Fjorde und Gletscher gehört zu Alaska wie Bären und Wale. Zwei Fjorde, zwei Gletscher stehen heute am Programm. Mit der Hanseatic Spirit kreuzen wir morgens zum Sonnenaufgang im Endicott Arm und liegen nachmittags im Tracy Arm Fjord auf Reede – denn mit dem Kreuzfahrtschiff, und sei es auch noch so klein, darf man dort nicht mehr bis an die Gletscher heranfahren. Stattdessen steigen wir auf ein lokales Boot um, das uns in die beiden Seitenarme zu den Abbruchkanten des Sawyer Glaciers bringen.
Eigentlich heißt es an Gletschern: warm anziehen. Denn weht der Wind über die Gletscher, bläst er eisige Luft in die Fjorde. Doch wie schon an den Tagen zuvor ist es ungewöhnlich warm, selbst direkt am größten der Gletscher, dem südlichen Sawyer Glacier.
Die beiden Fjorde des Endicott Arm und Tracy Arm anzufahren, ist für Kreuzfahrtschiffe immer ein Glücksspiel: Wie viel Eis treibt im Fjord? Wie stark haben die Gletscher gekalbt? Denn ist es zu viel Eis, kann man nicht sonderlich weit in die Fjorde hineinfahren und dringt nicht bis zu den Abbruchkanten des Dawes Glaciers im Endicott Arm und des Saywer Glaciers im Tracy Arm vor.
Wir haben Glück: Bei strahlendem Sonnenschein treiben uns auf dem Weg durch die Fjorde zwar einzelne Eisberge entgegen, darunter auch in faszinierenden, bizarren Formen und intensiv blau leuchtende Exemplare.
Aber wir kommen mit der Hanseatic Spirit schon frühmorgens – im Gegenlicht – am Dawes Glacier an und liegen dann am Nachmittag an der Verzweigung der beiden Seitenarme des Tracy Arms auf Reede, während ein lokales Boot uns bis an die Gletscherabbruchkanten bringt.
Tracy Arm und Sawyer Glacier
Der Tracy Arm Fjord ist mit 30 Meilen Länge der kürzere und um einiges engere der beiden Fjorde, mit zwei Seitenarmen und jeweils einer Abbruchkante des Sawyer Glacier an deren Ende.
Durch die Enge des Fjords und die bis über 2.000 Meter aufragenden Felswände auf beiden Seiten des Fjords, die herabschießenden Wasserfälle spürt man intensiv die rohe Natur Alaskas.
Schon vor uns ist Cunard Lines Queen Elizabeth im Tracy Arm Fjord. Sie kommt uns mittags entgegen und veranschaulicht die enormen Dimensionen der Berge entlang des Fjords. Das große Schiff wirkt wie ein kleines Spielzeug.
Vor allem am südlichen Sawyer Glacier verbringen wir einige Zeit und beobachten dort auch einige Bergziegen in den steilen Felswänden …
… vor allem aber zahlreiche Robben …
… die sich auf den kleinen und großen Eisbergen vor der Abbruchkante des Gletschers sonnen.
Schlaumeier-Wissen: Woher die Namen der Fjorde und Gletscher stammen
Der Tracy Arm ist benannt nach Benjamin Franklin Tracy, 1889 bis 1893 Navy-Minister der USA. Tracy hat den nach ihm benannten Gletscher sehr wahrscheinlich nie persönlich besucht. Aber er war eng mit Außenminister und Unterhändler für den Alaska Purchase William H. Seward befreundet, der ihm die Ehre angedeihen ließ, den Gletscher nach ihm zu benennen.
Der Sawyer Glacier bekam seinen Namen 1889 und wurde nach dem Leiter des U.S. Geological Survey von 1881 bis 1899, Forest A. Sawyer, benannt. Der Endicott Arm wiederum trägt den Namen von William Crowninshield Endicott. Er war von 1885 bis 1889 US-Kriegsminister unter Präsident Grover Cleveland.
Der Dawes Glacier am Ende des Endicott Arms ist nach dem republikanischen Senator und Abgeordneten Henry Laurens Dawes (1816-1903) aus Massachusetts benannt. Ursprünglich hatte John Muir, schottisch-amerikanischer Naturalist und Begründer der Nationalpark-Idee in den USA, diesen Gletscher seinem Begleiter Reverend S. Hall Young 1879 als „Young Glacier“ gewidmet. Der Name wurde aber schon zwölf Jahre später in Dawes Glacier geändert.
Die Gletscher Alaskas schrumpfen enorm schnell
Der Gletscher am Ende des Endicott Arms zeigt besonders deutlich, wie schnell sich manche Gletscher in Alaska zurückziehen. Aber er zeigt auch, wie komplex dieses Thema ist und das Schlagwort „Klimawandel“ nicht die Erklärung für alles ist.
Denn schon im 19. Jahrhundert beobachteten Kartographen und Entdecker einen deutlichen Rückzug an den Gletschern hier. Aber in zwei Tagen besuchen wir den Hubbard Glacier – und der ist seit über 100 Jahren mit leichten Fluktuationen stabil geblieben und die Eisschicht dort wird sogar dicker.
Als George Vancouver erstmals 1794 am heutigen Endicott und Tracy Arm vorbeikam, waren die beiden Fjorde noch komplett von Gletschern bedeckt. Rund 100 Jahre später, 1899, berichtete Lieutenant Commander H. B. Mansfield der U.S. Navy von nur einer einzigen Gletscherfront des Sawyer Glaciers am Ende des Tracy Arms. Bis 1904 hatte sich der Gletscher dagegen schon so weit zurückgezogen, dass nun zwei Gletscherfronten zu sehen waren. Seit dem Besuch Vancouvers hatte sich das Eis also um 39 Kilometer weit zurückgezogen, durchschnittlich rund 400 Meter pro Jahr.
Betrachtet man aktuelle Satellitenbilder, ist zu sehen, dass die nördliche der beiden Gletscherfronten nicht einmal mehr bis zum Wasser des Fjords reicht. Das Satellitenbild zeigt im Vergleich zwischen 2019 und 2024 auch, wie stark sich die zweite Gletscherfront im Endicott Arm allein in diesen fünf Jahren weiter zurückgezogen hat.