Auf der Havila Capella fahren Passagiere nicht nur durch Norwegen, sie sind auch an Bord in Norwegen: Das Essen ist regional, das Design skandinavisch, die Crew herzlich und die vorbeiziehende Landschaft gehört zu den schönsten der Welt. Aber auch die Umwelttechnik der Havila Capella ist bemerkenswert und eine der modernsten der Welt – zu diesem Aspekt später in diesem Beitrag mehr.
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Die norwegische Küstenroute wird häufig als „schönste Seereise der Welt“ betitelt. Ob das wirklich so ist, muss jeder für sich selbst beurteilen, denn auch andere Ecken der Welt, die man per Schiff bereisen kann, sind atemberaubend schön, etwa die Marquesas Islands in der Südsee. Aber die norwegischen Fjorde gehören sicherlich zumindest zu den Top-5.
Anders als auf großen Kreuzfahrtschiffen bewegen sich Schiffe wie die Havila Capella ständig in Landnähe, schlängelt sich durch Engstellen und Fjorde. Deshalb ist diese Reise ein besonders Erlebnis, wenn es an Bord so wohltuend still und ruhig ist. In der Bow Lounge und den Aussichtsplätzen im Atrium dudelt noch nicht einmal Musik aus den Lautsprechern, es ist einfach still.
Im Vordergrund stehen auf dieser Reise eben die Landschaft, Sonne, Wind, Wellen, Nordlichter oder Mitternachtssonne. Ein Highlight der Havila Capella ist die Observation-Lounge mit Glasdach.
Das ganze Entertainment besteht aus Vorträgen im Konferenzraum oder am Pooldeck und Events wie das Essen frischer Miesmuscheln am Pooldeck, Polarkreis-Taufe beim Überqueren des Polarkreises. Da braucht es weder einen DJ noch einen Barpianisten, geschweige denn abendliche Glamour-Shows in einem Theater.
Dank sehr viel Deckfläche im Freien bietet die Havila Capella jedem genug Freiraum, die Landschaft auch ganz direkt zu erleben, ohne sich erst einen freien Platz an der Reling suchen zu müssen.
Die inzwischen über Skandinavien hinaus bekannte „Hygge“ als Lebenseinstellung färbt schnell auch auf den Touristen ab, wobei das Restaurant-Konzept mit konsequenter Bedienung am Tisch zu allen Mahlzeiten ohne Buffet-Stress viel beiträgt. Die kleinen Tapas-Portionen gefallen mir persönlich sehr gut und machen jede Mahlzeit auch zu einem kleinen Event.
Und dann sind da diese Stühle im Restaurant: Hygge pur, nämlich mit kippbarer Rückenlehne. Lehnt man sich nach einem leckeren Gericht wohlig zurück, macht der Stuhl die Bewegung mit. Am liebsten würde ich diese Stühle gleich auch für zu Hause anschaffen (Stressless Dining Chair).
Havila im Vergleich zu Hurtigruten?
Und wie schneidet Havila im Vergleich zu Hurtigruten ab? Ganz ehrlich: Ich bin mit den Küstenschiffen von Hurtigruten schon zu lange nicht mehr gefahren, um deren aktuelles Angebot fairer mit Havila vergleichen zu können.
Havila hat sicherlich den Vorteil ganz neuer Schiffe, während Hurtigrutens Schiffe zwischen 20 Jahre (Trollfjord – 2002), 29 Jahre (Kong Harald, Richard With – 1993) oder sogar 39 Jahre (Vesteralen – 1983) alt sind, auch wenn diese Schiffe sehr umfangreich renoviert und auch technisch erneuert worden sind.
Konzeptionell sind die Variationsmöglichkeiten durch Lizenzvorgaben begrenzt: Fährpassagier-Vorgaben, Frachträume, Route und angelaufene Häfen. Vieles ist aber auch sonst ähnlich, etwa die sehr auf regionale Küche ausgerichtete Kulinarik.
Am offensichtlichsten unterscheiden sich die Havila- von den Hurtigruten-Schiffe beim eingesetzten Treibstoff: Havila fährt mit Flüssigerdgas (LNG), Hurtigruten mit Bio-Diesel. Beides hat seine Vorzüge und für den Passagier ergeben sich daraus keine merklichen Unterschiede.
Aber genau auf diesen besonderen Aspekt der Havila Capella bin ich bisher noch nicht eingegangen, der das Schiff jedoch in der Kreuzfahrt zu einem sehr besonderen macht. Mit dem wichtigen Aspekt „Umwelttechnik“ beschließe ich daher das Schiffsportrait der Havila Capella.
Umwelt-Technik der Havila Capella
Verbunden mit der staatlichen Lizenz für die Postschiffroute entlang der norwegischen Küste sin strenge Umweltauflagen. Deshalb gehören sowohl die Schiffe von Hurtigruten, als auch die von Havila Kystruten zu den modernsten und fortschrittlichsten Kreuzfahrtschiffen weltweit bei diesem Thema. Havila hat hier den Vorteil, bei ihren Neubauten von Anfang an Technik einzusetzen, die ansonsten nur sehr aufwendig oder gar nicht nachrüstbar ist.
Angetrieben wird das Schiff von einem Hybrid-System mit Energie aus LNG (flüssiges Erdgas) und Akkus. Das gilt aktuell als der sauberste Treibstoff, der für Kreuzfahrtschiffe inzwischen in vielen Fahrtgebieten verfügbar ist. Die Havila Capella hat dafür reine LNG-Motoren (Bergen Engines von Rolls-Royce), die ausschließlich LNG verbrennen – anders als Dual-Fuel-Motoren auf großen Kreuzfahrtschiffe, in denen für die Zündung rund zwei Prozent Marinediesel beigemischt werden müssen.
Bis 2024 plant Havila schrittweise eine Beimischung von bis zu 80 Prozent Biogas, um den zwar recht sauberen, aber dennoch fossilen und damit klimaschädlichen Treibstoff LNG zu ersetzen.
6,1 Megawattstunden aus Akkuspeicher
Bei Indienststellung hatte die Havila Capella die größten Akkus auf einem Kreuzfahrtschiff weltweit. Sie speichern 6,1 Megawatt-Stunden Energie. Inzwischen wurde die – allerdings auch sehr viel größere – AIDAprima Anfang 2022 mit Akkus für zehn MWh nachgerüstet.
Die Akkus der Havila Capella wiegen 86 Tonnen und ermöglichen dem Schiff, vier Stunden lang bei zehn Knoten Geschwindigkeit ohne jegliche lokale Emissionen und weitgehend geräuschlos zu fahren. Das wird spätestens ab 2026 entscheidend, wenn der Welterbe-Teil des Geirangerfjord nur noch emissionsfrei befahren werden darf. Die Havila Capella kann das jetzt schon.
Sobald letzte technische Hürden überwunden sind, kann die Havila Capella die Akkus auch per Landstrom aufladen, was in Norwegen nahezu klimaneutral funktioniert, weil die Energie dort fast ausschließlich aus Wasserkraft stammt. Vorhanden sind Landstromanschlüsse bereits beispielsweise in Bergen und Trondheim, geplant sind sie für einige weitere Häfen beispielsweise auch in Geiranger.
Bis dahin laden die Akkus über die LNG-Maschinen und besonders über die sogenannte Peak-Shaving-Technik: Die Motoren laufen permanent in ihrem optimalen Drehzahlbereich und damit bei dem minimal möglichen Treibstoffverbrauch. Überschüssige Energie wird in den Akkus gespeichert. Benötigt das Schiff mehr Energie, als die Maschinen in dem Moment liefern können, greift es automatisch auf die Akkus zurück. Das spart je nach Fahrtsituation bis zu 20 Prozent Treibstoff und reduziert damit auch den CO2-Ausstoß des Schiffs um diesen Prozentsatz.
Darüber hinaus sagt Havila, die Schiffe seien für den Einsatz von Wasserstoff, also Brennstoffzellen vorbereitet, sobald diese Technik für Schiffe diese Art verfügbar ist. Das ist zwar Zukunftsmusik, eröffnet aber den Weg zu einer späteren Modernisierung der Schiffe auf komplett emissionsfreien Antrieb.
Wärmerückgewinnung
Um die Energie-Effizienz weiter zu steigern, verfügt die Havila Capella über ein sehr modernes System zur Rückgewinnung von Abwärme. Es nutzt recht umfassend die ansonsten verloren gehende Energie vor allem aus Abluft und Kühlwasser.
Der norwegischen Hersteller beschreibt die Funktionsweise so: „Das System entzieht die Wärme dort, wo sie verfügbar ist. Darüber hinaus gleicht es die Wärme zwischen verschiedenen Verbrauchern aus. Dazu gehören die Klimaanlage, Bäder, Kabinen und Wohnräume sowie Trink-Sanitärwasser. Auch die Tankheizung, die Vorwärmung des Wassers für den Frischwassererzeuger und die Erwärmung des Poolwassers sind Teil des Systems. Die Wärme kann auch in Thermo-Tanks gespeichert werden und dazu beitragen, die Wärme im Schiff zu halten, wenn es am Pier liegt oder im Batteriebetrieb läuft. Die Wärme kann auch in einem Absorptionskühler zur Kühlung verwendet werden.“
Grundsätzlich kann dieses System über eine Turbine auch 1,5 Kilowatt elektrische Energie aus der Abwärme erzeugen. Auf der Havila Capella ist das zwar offenbar bereits installiert, aber noch nicht angepasst, wird also erst später genutzt werden.
Havila Capella in Zahlen und Fakten
- Baujahr: 2021
- Werft: Tersan Tersanecilik in Altinova, Türkei
- Flagge: Norwegen
- Tonnage: BRZ 15.519
- Länge: 122,7 Meter
- Breite: 22 Meter
- Tiefgang: 4,65 Meter
- Energiequelle: LNG, Akkus
- Kabinen: 179
- Passagiere: 358 (bei Doppelbelegung), max. 468 Betten; mit Fähr-Passagieren: max. 640
- Crew: 66
Havila Kystruten als Konkurrenz zu den Hurtigruten-Schiffen
Zum Abschluss noch ein paar interessante Aspekte zur Geschichte der Postschiffroute in Norwegen und die Namensgebung „Hurtigruten“ und „Kystruten“. Lange war die Route entlang der norwegischen Küste untrennbar mit dem Unternehmen namens Hurtigruten verbunden, das seit 2006 faktisch das Monopol dafür hatte. Davor gab es seit den Anfängen der Fähr-, Fracht- und Postschiffstrecke regelmäßig mehrere Reedereien, die sich das Geschäft teilten und für Konkurrenz sorgten. 1893 fuhr Richard With erstmals mit staatlicher Lizenz und festem Fahrplan zunächst von Trondheim nach Hammerfest, nur zwei Jahre, nachdem Albert Ballin 1891 seine erste Kreuzfahrt anbot.
Als die letzten zwei verbliebenen Konkurrenten auf der Strecke Bergen-Kirkenes 2006 fusionierten, übernahm das neue Unternehmen den bis dahin im Volksmund allgemein für diese regelmäßige Fährverbindung geläufigen Begriff „Hurtigruten“ als Unternehmensnamen. Havila bezeichnet sich daher als „Kystruten“, obwohl auch diese Schiffe auf der Strecke fahren, die früher allgemein als „Hurtigruten“ bekannt war.
Für die komplette, spannende Geschichte der Linienschifffahrt entlang der norwegischen Küste ist das Buch von Oliver Schmidt „Hurtigruten – Vom Postschiffdienst zur Expeditionskreuzfahrt“ empfohlen, das sehr detailreich und gut recherchiert auch viele Zusammenhänge und Hintergründe erklärt.
Havila ist übrigens kein neues und auch kein ganz kleines Unternehmen. In den 1950er-Jahren in der Fischerei gestartet, ist die Havila Group heute unter anderem beteiligt an oder Eigentümer von Hotels, dem Reiseunternehmen Fjord Tours, der Fährgesellschaft Fjord1, der norwegische Regional-Airline Widerøe (via WF Holding), Weften und in der Offshore-Industrie. Eine Übersicht dazu findet sich auf der Havila-Website.
Post-Flagge, aber keine „Postschiffe“
Und noch ein Detail zur norwegischen Küstenroute, das die wenigsten kennen: Die Schiffe auf der „Postschiffroute“ sind schon seit 1984 keine offiziellen Postschiffe mehr. Dennoch führen sowohl die Schiffe von Hurtigruten als auch Havila weiterhin die Postflagge. Postkarten und Briefmarken werden an Bord aber weiterhin verkauft.
Hi, betr. das angegebene Alter der Hurtigruten-Schiffe; die o.a. Angaben sind nicht richtig, Die Schiffe sind viel älter!!!
Die Trollfjord ist Baujahr 2002, also 20 Jahre alt
Die Kong Harald ist Baujahr 1993, also 29 Jahre alt,
Die Vesteralen ist Baujahr 1983 also 39 Jahre alt
Bitte berichtigen.
Vielen Dank für den Hinweis – offenbar habe ich da unbeabsichtigt durchgängig zehn Jahre unterschlagen. Ich habe es im Text korrigiert.