Nur knapp vier Monate im Jahr ist der Scoresbysund vor Ittoqqortoormiit eisfrei und per Schiff erreichbar.
Fließendes Wasser gibt es nur, solange die Leitungen im Winter nicht einfrieren. Aber immerhin sorgt ein Mobilfunknetz für ganzjährige Verbindung zur Außenwelt. Für uns ist es die erste Telefon- und Internet-Verbindung seit zehn Tagen.
Am Morgen war ein Eisbär an der Mülldeponie des kleinen Ortes gesichtet worden. Das ist hier nichts Ungewöhnliches. Aber wenn Touristen kommen, ist es doch ein wenig gefährlich. Warnschüsse vertreiben den Bären, der daraufhin quer durch einen kleinen Fjord schwimmt. Auf der weiten Ebene auf der anderen Fjordseite sehen wir das Tier später durchs Fernglas.
Erst vor einer Woche mussten die Inuit einen Eisbären erschießen, der einer kleinen, nicht dauerhaft bewohnten Ansammlung von Häusern in der Nähe von Ittoqqortoormiit zu nahe gekommen war, aggressiv wurde und sich nicht vertreiben ließ. Das Fell des Eisbären hängt jetzt auf einer Veranda im Dorf zum Trocknen.
Hundeschlitten sind für die etwa 450 Einwohner das wesentliche Fortbewegungsmittel im Winter, denn Schneemobile brauchen Benzin und Ersatzteile, die im langen Winter kaum zu beschaffen sind. Immer wieder ist das Geheul der Schlittenhunde im ganzen Ort zu hören. Die Tiere warten auf den Winter. Dann dürfen sie sich vor den Hundeschlitten wieder so richtig austoben. Den kurzen Sommer verbringen die Arbeitstiere im Wesentlichen an der Kette.
Einer der Hundebesitzer erlaubt uns, seine Tiere näher anzusehen und vor allem die acht Jungen zu fotografieren und unter den besorgten Augen der Mutter auch ein wenig zu kraulen. Die Kleinen genießen das sehr. Nach einigen Minuten kommt auch das Muttertier näher und holt sich ein paar Krauleinheiten ab. Die Schlittenhunde in Ittoqqortoormiit sind übrigens keine Huskies, sondern eine eigene, grönländische Hunderasse.
Auf einem Hügel steht eine Wetterstation. Von hier aus steigt täglich um 11 Uhr ein kleiner Ballon auf, um Wetterdaten wie Windstärke und Luftfeuchtigkeit zu messen. Für die Einheimischen ist das nichts Besonderes mehr, aber für uns Touristen ist das Zuschauen bei den Vorbereitungen und der Start des Wetterballons spannend.
Bevor wir zur Anlandestelle für die Zodiacs zurückkehren, kommen wir an der kleinen Dorfkirche vorbei. 1928 wurde sie gebaut – rund drei Jahr nach Gründung der Siedlung.
Schon aus einiger Entfernung dringt leise Orgelmusik aus der Kirche. Die Melodie wirkt irgendwie vertraut. Als wir näher kommen, erkennen wir sie: „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Es ist Ende September, aber es liegt schon ein wenig Schnee die Temperatur passt zu Weihnachten.
Die Kirchenglocke stammt von einem Schiff. An der Decke hängt das Modell eines historischen Segelschiffs. Der Legende nach fischen die Fischer an Bord nach verlorenen Seelen.
Selten habe ich in einer Kirche eine so vollkommene Ruhe erlebt. Die sanfte Orgelmusik lässt mich kaum mehr los. Es ist ein wunderbarer Abschluss unserer Reise durch Ost-Grönland und des kurzen Besuchs bei den Inuit von Ittoqqortoormiit.
Am Nachmittag geht es mit der Sea Spirit zurück in die Dänemark-Straße, Richtung Akureyri auf Island.