Der Negribreen oder Negri-Gletscher an der Ostküste von Spitzbergen hat die breiteste Gletscherfront in ganz Svalbard. Er ist rund 20 Kilometer breit. Mit Zodiac-Schlauchbooten fahren wir von der Sea Spirit aus direkt ins Eis hinein, um dem Gletscher näher zu kommen.
Nebel, der schon gestern über dem Wasser lag, hat sich noch nicht ganz aufgelöst. Morgens präsentiert sich die Gletscherfront teils sonnig, doch dann zieht der Nebel wieder herein. Ohne GPS hätten wir den Gletscher mit dem Zodiac erst gar nicht gefunden. Aber die Wetterbedingungen in der Arktis ändern sich schnell und so klart es später auch wieder etwas auf.
Doch auch der Nebel hat seinen ganz besonderen Reiz. Er gibt den Eisbergen rund um uns herum etwas Mystisches. Um sich herum nur Wasser, Eis und Nebel zu haben, ist ein faszinierendes Erlebnis. Die Welt schrumpft auf einen kleinen Kreis rund um das Schlauchboot, besteht nur aus kalter, feuchter Luft und dem Knistern des Eises im Wasser.
Das lose treibende Eis ist zeitweise so dicht, dass es wie eine leicht wogende, feste Oberfläche wirkt. Türkisblaue Eisbrocken leuchten heraus, andere Eisberge wirken eher wie dichter Schnee, manche haben dunkle Streifen, die von Geröll stammen, die der Gletscher auf seinem Weg zum Meer von den Bergen abgeschrammt hat.
Und überall sitzen und fliegen Seevögel. Scheu sind die meisten nicht. Eher wirkt es, als würden sie sich ein wenig wundern, was da für seltsame Gefährte am Wasser ihre Flugbahn kreuzen.
Die Versuchung ist groß, eine Brocken Gletschereis für einen abendlichen Cocktail in der Bar der Sea Spirit mitzunehmen …
Der Gletscher selbst, der Negribreen, ist neben seiner enormen Größe auch aus einem anderen Grund faszinierend: er ist zweigeteilt.
Ein Teil ist relativ statisch, der andere bewegt sich hingegen sehr schnell voran und kalbt intensiv. Deshalb treibt vor dem Gletscher sehr viel loses Eis bis hin zu großen Eisbergen, sodass man nicht sonderlich nahe heranfahren kann – was aber ohnehin zu gefährlich wäre.
Moin! Solche Bilder haben so viele verschiedene Faszinations-Aspekte! Gerade wo viele daheim bei Temperaturen nahe 40°C vor sich hin brüten, entfaltet die Arktis doch eine unwiderstehliche Anziehung, jedenfalls auf mich. Jeder der dorthin reist sollte sich als Botschafter für den Erhalt dieses empfindlichen Lebensraumes begreifen. In Bezug auf den hier tätigen Autor habe ich da keine Zweifel. Natürlich ist eine Reise in die Arktis auch klimaschädlich, keine Frage. Die hohen Preise solcher Fahrten jedoch verhindern schon, dass es zu einer Art Massentourismus käme, auch wenn man zur Zeit einen Boom bei Expeditionsschiffen verzeichnen kann.
Und dennoch sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass jeder, der nach Grönland, Spitzbergen oder auch „nur“ nach Alaska reist, und Letzteres geht tatsächlich auch mit größeren und erschwinglicheren Schiffen und bietet ebenfalls zwar nicht so exklusive, dennoch naturnahe Einblicke, sich der Einmaligkeit und des Wertes dieser polaren Zonen bewusst wird. Wenn dieses Erleben und Wissen dazu führt, dass sich alle auf strikte Klimaziele einigen, Verbrennungsmotoren verbannen, die Kohleverstromung ebenfalls und sich zu stark reduziertem Ressourcenverbrauch verpflichten, dann mag so viel gewonnen sein, dass für viele eine „Reise des Lebens“ in arktische Regionen auch ökologisch vertretbar sein kann.
Bei mir reichte es bisher „nur“ zu Alaska und dem Nordkap, aber auch das reichte schon, um bezaubert zu werden.