Es ist der erste Tag und schon hat sich die geplante Route der Sea Spirit erledigt – das ist Expeditions-Kreuzfahrt pur. Im Norden Spitzbergens ist so viel Eis, dass wir dort nicht sonderlich weit kommen würden. Also orientieren wir uns erst einmal nach Osten. Erstes Ziel: Kapp Lee.
Die Sea Spirit fährt über Nacht zunächst nach Süden und dann um die südliche Spitze Spitzbergens herum nach Nordosten zur Insel Edgeoya, wo in deren Nordwesten Kap Lee liegt. Edgeoya war bei Walfängern schon im frühen 17. Jahrhundert bekannt. Die Insel ist nach einem in dieser Zeit berühmten britischen Walfänger namens Thomas Edge benannt.
In einer kleinen, flachen Bucht namens Dolerittneset am Kapp Lee finden sich Siedlungsspuren der Pomoren, mutmaßlich aus dem 18. Jahrhundert. Eine achteckige, fast rund erscheinende Hütte stammt von Norwegischen Trappern, die hier kurz nach 1900 erstmals siedelten.
Ziemlich seltsam mutet der Knochenfriedhof nahe des Ufers an. Er entstand durch die über Jahrhunderte andauernde Jagd auf Wale und vor allem Walrosse. Aber auch Eisbären und Polarfüchse waren für die Jäger und Fallensteller hier begehrte Opfer.
Das Kapp Lee selbst sind spektakuläre Klippen, die bis zu 355 Meter hoch aufragen. Zu sehen bekommen wir davon allerdings nichts, denn es herrscht schon den ganzen Tag über dichter Nebel, der sich auch nicht lichtet, als wir am Nachmittag bei Kapp Lee ankommen.
Walross-Beobachtung vom Zodiac aus
Also erneute Planänderung: Es wird der Nachmittag der Walrosse. Wir machen eine Ausfahrt mit dem Zodiac und beobachten die riesigen Tiere vom Wasser aus.
Die Atlantischen Walrosse hier können bis zu 1,5 Tonnen schwer werden. Die langen Zähne wachsen bis zu 75 Zentimeter lang. Und Walrosse sind Feinschmecker: Ihre Lieblingsspeise sind Jakobsmuscheln, die sie aussaugen und die Schalen anschließend wieder ausspucken.
Ein besonders neugieriges Walross schwimmt in kurzer Distanz am Zodiac vorbei, taucht immer wieder auf und ab.
Der Nebel ist zu dicht für einen regulären Landgang – zu riskant wäre es, womöglich einen nahenden Eisbären zu spät zu sehen. Aber es reicht für eine kurze Anlandung am Strand, um den Knochenfriedhof anzusehen.
Abends werden wir versuchen, so weit es die Eis-Situation zulässt, in den Freemansundet einzufahren. In der schmalen Passage zwischen Edgeoya im Süden und Barentsoya im Norden ist zu dieser Jahreszeit noch sehr viel Eis. Die Meerenge ist deshalb eine häufig frequentierte Passage für Eisbären. Im Sommer ist Freemansundet eisfrei und es herrscht eine starke Strömung.