Massenbilanz-Systeme sind ein etwas kompliziertes Thema, obwohl das Prinzip eigentlich jeder bereits kennt: aus unserem Stromnetz. Welche wichtige Rolle Massenbilanz-Systeme auf dem Weg zu einer klimaneutralen Kreuzfahrt spielen können, darum geht es in dieser Folge der Video-Serie „Umwelt- und Klimaschutz in der Kreuzfahrt“ – nämlich beim sinnvollen Einsatz einiger klimaneutraler Treibstoffe.
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Auf den ersten Blick klingen sogenannte Massenbilanz-Systeme nach etwas Ähnlichem wie Kompensation. Man nutzt faktisch fossilen Treibstoff, bezahlt aber für klimaneutralen Bio-Treibstoff. Aber im Vergleich zu Kompensation funktioniert dieses System tatsächlich so, wie man sich das wünscht. Im Video erkläre ich, wie Massenbilanz-Systeme funktionieren und warum sie zunehmend relevant sein werden, wenn künftig mehr synthetischer und Bio-Treibstoff auf Kreuzfahrtschiffen zu Einsatz kommen.
Massenbilanz-Systeme: Auch nur eine Variante von Kompensation?
Massenbilanz-Systeme haben einige Aspekte mit Kompensation gemeinsam, sind ansonsten aber ein grundverschiedener Ansatz.
Gemeinsamkeiten sind:
- Es ist ein Verfahren, das einen großen Nutzen für die Übergangsphase von fossilen zu nachhaltigen Kraftstoffen bringt.
- Es ermöglicht die Nutzung von fossilen Kraftstoffen, die an anderer Stelle ausgeglichen wird.
Aber ab da enden die Gemeinsamkeiten.
Was ist ein Massenbilanz-System?
Es ist ein sperriger Begriff. Aber im Grunde kennt jeder ein schon länger existierendes Massenbilanz-System und nutzt es vielleicht sogar selbst: den europäischen Strom-Markt.
Schließt man bei seinem Stromanbieter einen Tarif für Öko-Strom ab, bekommt man exakt denselben Strom, den man auch bei einem normalen Tarif bekommen würde. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass abgenommene Menge an irgendeiner Stelle im Netz genau diese Menge an Öko-Strom ins Netz eingespeist werden muss.
Es kann also insgesamt nur genau so viel Öko-Strom verkauft werden, wie im Netz vorhanden ist.
Die sinnvolle Grundidee ist natürlich, dass es sinnlos wäre, wie getrennte Stromnetze für konventionellen und Öko-Strom aufzubauen und beim Kunden die physikalischen Anschlüsse zu ändern, wenn man seinen Tarif wechselt.
Das Prinzip des Massenbilanz-Systems funktioniert aber eben nicht nur bei Strom, sondern beispielsweise auch bei Gas – Erdgas, synthetisches Gas, Bio-Gas.
Denn auch hier wäre es sinnlos, wenn ein norwegischer Fischereibetrieb, ein spanischer und ungarischer Bauer jeweils in einer kleinen Biogas-Anlage aus Fischabfällen und landwirtschaftlicher Biomasse Bio-Gas produziert und genau dieses Gas vor Ort zu verflüssigen und quer durch Europa zu transportieren, um es etwa in den Tank eines Kreuzfahrtschiffs zu pumpen.
Stattdessen tankt ein Kreuzfahrtschiff fossiles LNG, kauft aber in diesem geschlossenen Massenbilanz-System genau die benötigte Menge an Bio-Gas. Das Schiff verbrennt dann zwar weiterhin fossilen Kraftstoff, an anderer Stelle kommt aber das Bio-Gas zum Einsatz, obwohl der Nutzer konventionelles Gas gekauft hat.
In der EU und auch in Deutschland gibt es für solche Massenbilanz-Systeme klare Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass eben auch nur genau die Menge an Bio-Gas verkauft wird, die im Gesamtsystem vorhanden beziehungsweise eingespeist wird.
MSC Cruises hat dieses Massenbilanz-System – eher als Marketing-Aktion, aber auch um zu zeigen, dass es grundsätzlich funktioniert – für eine Fahrt der MSC Euribia von der Werft im französischen Saint-Nazaire bis nach Kopenhagen angewendet und dafür 400 Tonnen Bio-LNG gekauft. Formell war diese Reise also „klimaneutral“.
Massenbilanz-Systeme allein führen nicht zu Klimaneutralität
Die Grundidee eines Massenbilanz-Systems ist, dass der Verbraucher umweltfreundliche Energie einkauft und damit den Anteil an grüner Energie im Gesamtsystem steigert.
Einerseits ist ein solches System aktuell die einzig sinnvolle Möglichkeit ist, vorhandene Infrastruktur für konventionelle Energie zu nutzen, um nachhaltige Energie einzuspeisen. Das ist ein enormer Vorteil, weil keine Investitionen in neue Anlagen nötig sind.
Auch in anderen Bereichen etablieren sich Massenbilanz-Systeme deshalb, etwa bei Kunststoff, wo mit solchen Systemen schrittweise Kunststoffe auf Pflanzenbasis integriert werden.
Andererseits garantiert ein solches System nicht automatisch, dass der Anteil an nachhaltigen Produkten – in unserem Fall hier nachhaltige Energie – auch wirklich steigt. Denn ein Massenbilanz-System schafft erst einmal nur ganz neutral die Voraussetzungen, damit sich die Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen überhaupt ohne großen Umbruch schrittweise steigern lässt.
Um möglichst schnell möglichst viel – und idealerweise 100 Prozent – klimaneutrale Energie zu erreichen, sind zusätzliche Anreize nötig, die dies vorantreiben: beispielsweise gezielte Nachfrage seitens der Verbraucher, Subventionen, Forschungsförderung, aber auch so etwas wie Zertifikathandel. Und erfreulicherweise gibt es vieles davon auch tatsächlich schon, sodass das System insgesamt wohl funktionieren wird – das einzige Fragezeichen ist: wie schnell?