Nicht weit entfernt von Wrangell, unserem gestrigen Stopp mit der Hanseatic Spirit, liegt Petersburg an der Ostseite der Mitkof Island im Alexander-Archipel. Doch die Namensgebung führt erst einmal in die Irre: Petersburg wurde nicht etwa von Russen gegründet. Der Norweger Peter Buschmann ließ sich hier nieder und benannte den Ort entsprechend Petersburg.
Der Tag beginnt erst einmal sehr früh, genauer: um 00:30 Uhr. Mitten in der Nacht verkündet Kapitän Axel Engeldrum nämlich die Sichtung von Nordlichtern – also schnell den Polarparka überwerfen und nach draußen auf Deck. Anfang August sieht man Nordlichter selten, denn es wird nachts nur für kurze Zeit ganz dunkel. Aber wir haben Glück, die Sonne ist gerade sehr aktiv – die Voraussetzung für Nordlichter.
Anschließend zurück ins Bett und am Morgen erst einmal ausgiebig frühstücken. Denn für Petersburg haben wir uns eine längere Wanderung vorgenommen. Denn die Fischereistadt liegt mitten im riesigen Tongass National Forest, der sich über einen Großteil Südost-Alaskas erstreckt. Zwei, drei Kilometer vom Tender-Anleger entfernt beginnt der „Raven’s Roost Trail“, den wir heute auf eigene Faust erwandern wollen.
Der Tidenhub ist in Petersburg enorm und die Bucht vor der Stadt seicht, sodass wir von der Hanseatic Spirit ein weites Wegstück tendern müssen. Morgens, bei Niedrigwasser passieren wir große Landflächen, von denen am frühen Nachmittag nichts mehr zu sehen ist.
Auf dem Weg nach Petersburg kommen wir an einer großen Boje vorbei, die dicht belegt ist von Robben, die sich hier sonnen.
Durch steilen Bergwald am Raven’s Root Trail
Auf dem Weg dorthin begegnen wir einigen Rehen, die hier offenbar zur Stadt dazugehören und keine Scheu zeigen. Über einen hölzernen Boardwalk durch ein Moor und ein Stück entlang der Sandy Beach Road gelangen wir zur Sandy-Beach-Bucht, wo der Trail startet.
Wir merken schnell: Weil Petersburg vor einigen Jahren den Bau eines großen Kreuzfahrt-Terminals abgelehnt hat und der wesentliche Wirtschaftszweig der Stadt weiterhin die Fischerei ist, sind wir als Touristen, noch dazu in Wander-Outfit, herzlich willkommen. Autofahrer wir Fußgänger, denen wir begegnen, grüßen freundlich. Das erste Wegstück auf dem Trail wandern wir sogar gemeinsam mit einem pensionierten, einheimischen Ehepaar, die ihren Hund ausführen und erfahren einiges über Petersburg – und wie viel Glück wir haben, an einem der schönsten und sonnigsten Tage des Jahres hier zu sein.
Von einem Aussichtspunkt an der Sandy Beach Road hat man einen Blick auf den Frederick Sound und kann mit etwas Glück sogar von Land aus Buckelwale und Orcas beobachten. In diesem Jahr, so sagten uns Einheimische, hätten sich aber bislang nur wenige Wale blicken lassen. Wir sehen jedenfalls keine, haben aber immerhin einen schönen Blick auf die Hanseatic Spirit auf Reede.
Steigt man ganz hinauf zur Raven’s-Roost-Hütte, sind es hin und zurück gut sieben Kilometer mit einem Höhenunterschied von 560 Metern. Wir sparen uns die letzten 30 Höhenmeter und gehen nur bis zum Aussichtspunkt Sokoi Island Overlook – hin und zurück in knapp drei Stunden. Der Weg führt zunächst durch lichte Moorlandschaft.
Doch sobald wir den vorwiegend aus den mächtigen Sitka-Fichten und Rot-Zedern bestehenden Wald erreichen, geht es steil nach oben – so steil, dass einige Stellen nur über Treppen zu schaffen sind, teils aus Beton oder Naturstein, teils aus Alu.
Unterwegs passiert man mehrere Aussichtspunkte, zunächst mit Blick den Frederick Sound, …
… dann auf eine mächtige Sitka-Fichte, die es tatsächlich wert ist, genauer betrachtet zu werden, und zum Petersburg Outlook, der eigentlich unser Ziel war.
Doch nachdem von Petersburg hier vor lauter Bäumen kaum etwas zu sehen ist, entscheiden wir uns, noch einmal 20 Minuten weiter steil nach oben zu steigen zum Sokoi Island Overlook. Die Anstrengung war es wert.
Zurück geht es zunächst denselben, steilen Trail, dann aber über eine Abkürzung am kleinen Flughafen von Petersburg vorbei in die Stadt. Insgesamt laufen wir 20 Kilometer und steigen bis auf 530 Höhenmeter hinauf.
Unterwegs stoppen wir immer wieder an Blaubeer-Büschen im Wald, die sind nämlich gerade reif und frisch gepflückt ein Hochgenuss.
Buckelwale nach Sonnenuntergang
Die Wale, auf die wir den ganzen Tag im Frederick Sound vor Petersburg vergeblich gehofft hatten, bekommen wir kurz nach Sonnenuntergang während der Weiterfahrt in Richtung unseres nächsten Stopps dann doch noch: Nahe am Ufer taucht eine Gruppe von Buckelwalen auf. Die Hanseatic Spirit dreht bei und gibt uns Zeit, die Tiere zu beobachten.
Petersburg – „Klein Norwegen“
Peter Buschmann baute in Petersburg Ende des 19. Jahrhunderts eine Konservenfabrik für Fisch und eine Sägemühle, der nahe gelegene LeConte-Gletscher lieferte Eis zum Kühlen des Fischs. Bis heute sind Fischerei und Holzwirtschaft die wesentlichen Einnahmequellen für die Menschen in Petersburg.
Petersburg gilt heute als „Klein Norwegen“ und das Ortsbild erinnert auch heute noch zumindest entfernt an kleine, norwegische Dörfer. Jeden Mai feiert das Fischer- und Holzfällerdorf den norwegischen Unabhängigkeitstag mit dem „Little Norway Festival“. Die Häuser sind vereinzelt noch mit dem traditionellen, norwegischen „Rosemaling“ – Rosen-Malerei – verziert.
Mitkof Island, auf der Petersburg liegt, ist – anders als Petersburg – tatsächlich nach einem Russen benannt, nämlich Admiral Prokofy Mitkov. Der Name tauchte erstmals auf einer russischen Landkarte 1848 auf.