Al’Ula im Nordwesten Saudi-Arabiens liegt auf knapp 700 Höhenmetern in einer alten Oase mitten in der Wüstenlandschaft des Hijaz-Gebirges. Vom Hafen in Dschidda, wo die MSC Splendida anlegt, würde eine Autofahrt nach Al’Ula mehr als sieben Stunden dauern – wir fahren stattdessen mit dem Bus eine Stunde zum Flughafen und fliegen etwa eine weitere Stunde bis Al’Ula.
Die Region hat eine reiche Geschichte, die bis in die vorislamische Zeit zurückreicht, und war ein wichtiges Zentrum für Handel und Gewerbe. Umgeben ist die Stadt von zerklüfteten Bergen und Schluchten.
Eine der Hauptattraktionen in Al’Ula ist die antike Stadt Hegra, auch unter dem Namen Mada’in Saleh bekannt. Erneut begegnet uns hier das antike Volk der Nabatäer, denn Hegra war neben Petra deren zweitwichtigste Stadt.
Die Felsenstadt und Weltkulturerbe Hegra
Die Sehenswürdigkeiten von Hegra sind über eine große Fläche verteilt und anders als Petra nicht zu Fuß zu erschließen. Von Petra unterscheidet sich Hegra auch dadurch, dass die Felsen aus der Wüstenebene herausragen, während Petra sich tief in Bergschluchten versteckt.
Auf unserem Ausflug fahren wir mit dem Bus durch die beeindruckende Wüstenlandschaft, durchsetzt mit monumentalen roten Felsen in bizarren und oft an Tiere oder Figuren erinnernden Formen.
Wir stoppen in Hegra an zwei Stellen: an einem großen, mit zahlreichen, aus dem Fels gehauen Grabmälern, Jabal Al’Banat, sowie am grössten und zugleich unvollendeten Grabmal von Lihyan, in dem der Erbauer letztlich nie begraben würde – warum genau, weiß man nicht.
Das Grab von Lihyan wird wegen seiner Entfernung zu den anderen Gräbern auch Qasr al-Farid genannt wird, was in etwa „einsames Schloss“ bedeutet.
Fast 2.000 Jahre war Hegra nahezu vollkommen unberührt geblieben. Erst nachdem Saudi-Arabien im September 2019 begonnen hat, sich für Tourismus als zweites, finanzielles Standbein neben dem Öl zu öffnen, ist Hegra nun seit 2020 überhaupt erst für Touristen nun zugänglich. Davor waren der Zugang zu Hegra für Ausländer nur mit Sondergenehmigung möglich, sodass jährlich weniger als 1.000 ausländische Besucher hierherkamen.
Hegra ist eine der bedeutendsten archäologischen Stätten der Region und erinnert in vieler Hinsicht an Petra. 2008 nahm die Unesco Hegra in die Liste des Weltkulturerbe auf, als erste Stätte in Saudi Arabien. In der Stadt gibt es über 100 gut erhaltener, in den Fels gehauener und reich verzierte Monumentalgräber, die aus der Zeit der Nabatäer stammen.
Die Monumentalgräber in Hegra sind wie in Petra von der klassischen griechischen und römischen Architektur geprägt, tragen beispielsweise viele der mit Kapitälchen verzierten Säulen einen dreieckigen Giebel über dem Eingang.
Sphinxen, Adler und Greife mit ausgebreiteten Flügeln, wichtige Symbole in der griechischen, römischen, ägyptischen und persischen Kultur, schweben drohend über den Eingängen der Gräber, um sie vor Eindringlingen zu schützen. Andere werden von Medusa-ähnlichen Masken bewacht.
Elephant Rock – ein Felsen, der wie ein Elephant aussieht
Anders als die aus den Felsen gehauen Grabmäler von Hegra hat sich die Form des Elephant Rock, gar nicht weit entfernt von Hegra, auf natürliche Weise durch Erosion gebildet.
Wie groß der Elephant Rock ist, nimmt man in der weitläufigen Wüstenlandschaft erst wahr, wenn man direkt davor steht und die in Relation winzigen Menschen davor sieht.
Die Inszenierung dieses riesigen Felsens gelingt auf eine ganz großartige Weise, mit einer Lounge-artigen Umgebung, einer (alkoholfreien) Bar, im Wüstenboden vertieften Sitzgruppen und einer Untermalung mit sanfter, dezenter, arabischer Musik, die von überall her kommt und weich in der Luft zu schweben scheint.
Aus einem einfachen Fotostopp wird so ein stimmungsvolles Erlebnis eines Felsbrockens in der Wüste, der eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Elefanten hat.
Freilichtmuseum: die Altstadt von Al’Ula
Die historische Altstadt von Al’Ula besteht in wesentlichen Teilen aus verfallen Ruinen. Eine lange Straßenzeile jedoch wurde wiederaufgebaut und mit hübschen, kleinen Souvenir- und Kunsthandwerksläden belebt.
Was diesem Ensemble fehlt, das wie ein Freilichtmuseum vor der beeindruckenden Kulisse der roten Felsen rund um Al’Ula wirkt, ist ein wenig mehr Leben auf der Straße. Es müssen einfach noch mehr Touristen ihren Weg hierher finden …
Wirklich liebenswert und so ganz anders als in vielen arabischen Ländern sind die Menschen hier. Nirgendwo wird man zu Bakschisch genötigt oder auch nur zum Kauf von Souvenirs angesprochen oder gar gedrängt. Vielmehr kann man sich nett mit Einheimischen auf der Straße oder den Verkäuferinnen in den Shops der Altstadt unterhalten, viele sprechen gutes Englisch. Und wenn nicht, klappt die Verständigung trotzdem irgendwie, wenn man beispielsweise fragen will, ob man ein Foto machen darf.
Tourismus in einer frühen Phase erleben
Es ist faszinierend zu beobachten, wie in Saudi-Arabien der Tourismus gerade ganz neu entsteht: An manchen Stellen wie dem Elephant Rock ist das bereits perfekt inszeniert. Die museumsartige, historische Altstadt von Al’Ula ist schön gestaltet, aber noch nicht so richtig mit Leben gefüllt. An anderer Stelle fehlt offenbar noch ein wenig die Erfahrung im Umgang mit Urlaubern und ihren Wünschen.
Was – zumindest auf unserer Tour – etwas fehlte, war ein Guide, der einem das für uns ja gänzlich unbekannte Land, seine Kultur, auch die rasanten Veränderungen Saudi-Arabiens der vergangenen Jahre näher bringen und einordnen würde. Das ist ein wesentlicher Aspekt, bei dem den Saudis offenbar noch die Erfahrung mit Tourismus fehlt. Auch die Englischkenntnisse unserer ansonsten sehr liebenswerten Führerin waren eher nicht geeignet, Geschichten und Hintergründe zu erzählen.
Die Menschen, die uns bei unserem Ausflug nach Al’Ula und Hegra begegnen, sind liebenswert, aufgeschlossen, sehr freundlich. Das Mittagessen in einem Hotel-Garten unter Dattelpalmen in Al’Ula besteht aus feiner, landestypischer Küche und die arabischen Desserts verleiten dazu, viel zu viel davon zu naschen.
Ob sich der mit über zwölf Stunden sehr lange und wegen des gut einstündigen Flugs von Jeddah nach Al’Ula mit 599 Euro auch ziemlich teuren Ausflug lohnt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Letztlich hängt das auch davon ab, ob man sich, wie ich, dafür begeistern kann, die Anfänge des Tourismus auch mit seinen Schwächen hier mitzuerleben.
Und Hegra ist Unesco-Weltkulturerbe, also auch ein Ort für „Sammler“ – sehr sehenswert, monumental, faszinierend, aber im Rahmen eines Ausflugs vom Kreuzfahrtschiff im Hafen von Jeddah eben auch mit großem Aufwand verbunden.