Es ist der 14. August – ich habe Geburtstag. Eigentlich feiere ich lieber zu Hause, nämlich ganz unaufgeregt und in Ruhe. Aber der Termin ist nunmal auf diese Reise gefallen, also genieße ich den kleinen Rummel: Torte und „Happy Birthday“ der Kellner und Mitreisenden.
Auf der Queen Mary 2 fühlt sich das am Gala-Abend besonders elegant an. Die Passagiere tragen Smoking oder Dinner Jackets, die Damen elegante Abendkleider oder „Kleine Schwarze“, die Atmosphäre ist da schon ziemlich besonders.
René Goscinny, mit dem ich den Geburtstag, 14. August, nicht aber das Geburtsjahr teile, beschreibt die Geburtstagsszene an Bord so: „Wer das Glück hat, seinen Geburtstag an Bord zu feiern, kann damit rechnen, dass ihm der traditionelle Kuchen mit Kerze überreicht wird. Die Kerze muss er ausblasen, die Tischgesellschaft bekommt nichts vom Kuchen ab, muss aber applaudieren und ‚Happy Birthday‘ singen, und der Kapitän geht so weit, dem Gefeierten die Hand zu drücken.“
Die Kerze entfällt am Schiff sinnvollerweise aus Sicherheitsgründen. Schließlich will ich mit meinem Geburtstag auch nicht an einem Brand an Bord schuld sein … Und der Kapitän kam auch nicht zur gratulieren, was mich aber nicht in Depressionen stürzt. Und meine Mitreisenden bekommen selbstverständlich etwas vom Kuchen ab, auch wenn sich das Interesse daran – trotz sehr leckeren Kuchens – ziemlich in Grenzen hält nach einem ausgiebigen Gala-Dinner.
Ein Geburtstag wurde damals auch bei Mark Twains Reise an Bord gefeiert, was ihn aber nicht sonderlich beeindruckt zu haben scheint, denn er beschreibt es in nur einem einzigen, knappen Satz: „Wir haben den Geburtstag eine Dame gefeiert mit Trinksprüchen, Reden, einen Gedicht und so weiter.“ Er war auf einem sehr kleinen Schiff unterwegs, da kennen sich die Passagiere untereinander fast alle.
Auf der Queen Mary 2 mit – auf dieser Reise – 2.570 Passagieren gibt’s dagegen jeden Abend gleich in mehreren Ecken des Restaurants einen Geburtstag oder einen runden Hochzeitstag. Eine liebenswerte Tradition ist der Geburtstagskuchen allemal. Jetzt steht mehr als die Hälfte des Kuchens in der Minibar in der Kabine und wartet auf schrittweisen Verzehr …
Galley-Führung mit Executive Chef Klaus Kremer
Ganz ohne Zusammenhang mit meinem Geburtstag, aber ein willkommenes Zusammentreffen ist die Küchenführung mit dem wunderbaren Klaus Kremer, Executive Chef auf der Queen Mary 2. Seit 31 Jahren kocht er auf Kreuzfahrtschiffen, seit vielen Jahren auf der Queen Mary 2. Und wir genießen gerade jeden Tag seine Kochkunst.
Ein Interview, das wir mit Klaus Kremer geführt haben, gibt’s auf unserem Schwesterblog Cook & Taste.
Eine britische Institution: Afternoon Tea
Auf einem britischen Schiff darf eines natürlich nicht fehlen: der traditionelle Afternoon Tea. Cunard zelebriert das auf der Queen Mary 2 mit Kellnern in weißen Handschuhen, klassischen Sandwiches, süßen Häppchen, Cones mit Clotted Cream und natürlich leuchtend gelb-orangem Tee aus großen Silberkannen. Dazu gibt’s Harfen-Musik live.
Diesen Afternoon Tea muss man einfach einmal erlebt haben.
Ballett-Abend mit dem English National Ballet
Premieren-Abend auf der Queen Mary 2: Auf dieser Reise ist erstmals das English National Ballet für eine Art Themenreise an Bord. Es gibt Interviews und Gesprächsrunden, Workshops für Tanztechnik und Ausdauer, öffentliche Proben zum Zuschauen und heute Abend die Queen-Mary-2-Premiere mit einigen klassischen und modernen Ballett-Stücken. Fotografieren ist während der Aufführung strikt verboten – daran habe ich mich natürlich gehalten und erst beim Schlussapplaus fotografiert …
Ich gestehe, ich war zuletzt vor über 30 Jahren in einer Ballett-Aufführung. Aber was ich da gesehen habe, ist tief beeindruckend. So viel Körperbeherrschung, Ausdruckskraft in Ästhetik ist sehr faszinierend, ganz unabhängig davon, ob man mit Ballett grundsätzlich viel anfangen kann oder nicht. Es ist eines dieser Erlebnisse, die man nur auf einem Schiff hat – weil es angeboten wird und man die Zeit dazu hat, sieht man es sich an und lässt sich überraschen.
Der Blick bis zum Horizont – und die unterschiedlichen Emotionen dabei
Auf jeder Transatlantik-Schiffsreise kommt der Moment, wo man gedanklich angekommen ist, die Alltagshektik zurück gelassen hat und ausdauernd in einem Sessel mit Blick aufs Meer sitzen und nichts tun kann, ohne dabei das nervöse Gefühl zu haben, etwas zu verpassen oder dringend etwas erledigen zu müssen.
Fasziniert hat mich beim Lesen von Thomas Manns Reisetagebuch, wie ernüchtert er über sein Erlebnis des Meeres vom Schiff aus schreibt: „Es ist mir nicht neu, dass mir das Meer, vom Schiff aus erlebt, in seiner Kreisvollendung, bei weitem nicht den Eindruck macht wie vom Strande. Die Begeisterung, die sein heiliger Anprall an die Feste mir erregt, auf der ich stehe, bleibt aus. Es ist eine Entzauberung, die offenbar auf der Ernüchterung des Elementes zur Fahrbahn und Reisestraße beruht, wobei sein Charakter als Schaubild, Traum, Idee, geistiger Ewigkeitsdurchblick verliert und zur Umgebung wird. (…) Keiner Illusion ist es zuträglich, praktisch intim mit ihr zu werden – auch wenn die Praxis durch so viel schamerregend schützenden Komfort herabgesetzt ist, wie ihn ein Luxusdampfer gewährt.“
Ich persönlich empfinde es genau anders herum, vor allem bei einer Transatlantik-Reise. Vielleicht liegt das daran, dass ich nicht an der Küste aufgewachsen bin und auch im Urlaub nie viel mit Strand anfangen konnte.
Auf dem Meer – erst Recht während einer Atlantik-Überquerung, tagelang ohne Land in Sicht – zieht mich die Weite des Ozeans in ihren Bann. Nichts um mich herum zu haben als Meer, Sonne und Wolken, den Wind im Gesicht, nachts den Mond und die Sterne – das gibt mir ein kaum zu beschreibendes Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit.
Mit Isabella L. Bird liefert ausgerechnet die einzige Frau unter meiner historischen Protagonisten eine nüchterne Beschreibung der Emotionen an Bord liefert: „Man könnte erwarten, dass diejenigen, welche zum ersten Mal den Atlantik in Richtung Westen überquerten, ein gewisses Maß an Aufregung aufkommen würden und dass Bedauern zu den Gefühlen gehören würde, wenn man die Küste Englands zu einer verblassenden Wolke am Horizont würde. Aber bald überkam Vergessen den Verstand der meisten Passagiere und ein dumpfes Gefühl von Abscheu übernahm, zuerst gegenüber Lebensmitteln, dann gegenüber denjenigen, die noch Nahrung zu sich nehmen konnten und schließlich gegenüber allem, was mit dem Meer zu tun hatte. Glücklicherweise dauerte dieser Zustand nur zwei Tage, da das Wetter sehr ruhig war.“
In dieser Hinsicht haben wir freilich ebenso Glück wie auch die Technik auf unserer Seite: Robust und sehr lang für genau den Zweck des „Crossings“ als Ocean Liner gebaut, schneidet die Queen Mary 2 stabil durch die bislang allerdings auch nur sehr niedrigen Wellen. Höchstens zwei bis drei Meter sind uns bislang begegnet und die Prognosen für die restliche Reise sehen bislang ebenfalls gut aus. Zur Not würden auch die Stabilisatoren helfen.
Bei Egon Erwin Kisch könnte man fast meinen, es interessiere sich gleich überhaupt niemand auch nur irgendwie für das grandiose Schauspiel des Meeres bis zum Horizont, das es an Deck zu erleben gibt: „Muntere Mädchen, anscheinend fünfzehn bis siebzehn Jahre alt, hüpften über alles Schiffsgerät und turnten auf der Reling, die Röcke wehen und die Höschen sehen lassend. Ernste Männer würfelten im Rauchzimmer bei Gin, Brandy, Whisky und Cocktails. Damen spielten im Aufenthaltsraum Klavier, dass es eine Art hatte, manchmal sang jemand dazu oder tanzte gar. Jüngere Leute schrieben in ihr Tagebuch die Stunde der Abfahrt ein und notierten vor einer Tafel, dass das Schiff heute 487 englische Meilen zurückgelegt habe. Am Mittagstisch unterhielt man sich und wusste alsbald von jedem Mitreisenden, ob er nach St. Louis oder nach Philadelphia fahre und die wievielte seiner Seereisen es sei.“
Meine Lieblingsplätze auf der Queen Mary 2
Diese Beschreibung Kischs erinnert schon sehr viel mehr an die gelöste und entspannt Atmosphäre auch an Bord der Queen Mary 2. Meine Lieblingsplätze haben ich jedenfalls längst gefunden: Der Commodore Club ist tagsüber ein stiller Raum, in dem ich in Ruhe meine täglichen Blog-Beiträge schreiben kann und ansonsten den Blick direkt nach vorne fast identische mit dem des Kapitäns genießen kann – die Brücke liegt genau unter dem Commodore Club.
Abends gibt’s hier an der langen Bar recht ausgefallene, besondere Cocktails. Der Barpianist spielt alte Songs von Ragtime bis Sinatra, als gebe es für ein paar Stunden lang die moderne Welt überhaupt nicht.
Mein Favorit auf allen Schiffen – oder den wenigen, die das noch haben – ist das Promenadendeck und auf der Queen Mary 2 ist das besonders ausgeprägt: mit Teakholz, mit viel Platz, an sonnigen Tagen mit weichen Auflagen auf den klassischen Holz-Liegestühlen. Und auf dem Promenadendeck kann man rund ums Schiff laufen, was viele Mitreisenden vor allem morgens gerne tun. Ob Jogging, Powerwalking oder gemächlicher Spaziergang: Hier kann man sich den Wind um die Nase blasen lassen und die frische, salzige Luft in tiefen Atemzügen in sich aufsaugen.
Alle paar Jahre versuchen wir, eine Transatlantik-Kreuzfahrt zu machen – und nichts entschleunigt einen so schnell wie ein Schiff, erst recht, wenn man nicht jeden Abend überlegen „muß“, was der nächste Tag wohl für Erlebnisse bringt. Man kann sich wirklich treiben lassen, die schwerste Entscheidung ist die, welches Restaurant man abends besuchen will.
Entspannung pur. Zeit, ohne Schuldbewußtsein zu lesen, zu faulenzen, einfach nur den Blick schweifen zu lassen.
Was das Promenadendeck angeht (aber auch andere Einrichtungen) kann die Coral Princess eine gewisse Verwandtschaft zur QM2 nicht leugnen:
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Was allerdings auch daran liegen könnte, dass beide Schiffe bei der gleichen Werft (Chantiers de l’Atlantique) fast gleichzeitig gebaut wurden.
Erst mal alles Gute zum Geburtstag nachträglich, Franz!
Fr mich klingt die Kombination traumhaft – man hat Geburtsag und ist weit genug weg, um seine Ruhe zu haben. Herrlich!
Als ich (während meiner ersten Kreuzfahrt) Geburtstag hatte, gab es lediglich eine Grußkarte auf die Kabine – allerdings hat auch keiner meiner Mitreisenden es im Restaurant an die große Glocke gehängt. (Woher sollen es beim Buffetrestaurantkonzept von AIDA die Kellner sonst wissen.) Allerdings habe ich (entweder auf der gleichen oder der folgenden Tour) gesehen, daß es durchaus Möglichkeiten gibt, den Geburtstagskuchen im Kerzenschein erstrahlen zu lassen – mit batteriebetriebenen LED-Kerzen. Ist natürlich nicht ganz „wie echt“, aber doch nah genug dran und ausreichend sicher für das Schiff. ;-) Ich vermute aber, die LED-kerzen hatten die Gäste selbst mitgebracht.
Glückwunsch zum Geburtstag. an Franz N.
Und das auf der “ Königin “ !
Schöne Beschreibung .
Es ist doch was Besonderes , auf diesem Schiff mitzureisen, immer noch.
Genau die Orte auf dem Schiff, Commodore Club, Rundum -Promenade , Tea-Time gefallen mir auch.
Und noch vieles mehr.
Aber die Reise ist ja noch nicht zu Ende.
Gruß
Alfred Kraus
Ich habe zusammen mit der Familie meinen 50igsten Geburtstag auf der QM2 gefeiert. Es war der schönste Geburtstag meines Lebens. Wir gönnen uns jährlich eine Kurzreise in einer Queens Suite, einfach herrlicher Luxus!