Die Infos zur Ausschiffung liegen am Bett. Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Reise bald zu Ende geht. Aber zwei Tage haben wir noch und heute ist noch einmal Gala-Abend, auf der Speisekarte stehen Kaviar und Hummer, in der Queen Lounge findet die „Roaring Twenties“-Party statt. Wer will da schon an Ausschiffung denken?
Schon am vorletzten Tag auch die Kofferunterlage aufs Bett zu legen, ist vielleicht etwas übertrieben, die brauchen wir erst morgen, wenn wir uns – wenn auch widerwillig – ans Packen machen. Vorerst ignorieren wird das einfach. Denn wir haben anderes im Sinne.
Wir haben von einem gemeinsamen Freund zufällig per Facebook von einer großen Überraschung erfahren: Gute Freude von uns aus den USA, die wir seit Jahren nicht gesehen hatten, sind an Bord der Queen Mary 2! Erstaunlich, dass wir uns bis jetzt nicht begegnet sind. Was für ein wunderschöner und unglaublicher Zufall. Umso größer ist die Freude, als wir uns dann doch treffen – Dank der Rezeptionistin, die für uns die Verbindung hergestellt hat.
Afternoon Tea mit Champagner …
Ein wenig Dekadenz sollte auf einer Transatlantik-Reise sein, oder? Und wenn am Abend ein ganz formelles Gala-Dinner mit Kaviar, Hummer und Beef Wellington auf uns wartet, kann man das am Nachmittag schonmal stilvoll beginnen.
Anders als der normale, britische Afternoon Tea in der Queens Lounge ist der Champagner Afternoon Tea zwar nicht kostenlos (34,50 Dollar), aber eben auch etwas ziemlich besonderes, inklusiver sanfter Harfen-Musikbegleitung.
… und ein kleines Nickerchen am Promenadendeck
Bisher gab es wenig Gelegenheit, die hölzernen Sonnenliegen am Promenadendeck zu nutzen. Zu windig und kühl hatte sich der Nordatlantik gebärdet. Aber heute haben wir endlich ein wenig Sonne und nur wenig Wind.
Wir nutzen die Gelegenheit und suchen uns einen der wunderbaren „Deck Chairs“ auf dem Promenadendeck.
Aus dem Vorhaben, ein wenig zu lesen, wird nicht viel: Wir schlafen prompt ein und schlummern zum Rauschen der Meeres ein wohliges, kleines Nachmittagsschläfchen.
Es ist ein herrliches Gefühl, wenn man auf dem „Crossing“ ohnehin nichts tun muss, wenig tun kann und sich deshalb nicht der Funken eines schlechten Gewissens einstellt, wenn man irgendwann mit dem Buch auf dem Bauch wieder aufwacht, als wäre nichts gewesen.
Gala-Dinner
Ein drittes und letztes Mal auf dieser Reise heißt es: Abendkleid und Smoking. Auf der Speisekarte des Britannia-Hauptrestaurants stehen heute Hummer, sibirischer Kaviar, Beef Wellington, Vanille-Soufflé mit Limoncello-Sauce – was eben traditionell am Gala-Abend serviert wird.
Thema des Abends sind die „Roaring Twenties“. Die meisten Passagiere haben sich passend gekleidet.
Vor allem bei den Damen sieht man Federboas, elegante Handschuhe, Hüte und Kopfschmuck mir Federn in den Haaren. Für die Herren ist das einfacher: Smoking passt immer.
Gedanken zur Ankunft in New York
Die Gepäckmatte am Bett in der Kabine erinnert aber dann aber doch wieder an die bald bevorstehende Ausschiffung. Werfen wir also schon einen Blick auf das, was meine historischen Protagonisten zu diesem Thema schreiben.
Reiseschriftstellerin Isabella L. Bird berichtet: „Es war eine sehr ereignislose Reise. Die prophezeiten, ungünstigen Winde wehten nie, die Eisberge hielten sich weit weg im Norden, das Abenteuer einer Flucht vor russischen Freibeutern wurde ersetzt durch die Sichtung eines einzelnen, harmlosen Händlers. Selbst die Nebel vor Neufundland erwiesen sich als komplette Mythen.“
Fast schwingt ein wenig Enttäuschung in diesen Worten mit, als hätte sich Isabella Bird während der Überfahrt ein wenig mehr Aufregung und Abwechslung erhofft. Bei den Nebeln vor Neufundland müssen wir allerdings widersprechen: Das ist kein Mythos, die haben wir selbst erlebt.
Winston Churchill fuhr im November 1895 mit seiner Freundin Reggie Barnes auf dem Cunard-Schiff Etruria von Liverpool nach New York. Es war wohl kein sonderlich erbaulicher Beginn einer Seefahrer-Karriere für Churchill, denn am Ende der Reise schreibt er in einem Brief an seine Mutter: „Ich denke nicht daran, jemals eine Seereise zum Vergnügen zu unternehmen, und ich werde Seereisen immer als notwendiges Übel betrachten, die für die Durchführung eines konkreten Plans erleiden werde müssen.“
Die weitaus meisten Passagiere der Queen Mary 2 würden Churchill da wohl widersprechen. Das Crossing ist ein besonders Erlebnis, das man nicht missen möchte, zugleich erholsam und vergnüglich.
Auswanderer Christian Fredericksen beschreibt die Annäherung an die Küste nach Tagen auf See am ehesten mit den Augen, die auch wir heute als Touristen haben, wenn wir mit der Queen Mary 2 New York erreichen: „Sehr schönes Wetter; das schönste, was wir bislang hatten. Heute gab es ein Lebenszeichen aus der Neuen Welt. Es ist ein kleines Segelboot und wir stehen da und schauen ihm nach, solange wir es sehen können; das ist eine wunderbares Erlebnis.“
Auf unserer Reise mit der Queen Mary 2 waren es zwei große Fischerboote, die wir schon vor der Küste Neufundlands gesichtet hatten. Fredericksen berichtet weiter: „Die Leute haben gestern Nacht nicht viel Zeit im Bett verbracht. Sie sind hin und her gelaufen, weil sie wussten, dass wir uns der Küste nähern. Ich stand um 5:00 Uhr auf und da waren schon viele Leute auf dem Deck, als ich dort ankam. Wir sehen schon die ersten Lichter, wahrscheinlich an der Zufahrt nach New York. Das Schiff bewegt sich nicht und wird wahrscheinlich bis zum Morgen warten, bevor es einfährt.“
Die Queen Mary 2 wartet nicht vor der Einfahrt nach New York, ist aber auch nicht am Abend zuvor schon dort. Wir werden am frühen Morgen einlaufen, mit nur knappem Abstand unter der Verrazano-Brücke hindurch, die New York mit New Jersey verbindet. Mit Blick auf die Freiheitsstatue und Manhattan biegen wir nach rechts zum Brooklyn-Terminal am East River ab. Frühes Aufstehen ist da Pflicht, denn das darf man nicht verpassen.
Hallöle! Ausschiffungstag? Bleibt Ihr noch ein bisschen in New York? Falls ja, empfehle ich eine kleine Schiffsrundfahrt um Manhattan herum mit der Circle Line. Das ist höchst sehenswert und man kommt auch bei Miss Liberty vorbei und kann von dort aus prima Fotos machen. Ein Musical wäre auch schön als Abendprogramm. Die Warteschlangen vor dem TKTS-Schalter am Times Square sind endlos, aber am Büro im Süden Manhattans, nahe Ground Zero, da kommt man weit schneller zum Zuge bei vergünstigten Tickets für den selben Tag. Meiden würde ich das Shubert Theatre, denn nirgendwo habe ich so beengt gesessen, dass es an Körperverletzung erinnerte und wir nur dachten „wann ist es bloß zu Ende?“ Einkaufen im Century21 Warenhaus am WTC, das sogenannte bestgehütete Geheimnis New Yorks… viel Spaß!