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Wrangell: Weißkopf-Seeadler, rätselhafte Petroglyphen und eine historische Goldgräber-Route

In Wrangell nahe der Mündung des Stikine River schnuppern wir historische Goldgräber-Luft. Die Zeit, in der hier bis zu 10.000 Glücksritter auf die Gelegenheit warteten, in die Goldfelder am Yukon vorzudringen, liegt schon über 150 Jahre zurück. Aber mit einer Bootsfahrt am Stikine River bekommen wir ein Gefühl dafür, wie sich das damals angefühlt haben könnte.

Eine flotte Fahrt in einem kleinen Jetboat führt uns von Wrangell in die weite, von Sandbänken durchzogene Mündung des Stikine River bis auf halbe Strecke zur amerikanisch-kanadischen Grenze. Die Berge rundum ragen bis auf 3.000 Meter auf. Der komplett natürlich verlaufende, unregulierte Fluss schlängelt sich seicht und breit durch ein dicht bewaldetes Tal, auf Sandbänken sammelt sich Treibholz.

Stikine River
Stikine River

Weil die Amerikaner für alles irgendeinen Rekord brauchen, wird der Stikine River als „fastest-flowing navigable river in North America“ bezeichnet. Die Fahrt mit dem Jetboat den Stikine River hinauf führt – wieder einer dieser Rekorde – durch den größten, kühlen Regenwald der Welt.

Jetboat-Fahrt am Stikine River
Jetboat-Fahrt am Stikine River

Auf einer dieser Sandbänke beobachten wir zwei prächtige Weißkopf-Seeadler – der eine hält noch Ausschau nach einem Fisch, vielleicht einen Sockeye-Lachs, der andere hat schon Beute gemacht und verspeist den Fisch, ohne sich von uns stören zu lassen.

Etwas weiter den Stikine River aufwärts finden wir auch ein Adlernest mit einem schon recht stattlichen Jungtier, so gut getarnt im Geäst, dass man schon genau hinsehen muss. Wobei wir für Weißkopf-Seeadler nicht erst den Stikine River hinauffahren hätten müssen – denn auch direkt in Wrangell entdecken wir später einen in den Bäumen.

Weißkopf-Seeadler
Weißkopf-Seeadler

Wir biegen in den kleinen Seitenfluss Shakes Slough ab, der zum Shakes Lake und an dessen Ende zum Shakes Glacier führt. Der langsam fließende Gletscher ist überzogen mit Geröll und an einer Stelle sogar mit großen Felsbrocken. Von den Felswänden fallen Wasserfälle und den tiefen Fjord hinab.

Der Name „Shakes“, den einige Plätze hier um Wrangell herum tragen, kommt übrigens nicht daher, dass es uns auf der Jetboat-Fahrt gelegentlich etwas durchschüttelt. Vielmehr sind sie nach dem berühmten Tlingit-Clanchef Chief Shakes benannt.

Chief Shakes Clanhaus und Totempfähle

Mitten im Hafen von Wrangell, auf einer kleinen Insel, findet sich die Chief Shakes Historic Site, die Rekonstruktion eines Tlingit-Gemeinschaftshauses von 1940. Die sieben Totem-Pfählen, die gewöhnlich an dem Langhaus stehen, zwei davon Originalarbeiten und fünf Kopien, liegen wettergeschützt hinter dem Haus – sie sollen restauriert werden.

In Wrangell findet man noch einige historische Häuser, um die 100 bis 150 Jahre alt, und in einem kleinen Park stehen weitere, sehr sehenswerte Totempfähle.

Einen knappen Kilometer Fußweg außerhalb Wrangells liegt ein Strand mit rätselhaften Steinen: Über den Strand verteilt findet man in die Steine geritzte Figuren und Muster, die zwar an die Kunst der Native Alaskans erinnern. Aber niemand weiß bestimmt, wann und wie dieser Steinzeichungen entstanden sind. Sie könnten mehrere hundert, aber auch tausend Jahre alt sein.

Bei einem Spaziergang an diesem faszinierenden Strand kann man diese Petroglyphen an ihrem Original-Ort erkunden, auf einer kleinen Aussichtsplattform sind einige Kopien ausgestellt, sodass man diese mysteriöse Steinkunst auch ertasten kann, ohne die Originale zu schädigen.

Wrangell, benannt nach einem deutschbaltischen Offizier

Das 1934 als „Fort Stikine“, später „Fort Wrangel“ gegründete Wrangell ist eine der ältesten Ansiedlungen in Alaska, die nicht von Native Americans gegründet wurde. Die 2.000-Einwohner-Stadt hat in ihrer Geschichte ein für Alaska recht typisches Auf und Ab erlebt: Handelsposten unter anderem für Seeotter-Felle, bis die Otter in der Region nahezu ausgerottet waren, dann Basis für Glücksritter während des Alaska Gold Rush. Heute leben die Menschen hier vom Fischfang, der Holzindustrie und dem Tourismus.

Wrangell, Alaska
Wrangell, Alaska

Benannt ist Wrangell nach dem im heutigen Estland geborenen Geographen und deutschbaltischer Offizier der kaiserlich-russischen Marine Ferdinand Baron von Wrangel (1796 bis 1870).

Er wurde 1829 zum Generalgouverneur des heutigen Alaskas berufen. Allein ein Jahr brauchte er für den damals beschwerlichen Weg von Europa über Sibirien und per Schiff über die Beringstraße, bevor er in Sitka, Alaska ankam. Für die Rückreise nach seiner Abberufung 1934 wählte er den Weg durch den Panamakanal ostwärts.

Bis 1902 hieß der Ort offiziell übrigens Fort Wrangel, mit einem „l“ wie im Namen des Barons. Erst als der Ortsname von der Post verkürzt wurde, fiel das „Fort“ weg und das zweite „l“ kam hinzu, wohl in dem Versuch, aus dem deutsch-russischen einen amerikanischen Namen zu machen. Ob mit einem oder zwei „l“: Für uns ist der Name jedenfalls deutlich einfacher zu merken und auszusprechen als der Ortsname in der Tlingit-Sprache: „Khaachxhaana.áak’w“.

Goldrausch: Wrangell und Stikine River als Ausgangsbasis ins Yukon-Territorium

Fort Stikine, aus dem später Wrangell entstand, war Ausgangspunkt für den Stikine Gold Rush 1861. Alexander Choquette, Schwiegersohn des Tlingit-Chiefs Shakes, steckte dort seinen Claim auf einer Flussinsel nahe des heutigen Choquette Hat Springs Provincial Parks ab. Nach seinem Schwiegervater, Tlingit-Chief Shakes ist der Shakes Lake benannt, bis zu dem unsere Bootstour den Stikine River hinaufführt.

"Prospectors camp on Stikine River, northern British Columbia.", 1898, (CU175361, CU175365) by Hicks, Roger Hays. Courtesy of Glenbow Library and Archives Collection, Libraries and Cultural Resources Digital Collections, University of Calgary.
„Prospectors camp on Stikine River, northern British Columbia.“, 1898, (CU175361, CU175365) by Hicks, Roger Hays. Courtesy of Glenbow Library and Archives Collection, Libraries and Cultural Resources Digital Collections, University of Calgary.

Von diesem Gletscher stammen auch die Eisbrocken, die gelegentlich den Stikine River hinuntertreiben und vom Bootsführer höchste Aufmerksamkeit verlangen. Bis zu den ehemaligen Goldfeldern am Stikine River dringen wir bei unserer Jetboat-Fahrt freilich nicht vor, denn die lagen wesentlich weiter landeinwärts im heutigen British Columbia, Kanada, 150 Meilen flussaufwärts von Wrangell. Viel Gold fanden die insgesamt auch nur 500 Goldsucher damals übrigens nicht.

"Fort Wrangel, Alaska from the end of the pier.", [ca. 1898], (CU1123367) by Robertson, L. E.. Courtesy of Glenbow Library and Archives Collection, Libraries and Cultural Resources Digital Collections, University of Calgary.
„Fort Wrangel, Alaska from the end of the pier.“, [ca. 1898], (CU1123367) by Robertson, L. E.. Courtesy of Glenbow Library and Archives Collection, Libraries and Cultural Resources Digital Collections, University of Calgary.

Für zwei weitere Gold Rushs bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Wrangell ein wichtiger Ausgangspunkt zu den Goldfeldern in Kanada: 1869 der Cassiar Gold Rush und vor allem 1898 der Klondike Gold Rush. Bevor Skagway der Hotspot für Goldsucher wurde, galt die Route über Wrangell als die einfachste, um in die Klondike-Region vorzudringen. In seiner wildesten Zeit warteten in Wrangell über 10.000 Goldsucher gleichzeitig darauf, von hier aus den Stikine River hinauf und in die Goldfelder des Klondike zu gelangen.

Auch der legendäre Gesetzeshüter Wyatt Earp wählte den Weg über Wrangell und war hier sogar für zehn Tage Deputy Marshal der Stadt. Er und seine Frau Josie kehrten später allerdings nach San Francisco zurück, ohne in die Goldfelder vorzudringen, als sie erfuhren, dass Josie schwanger war.

Hanseatic Spirit in Wrangell, Alaska
Hanseatic Spirit in Wrangell, Alaska

Anmerkung*: Cruisetricks.de fährt mit der Hanseatic Spirit auf Einladung von Hapag-Lloyd Cruises.
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Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

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