienischen Trattoria.

Ohne Aufpreis sind das große Hauptrestaurant auf zwei Ebenen mit dem schlichten Namen „Dining Room“ sowie ein Buffet-Restaurant, daneben der Burger-Diner „Dive-in“ und das New York Deli am Pooldeck.
Das ist neu auf der Rotterdam
Gäbe es auf der Rotterdam umfänglichere Neuerungen im Vergleich zur Nieuw Statendam, hätte ich dieses Kapitel weiter nach oben gerückt.
Aber so bleiben dazu nur einige, wenige Anmerkungen – durchaus ein positives Zeichen dafür, dass für diese Schiffsklasse wenig Optimierungsbedarf besteht.
Club Orange Restaurant
Neu gestaltet wurde das Restaurant für „Club Orange“-Passagiere. Club Orange ist ein Angebot von HAL, bei dem der Passagier zusätzliche Leistungen gegen Aufpreis erhält, von Concierge-Service über Priorität beim Boarding und Restaurant-Reservierungen bis hin zu diesem exklusiven Restaurant.

Hatte das Club-Orange-Restaurant auf der Nieuw Statendam noch eher den optischen Charakter eines Buffet-Restaurants, sehr hell, mit Holzboden und Milchglas-Trennwand nach außen, wirkt es auf der Rotterdam nun deutlich eleganter mit holzvertäfelter Wand und Teppichboden.
Half Moon Bar statt Blend
Verschwunden ist auf der Rotterdam die Weinprobe-Ecke „Blend“ direkt neben dem Club-Orange-Restaurant. Obwohl hier neben Weinproben auch reizvolle Seminare stattfanden, in denen Passagier lernten, ihr eigenes Cuvée zu mischen, blieb dieser Bereich an attraktiver Stelle am Schiff nahe des Atriums doch die meiste Zeit ungenutzt.
An dessen Stelle ist auf der Rotterdam die Half Moon Bar getreten – eine hübsche Bar mit Tresen für einen Cocktail vor dem Dinner …

…die auch einige Tische entlang des Gangs neben dem Restaurant mit Blick aufs Meer bedient.

Bibliothek statt Digital Workshop
Nach Auslaufen einer Kooperation mit Microsoft gibt es auf der Rotterdam auch den „Digital Workshop“ nicht mehr, der damit verbunden war. Statt Computer- und Digitalkamera-Seminaren gibt es an dieser Stelle auf Deck 2 vorne auf der Rotterdam nun eine Bibliothek.

Treppenhäuser als Museum
Inzwischen auf vielen Kreuzfahrtschiffen anzutreffen, setzt Holland America Line diese Idee besonders konsequent um: Jedes der drei Treppenhäuser hat ein eigenes Thema, dem die Kunstwerke dort gewidmet sind, nämlich Gemälde oder Collagen an den Treppenabsätzen und Skulpturen oder Installationen auf der Fläche zwischen den Aufzügen.

Auf der Rotterdam ist das Thema im vorderen Treppenhaus „Zoologie“, in der Mitte „Musik“ und im hinteren Treppenhaus „Architektur“. Da lohnt es sich durchaus einmal, während der Kreuzfahrt die Treppen auf- und abzulaufen und quasi als Museum zu besuchen.
Wobei sich Kunstwerke an Bord nicht auf die Treppenhäuser beschränken und schöne Werke auch an anderen Stellen zu sehen sind, am auffälligsten im Atrium in Form der zentralen, spiralförmigen Skulptur über drei Decks.

Und auch eine weitere Besonderheit von Holland America Line kann man durchaus als Kunst sehen: der aufwendige Blumenschmuck.

Fazit
Ehrlicherweise ist anzumerken, dass vieles der Analyse in diesem Beitrag vor allem auf Erfahrungen aus der Zeit vor der Pandemie basiert – unter anderem auf der Koningsdam und zuletzt der Nieuw Statendam. Das allerdings hat sich durch den Eindruck bestätigt, den ich bei meinem Besuch auf der Rotterdam am 15. Oktober 2021 gewonnen habe.

Besonders beeindruckt hat mich dabei der Enthusiasmus und die Freundlichkeit der Crew. Ich habe in den vergangenen Monaten einige Schiffe kurz nach ihrem Neustart erlebt und überall ist die Crew hoch motiviert, der Service besser und freundlicher, als man das aus der Zeit vor der Pandemie kannte. Aber auf der Rotterdam habe ich diese Aufbruchstimmung nach der schwierigen Pandemie-Zeit noch einmal merklich positiver erlebt.

Die Rotterdam – und das Konzept von Holland America Line – ist gut geeignet für Kreuzfahrer, die Wert auf Komfort legen, aber keinen Bedarf an weiterer Steigerung in den Luxusbereich haben, die es lieber etwas traditioneller mögen und für die das Fahrtgebiet, die Destinationen einen hohen Stellenwert haben.

Durch die holländischen Wurzeln, die Holland America Line pflegt und lebt, ist das Ambiente etwas europäischer als bei anderen US-amerikanischen Kreuzfahrt-Reedereien, insbesondere bei Reisen in Europa. Hinzu kommt die niederländische Flagge der Schiffe und auch unter den Offizieren finden sich zahlreiche Niederländer.

Der traditionsreiche Markenname, Holland America Line, trifft den Charakter der Reederei nach wie vor sehr gut. Ich persönlich fühle mich, das sei als ganz subjektive Anmerkung erlaubt, bei HAL sehr wohl, vor allem auch wegen des auch im Hauptrestaurant sehr feinen, aber nicht exaltierten Essens und der vielfältigen Live-Musik.