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Traditionelle Schiffsglocke und kreativer Zeitvertreib

Die Queen Mary 2 schneidet elegant durch die sanfte Dünung, rollt ein ganz wenig und gelegentliche Vibrationen sind gerade stark genug, dass man sich sicher ist, auf einem Schiff unterwegs zu sein. Morgens neblig, tagsüber wolkig bläst ein kräftiger Wind und zaubert Schaumkrönchen auf die Wellen.

Am zweiten Tag der Atlantik-Überquerung mit der QM2 beginnen wir, uns an den gemächlichen Tagesablauf zu gewöhnen, schalten einen Ganz zurück, lassen den Tag laufen, wie es kommt, ohne Wecker, ohne konkrete Pläne, in den Tag hinein leben. Statt der Zeit hinterher zu rennen, widmen wir uns dem Zeitvertreib (dazu gleich noch etwas mehr …).

Wir drehen einige Runden am Promenadendeck, kämpfen an Steuerbord gegen den Wind an, und versuchen uns an Backbord vom Wind nicht aus der Spur blasen zu lassen. Aber selbst bei meinen kurzen Haaren sieht man auf dem Selfie, wie stark der Wind einem durch die Haare fährt.

am Promenadendeck
am Promenadendeck

Wir werfen im Vorbeilaufen einen kurzen Blick auf das Observation Deck vorne auf Deck 7, aber der Wind ist heute zu stark, um dort länger als ein, zwei Minuten zu stehen.

Observation Deck am Bug
Observation Deck am Bug
Blick auf de Brücke
Blick auf de Brücke

Eine Weile schauen wir bei einer öffentlichen Probe des English National Ballet im Theater der Queen Mary 2 zu und lassen uns von faszinierenden Bewegungen und unglaublicher Körperbeherrschung der Tänzer und Tänzerinnen beeindrucken.

„Eight Bells“ und Planetarium

Eine Institution ist „Eight Bells“, wenn mittags um 12 Uhr in der Grand Lobby die Schiffsglocke achtmal angeschlagen wird – eine alte Tradition, die früher einmal den Schichtwechsel angekündigt hatte.

Für den Nachmittag haben wir (kostenlose) Tickets für die „Dark Universe“-Show im Planetarium. Die Queen Mary 2 hat quasi zwei Theater, das Royal Court Theatre sowie das Illuminations. In letzterem lässt sich aus der Decke eine Leinwandkuppel herabfahren, die als Projektionsfläche für das Planetarium dient – sehr beeindrucken.

Planetarium
Planetarium

Pflichtprogramm: Fitness-Studio

Pflichtprogramm ist jeden Tag ein Besuch im Fitness-Studio und anschließend Entspannung im Thalasso-Pool des Spa.

Fun Fact: Fitness-Studios und Sport auf Ocean Linern kam offenbar groß in Mode, nachdem Hapag 1909 proklamierte, Seekrankheit ließe sich durch körperliche Aktivität drastisch reduzieren (Quelle: The Only Way to Cross“, John Maxtone-Graham). Deck-Spiele, ausgedehnte Spaziergänge am Promenadendeck und eben auch Fitness-Studios wurden populär. Und damit begann wohl auch die konstanten Animositäten zwischen denjenigen Passagieren, die ihre ausgedehnten Märsche (heute: Jogging) an Deck durchziehen wollten, und denjenigen, die ebendort in den Liegestühlen ihre Ruhe haben wollen.

Cocktails im Chart Room
Cocktails im Chart Room

Vor dem Dinner probieren wir an der Bar des Chart Room einen richtig feinen Cocktail probiert und später im Commodore Club einen Gin & Tonic mit dem speziellen Queen Mary 2 Gin getestet.

Zeitumstellung und Zeitvertreib auf See

Die Queen Mary 2 fährt westwärts über den Atlantik, sodass wir bis New York fünf Zeitzonen durchqueren. Anfangs stellen wir deshalb jede Nacht die Uhr eine Stunde zurück. In Ost-Richtung von New York nach Southampton passiert die Zeitumstellung übrigens mittags – so verliert man zwar eine Stunde tagsüber, aber nicht zum Schlafen in der Nacht.

Uhr am Pavilion Pool der Queen Mary 2
Uhr am Pavilion Pool der Queen Mary 2

Was dabei auffällt: Auf der Queen Mary 2 gibt es sehr viele Uhren, überall in den öffentlichen Bereichen, an den Pool, auf den Außendecks – bei den vielen Zeitumstellungen, die bei regelmäßigen „Crossings“ nötig sind, ist das sehr praktisch, um nicht irgendwann einmal eine der Zeitwechsel zu verschlafen.

Thomas Mann erwähnt in seiner Reisebeschreibung übrigens das Procedere der Zeitumstellung, das zu seiner Zeit noch deutlich umständlicher gehandhabt wurde: „Täglich hält die schwarze Tafel uns an, unsere Uhren um eine halbe Stunde bis vierzig Minuten, neununddreißig waren es gestern, zurückzustellen. Offiziell geschieht das um Mitternacht, aber wir vollziehen den bedeutenden Akt schon bald nach dem Diner, so dass, wenn uns die Nacht nicht allzu lang werden soll, sich unser Abend verlängert und wir bei Musik und Lektüre ein Stück schon verlebter Zeit repetieren.“

Zeitvertreib – heutzutage ein seltsamer Begriff

Sechs Tage und sieben Nächte auf See: Macht man sich zum ersten Mal auf eine Transatlantik-Passage, stellt sich da unweigerlich die Frage: Was macht man da eigentlich den ganzen Tag lang? Und da kommt ein Begriff ins Spiel, der altmodisch klingt, ja in unserem Alltag weitgehend in Vergessenheit geraten ist: Zeitvertreib.

Liest man dagegen die historischen Briefe und Tagebücher von Passagieren auf Ocean Liner bei einer Atlantik-Überquerung, findet man das Wort „Zeitvertreib“ immer wieder. Die Zeit zu vertreiben, ist in heutiger Zeit ein seltsamer Begriff. Der Alltag lässt uns längst keine überflüssige Zeit mehr, die zu vertreiben wären. Eher sehnt man sich nach einem Stillstand, nach extra Zeit, um wieder einmal aufholen zu können. Wer käme da schon auf die Idee, Zeit – ob sich oder anderen – auch noch zu vertreiben?

Doch eine Transatlantik-Reise gibt einem sehr viel freie Zeit, die man nicht mit Alltagshektik füllen kann. Das macht einen zu Beginn der Reise ein wenig nervös und rastlos, geht aber schnell in das wohlige Gefühl über, nichts tun zu müssen. Sich im wahrsten Sinne des Wortes die Zeit vertreiben zu dürfen mit Nichtstun und anderen Dingen, für die sonst kaum Zeit bleibt.

Heute bieten Schiffe umfangreiches Programm, damit den Passagieren nicht langweilig wird. Vieles davon würden wir zu Hause wahrscheinlich nie tun, aber hier? Es macht richtig Spaß, auch einfach mal etwas Sinnloses zu machen, einfach nur, weil man kann.

Golf-Abschlag am Sun Deck
Golf-Abschlag am Sun Deck

Die Queen Mary 2 bietet eine enorme Vielfalt, vom Golfsimulator und Deckspielen wie – natürlich – Shuffleboard, Sandsäckchen-Werfen und andere über Puzzles und Brettspielen bis zu Bridge-Kursen, Tanzunterricht, …

Zumba im Queens Room
Zumba im Queens Room

… Aquarell-Malkurs, Bridge-Seminar, gemeinsames Sticken, Stricken und Häkeln, ein Spielkasino mit nettem Monte-Carlo-Ambiente, Planetarium, Vorträge, eine riesige Bibliothek mit über 1.000 Büchern, Cocktail- und Wein-Tastings.

Aquarell-Malkurs
Aquarell-Malkurs

Sogar ein Museum hat die Queen Mary 2: „Maritime Quest“ zeigt die Geschichte von Cunard, unterstützt mit interaktiven Displays und einem Audio-Guide, den man an der Rezeption ausleihen kann.

"MAritime Quest"-Bordmuseum
„Maritime Quest“-Bordmuseum

Was sagen meine historischen Protagonisten zum Thema „Zeitvertreib“?

René Goscinny beschreibt das auf Schiffen als Zeitvertreib zeitweise sehr beliebte Pferderennen und das bis heute weit verbreitete Bingo und kommentiert: „Das alles ist sehr charmant, sehr altmodisch, und es ist lustig zu sehen, wie die Leute bereitwillig einem Vergnügen frönen, das sie an Land niemals interessieren würde. Versuchen Sie mal, solche Spiele zu Hause einzuführen und ihre Freunde dazu einzuladen – alle werden schreiend davonrennen.“

Es ist faszinierend, aber ganz ähnlich ist es heute immer noch. Vielleicht aus purem Vergnügen am Sinnlosen in einer sonst so durchorganisierten, von Pragmatismus und Zielerfüllung geprägten Arbeitswelt.

Zeitvertreib auf Ocean Linern: eher Bekämpfung von Langweile

Ganz anders stellt sich das zu Zeiten der Ocean Liner dar, denn eine Atlantik-Überquerung stand unter ganz anderen Vorzeichen: Wer von Europa nach Amerika wollte, musste das Schiff nehmen, denn Flugzeuge gab es ja noch nicht oder waren sehr teuer. Die Ocean Liner waren schlicht Verkehrsmittel für Reisen von A nach B, wenn auch sehr mondäne und glamouröse. Dennoch: Aus reinem Vergnügen gingen die wenigsten aufs Schiff.

Winston Churchill war Stammgast auf der Queen Mary, war insgesamt aber auf mindestens 15 verschiedenen Ocean Liner unterwegs – zum ersten Mal im November 1895 an Bord von Cunards „Etruria“ nach New York. In einem Brief an seine Mutter schrieb er damals: „Ich denke nicht daran, jemals eine Seereise zum Vergnügen zu unternehmen. Ich werde die Reisen auf dem Seeweg immer als notwendiges Übel betrachten, das ich zur Durchführung eines konkreten Plans ertragen muss“.

Nichtsdestotrotz bedankte er sich 1949 nach zwei Reisen mit der Queen Elizabeth und der Queen Mary in einem Brief an einen Direktor der Cunard-White Star Line mit den Worten: „Ich kann Ihnen nicht genug danken für all die Freundlichkeit und Höflichkeit, mit der man mich an Bord der ‚Queens‘ behandelt hat.“

Und Thomas Mann wundert sich über die Reiselektüre seiner Mitreisenden: „Die Meinung ist weitverbreitet, was man auf Reisen lese, müsse vom Leichtesten und Seichtesten sein, dummer Zeug, das ‚die Zeit vertreibe‘. Ich habe das niemals verstanden. Denn abgesehen davon, dass sogenannte Unterhaltungslektüre zweifellos die langweiligste auf Erden ist, will mir nicht eingehen, warum man gerade bei so festlich-ernster Gelegenheit, wie eine Reise sie darstellt, unter seine geistigen Gewohnheiten hinabgehen und sich aufs Alberne verlegen sollte.“

Da er jedoch Respekt vor der Atlantik-Überquerung habe, sei es recht und angemessen, auch die Lektüre zu achten, die sie begleiten solle. Also nahm Thomas Mann „Don Quijote“ mit auf diese Reise.

Anmerkung*: Cruisetricks.de fährt auf der Queen Mary 2 auf Einladung von Cunard Line.
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Cruisetricks.de fährt auf der Queen Mary 2 auf Einladung von Cunard Line.

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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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