Bei Sonnenaufgang beginnt das Abenteuer: Die Sea Spirit soll den Kong-Oscar-Fjord verlassen, damit sie weiter nach Süden fahren kann. Doch zwischen uns und der Dänemarkstraße liegt eine möglicherweise undurchdringbare Eisbarriere, die auf den Satellitenaufnahmen und der Eiskarte sehr dicht wirkt.

Mehrfach muss Kapitän Yaroslav Gonta umdrehen und eine neue Route in dem Eislabyrinth versuchen. Er schiebt riesige Eisschollen mit dem Bug des Sea Spirit ganz vorsichtig zur Seite, um Platz für die Vorbeifahrt zu schaffen. Sogar die Drohne eines russischen Passagiers kommt zum Einsatz, um eine geeignete Fahrrinne zu finden.
Das folgende Zeitraffer-Video zeigt dieses spannende Manöver. Deutlich zu sehen ist auch, wie intensiv der Kapitän die Seitenstrahlruder zum Navigieren durchs Eis einsetzt. Das Video zeigt eine Sequenz von 30 Minuten verkürzt auf 1:52 Minuten, läuft also in 16facher Geschwindigkeit.
Gegen Mittag gibt der Kapitän auf. Hier ist kein Durchkommen für die Sea Spirit. Das Eis ist zu dicht, die Eisberge und Eisschollen zu dick. In der kalten Nacht haben sich sogar schon neue, dünne Eisflächen gebildet – die freilich für die Sea Spirit kein Hindernis darstellen, aber wunderschön anzusehen sind.
Wir drehen ab, fahren durch das Fjord-System zurück und versuchen unser Glück am Ausgang des Kejser-Franz-Joseph-Fjords, wo laut Satellitenbildern deutlich weniger Eis im Weg liegt. Gegen Mitternacht sollen wir nach einer Fahrstrecke von rund 160 Seemeilen dort ankommen. Dann wird sich zeigen, ob dort ein Durchkommen ist. Die Spannung steigt und viele fragen sich: Was passiert eigentlich, wenn wir dort auch nicht weiterkommen?
Fahrt durch imposante Fjorde
Der Weg zurück durch das Fjord-System mit Kong-Oscar-Fjord und Kejser-Franz-Joseph-Fjord gibt Zeit zum Genießen der Wolken-Formationen, der farbigen Felswände, gelegentlich vorbeischwimmender Eisberge und der warmen Sonne im Windschatten am Heck der Sea Spirit.
Viele der markanten Berge kommen einem schon von der Hinfahrt bekannt vor und ohne bevorstehende Zodiac-Fahrt oder Anlandung hat man genug Ruhe, um die Strukturen im Fels, die in Falten liegenden, farbigen Gesteinsbänder, die Geröllfelder am Fuß der Berge, die abgerundeten oder auch zackigen Bergspitzen ganz genau anzusehen und sich darin schon fast meditativ zu verlieren. Ein herrlich entspannter Nachmittag in der Sonne.
Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass am späteren Abend wieder Nordlichter am Nachthimmel zu wabern beginnen und zeitweise den ganzen Himmel ausfüllen mit gespenstischen Strahlen, Strömen und Strudeln aus weißem und grünlichem Licht. Nur Fotografieren ist heute unmöglich, denn die Sea Spirit fährt so schnell wie möglich, um durch den eisbedingten Umweg nicht zu viel Zeit zu verlieren.