Landstrom versorgt Kreuzfahrtschiffen im Hafen mit Energie, damit die Maschinen an Bord abgeschaltet werden können. Jedenfalls, wenn Landstrom angeboten wird. Aber Landstrom ist auch eine der am meisten missverstandenen Techniken in der Kreuzfahrt – weil der Grundgedanke ganz einfach klingt, die Umsetzung aber alles andere als unproblematisch ist.
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Mehr zu diesem Thema lesen Sie auch in unserem Beitrag „Landstrom gegen Abgase von Kreuzfahrtschiffen„.
In dieser Folge der Video-Serie „Umwelt- und Klimaschutz in der Kreuzfahrt“ zeige ich, warum Landstrom bis vor Kurzem in Häfen kaum angeboten und von Kreuzfahrtschiffen noch weniger genutzt wurde. Wie sich das gerade schnell ändert. Und wir werfen einen Blick allgemein auf die Vor- und Nachteile von Landstrom.
Was hat es mit Landstrom auf sich?
Die Grundidee von Landstrom ist, die Maschinen im Hafen komplett abzuschalten und den Hotelbetrieb des Kreuzfahrtschiffs mit elektrischer Energie aus dem Stromnetz an Land aufrechtzuerhalten.
Der Vorteil ist offensichtlich: Es entstehen am Liegeplatz des Schiffs keine Emissionen. Das ist vor allem an Orten, wie die Schiffe nahe der Innenstadt liegen, ein gewichtiges Argument, besonders deutlich etwa in Hamburg, Kiel, Amsterdam, Barcelona und an vielen weiteren Kreuzfahrtzielen.
Aber: Die elektrische Energie muss dennoch irgendwo an Land erzeugt werden. Emissionen entstehen also lediglich an anderer Stelle – eben irgendwo außerhalb in Kraftwerken. Sind das beispielsweise Kohlekraftwerke, sind die Emissionen womöglich mehr als bei Energieerzeugung mit den Generatoren auf den Schiffen. Aber sie entstehen eben an anderer Stelle, nicht direkt in der Innenstadt.
Je nach Energiegewinnung an Land ist Landstrom also nicht unbedingt umweltfreundlicher. Verlagert die Emissionen aber an Orte, wo die direkten Auswirkungen geringer sind. Oder auch nicht, wenn man’s beispielsweise wie Kiel macht und für die Landstrom-Versorgung 100 Prozent Öko-Strom einkauft.
Ein wichtiger Faktor sind übrigens auch die Kosten: Landstrom ist in der Regel deutlich teurer als die Energie aus den bordeigenen Generatoren. Aus reiner Kostensicht ist Landstrom für die Reedereien also nicht gerade attraktiv.
Und auch für die Häfen ist es teuer, Landstrom anzubieten. Einen einzelnen Liegeplatz mit Landstrom-Anschluss auszurüsten, kostet gleich mal eine Million Euro oder mehr kosten.
Ähnlich teuer ist auch die Nachrüstung eines Schiffs mit Landstrom.
Wo wird Landstrom angeboten?
Lange Zeit gab es nur sehr wenig Hochsee-Häfen, die Landstrom überhaupt angeboten haben – sowohl für Fracht- und Containerschiffe als auch für Kreuzfahrtschiffe.
Vor allem in Norwegen haben viele Häfen schon lange Landstrom. Auch die drei großen, deutschen Kreuzfahrthäfen Hamburg, Kiel und Warnemünde sind damit ausgerüstet – in Hamburg fehlt aktuell (Stand: Juli 2023) aber noch ausgerechnet das neueste und größte Terminal in Steinwerder.
Aber seit Kurzen ist Bewegung in das Thema gekommen. Endlich rüsten immer mehr Häfen auf und bieten Landstrom an – bislang aber meist weiterhin ohne Zwang für die Schiffe, diese Anschlüsse auch zu nutzen.
In der Flusskreuzfahrt ist Landstrom übrigens, beispielsweise am Rhein, längst selbstverständlich. Die meisten Anleger sind da längst mit Landstrom ausgerüstet.
Und schiffseitig? Laut dem Reederei-Branchenverband Clia sind Mitte 2023 rund 40 Prozent der Kreuzfahrtschiffe weltweit grundsätzlich in der Lage, Landstrom zu nutzen. Bis 2025 sollen es 75 Prozent sein.
Stecker in die Steckdose – was ist daran so schwierig?
Landstrom klingt erst einmal sehr simpel: Stecker rein, Motoren abschalten. So einfach ist das aber längst nicht. Technisch ist Landstrom anspruchsvoll, aber natürlich machbar – nur viel aufwendiger, als man sich das erst einmal vorstellt.
Da ist zunächst die enorme Leistung, die Kreuzfahrtschiffe benötigen. Ein mittelgroßes Kreuzfahrtschiff von AIDA oder TUI Cruises beispielsweise benötigt im Hafen zwischen 4,5 und 7 Megawatt. Ein Schiff der Größe der AIDAnova sogar rund 10 Megawatt.
Zum Vergleich: Die Nennleistung einer Windkraftanlage – also eines einzelnen Windrads – liegt bei 3 bis 6 MW, Offshore-Anlagenbringt bis zu 15 MW. Über den Daumen gepeilt benötigt ein Kreuzfahrtschiff also die Energie eines kompletten Windrads.
So viel Energie kann das Stromnetz nicht einfach per Umlegen eines Schalters bereitstellen – es ist ein sanfter und geplanter Übergang nötig.
Aber noch ein zweiter Faktor macht es technisch kompliziert – und die Landstromanlagen teuer: Schiffsnetze benötigen andere Spannungen und Frequenzen als die Landstrom-Netze. Und nicht alle Schiffe nutzen die gleichen Parameter. Der Strom von Land muss also zunächst „passend gemacht“, also transformiert werden.
Aus diesen technischen Herausforderungen ergibt sich, warum nicht jedes Schiff immer Landstrom nimmt: Es ist nur praktikabel, wenn ein Schiff einen Hafen halbwegs regelmäßig anläuft. Die individuellen Anpassungen an jedes Schiff benötigen ein bis zwei Anläufe, bis die passenden Parameter ermittelt sind und man künftig „nur noch einstecken“ braucht.
Aber immer mehr Schiffe tun das, immer mehr Häfen bieten Landstrom an, sodass das Thema Landstrom jetzt nach jahrelanger Stagnation nun endlich Fahrt aufnimmt.