Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Post Type Selectors
Kreuzfahrtschiff-Emissionen, Schornstein

Alternative Treibstoffe: Wie viele Schiffe LNG, Wasserstoff, Methanol & Co. bereits nutzen

Über alternative, umweltfreundliche und klimaschonende Treibstoffe und Antriebe wie LNG und Brennstoffzellen in der Kreuzfahrt wird viel geschrieben. Aber wie weit ist die Entwicklung in diesem Bereich eigentlich? Wie viele Kreuzfahrtschiffe nutzen solche modernen Techniken bereits? Und wie schlägt sich im Vergleich dazu die Container- und Frachtschifffahrt?

Sehen Sie zu diesem Thema auch unsere Videoserie „Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschadstoffe – und wie sie sich vermeiden lassen, unter anderem mit Episoden zu fossilem LNG als Brückentechnologie, Bio-Diesel und Bio-Gas, Power-to-X-Technologie, E-Fuels, synthetische Kraftstoffe, Methanol und Brennstoffzellen.

Die Klassifikationsgesellschaft DNV erstellt regelmäßig Statistiken zur Nutzung alternativer Kraftstoffe in der zivilen Schifffahrt. Eine Basis-Version dieses „Alternative Fuels Insight“ ist sogar frei verfügbar.

Daraus ergibt sich für 2022 einerseits ein ermutigendes Bild, weil die Nutzung alternativer, insbesondere klimaschonender Technik deutlich zunimmt. Andererseits ist ihr Anteil an der gesamten Schifffahrt immer noch sehr gering.

Alternative Treibstoffe auf niedrigem Niveau aber stark zunehmend

In der zivilen Schifffahrt fahren aktuell 99,53 Prozent der Schiffe mit konventionellen Treibstoffen – also Schweröl und Marinediesel. Nur 0,47 Prozent nutzen bereits aktuell LNG (0,37 Prozent der Gesamtflotte), LPG (0,07 Prozent), Methanol (0,03 Prozent) oder Wasserstoff (0,01 Prozent).

Bei den bereits in Auftrag gegebenen Neubauten, Stand 2022, steigt der Anteil der mit alternativen Treibstoffen betriebenen Schiffe aber merklich an: 13,05 Prozent der Neubauaufträge beziehen sich auf Schiffe mit alternativen Treibstoffen, erneut mit deutlichem Vorsprung bei LNG mit 9,97 Prozent aller Neubau-Aufträge, gefolgt von LPG (1,61 Prozent), Methanol (1,11 Prozent) und Wasserstoff (0,36 Prozent).

In der Kreuzfahrt werden laut DNV-Statistik bald ungefähr zehn Prozent der Schiffe alternative Treibstoffe nutzen können. Ende 2022 waren aktiv in Dienst sowie als Neubauten beauftragt 39 LNG-Schiffe, acht mit Wasserstoff-basierender Technik (Brennstoffzellen) sowie eines mit Methanol (Mein Schiff 7). Update 28.3.2023: Inzwischen sind weitere Ankündigungen für Methanol-fähige Schiffe hinzugekommen, von Celebrity Cruises, Norwegian Cruise Line, Disney Cruise Line und für das Residenz-Schiff Njord.

Abgaswäscher, auch Scrubber genannt, setzen übrigens inzwischen laut DNV 224 Kreuzfahrtschiffe ein – bei einer Gesamtflotte von – nach cruisetricks.de-Zählung – knapp 400 Kreuzfahrtschiffen weltweit. In der Fracht- und Containerschifffahrt sind Scrubber dagegen relativ wenig verbreitet: Lediglich 2.911 Bulk-Carriers und Containerschiffe der geschätzten Flotte von über 50.000 arbeiten mit dieser Technik. Die meisten setzen zur Einhaltung der Abgasvorschriften auf schadstoffreduzierten Treibstoff.

Nicht berücksichtigt: Segelschiffe und Landstrom-Technik

Was in der DNV-Statistik nicht erfasst wird, sind Segelschiffe, die nachvollziehbarerweise außerhalb der Kreuzfahrt keine Rolle spielen und auch in der Kreuzfahrt nur einen sehr kleinen Anteil ausmachen. Dennoch tragen natürlich die Segel auf diesen Schiffen nicht unerheblich zur Reduzierung des Treibstoffverbrauchs und damit des Treibhausgas-Ausstoßes bei.

Ebenfalls außen vor in der DNV-Statistik bleibt Landstrom-Technik, die nach langer Stagnation nun in immer mehr Häfen verfügbar wird, sowohl für die Kreuzfahrt als auch in der Fracht- und Containerschifffahrt.

Neubau-Aufträge für Schiffe mit alternativen Treibstoffen in absoluten Zahlen

Die DNV-Statistik nennt neben den Prozentwerten auch absolute Zahlen: Mit Stand Ende 2022 standen 275 zivile Schiffe mit alternativen Treibstoffen in den Auftragsbüchern der Werften, wobei DNV hier weder Akku-Technik noch die 50 LPG-Carrier mit Dual-Fuel-LNG-Motoren mitzählt.

222 (81 Prozent) davon werden LNG nutzen. Insgesamt zählt DNV 876 LNG-Schiffe in Dienst oder als in Auftrag gegeben, allein 104 seien 2022 hinzugekommen.

Am zweitpopulärsten ist Methanol, mit 35 solcher Schiffe in den Auftragsbüchern und insgesamt 82 in Auftrag gegeben oder bereits in Dienst.

Platz drei belegen die 18 beauftragten Schiffe mit Wasserstoff-Technik, was von kleinen, komplett mit Wasserstoff fahrenden Schiffen bis hin zu großen Schiffen reicht, die mit Wasserstoff, respektive Brennstoffzellen, einen noch relativ kleinen Anteil ihres Energiebedarfs decken.

Alternative Treibstoffe in der Kreuzfahrt

Die 2022er-Statistik des DNV nennt die folgenden Zahlen speziell für die Kreuzfahrt. Die Zahlen reflektieren die Nutzung der jeweiligen Technik an Bord der Schiffe, bedeuten aber nicht automatisch, dass diese Technik oder dieser Treibstoff die komplette Energieversorgung des Schiffs übernimmt oder übernehmen kann:

alternative TechnikKreuzfahrtschiffe in Dienstin Bau/bestellt
Akku-Technik213
Wasserstoff17
LNG1326
Methanol01

Update: Insbesondere bei Methanol schreitet die Entwicklung aktuell rasch voran. Inzwischen haben neben TUI Cruises mit der Mein Schiff 7 auch Norwegian Cruise Line für zwei Schiffe der Prima-Plus-Klasse sowie Disney Cruise Line für die übernommene, frühere Global Dream angekündigt, auf Methanol zu setzen.

Differenz zwischen „möglich“ und „tatsächlich genutzt“

Alle Zahlen sind allerdings mit etwas Vorsicht zu genießen, denn sie zeigen nur auf, welche Treibstoffe die Schiffe nutzen können, nicht aber, ob oder in welchem Umfang sie das in der Praxis tatsächlich tun oder tun werden. Denn beispielsweise sind Dual-Fuel-Motoren in der Lage, zwei verschiedene Treibstoffarten zu nutzen, insbesondere: Marinediesel und LNG. Ob LNG tatsächlich zum Einsatz kommt, hängt von dessen Verfügbarkeit im Fahrtgebiet ab, aber auch, ob die Preise der jeweiligen Treibstoffe wirtschaftlich vertretbar sind.

Wie sich das verändern kann, zeigt aktuell der hohe LNG-Preis – mehrere Reedereien haben bereits öffentlich eingeräumt, dass sie derzeit mit Marinediesel statt Schweröl fahren, beispielsweise AIDA und Costa.

LNG mit Abstand am populärsten bei den Reedereien

Am populärsten unter den alternativen Treibstoffen, das zeigen die Statistiken von DNV, ist Flüssigerdgas (LNG). Die Technik ist inzwischen etabliert, die Verfügbarkeit zumindest in vielen Fahrtgebieten gesichert und auch beim Schiffbau gehen die Reedereien und Werften mit LNG kein Risiko mehr ein und müssen nicht mehr mit unangenehmen Überraschungen rechnen.

Ganz unproblematisch ist LNG freilich nicht und wird daher auch lediglich als Übergangstechnik betrachtet: LNG gilt zwar als der klimafreundlichste unter den aktuell einsetzbaren Treibstoffen, doch fossiles LNG verursacht weiterhin CO₂-Ausstoß und auch der Methan-Slip ist ein deutlicher Makel. Denn Methan ist ein wesentlich potenterer Klimaschadstoff als CO₂, sodass die Motorenhersteller intensiv an Techniken arbeiten, den unverbrannt entweichenden Teil des LNGs zu reduzieren.

Auf Fracht- und Containerschiffen eingesetzte Zweitaktmotoren sind dabei offenbar weniger problematisch als Vier-Takt-Dual-Fuel-Maschinen mit Otto-Technik. Laut MAN Energy Solutions liegt der Methan-Slip bei den Zweitaktern aktuell bei 0,2 bis 0,3 Gramm pro Kilowattstunde. Große Fortschritte gibt es dabei aber offenbar mit diversen Techniken, beispielsweise Exhaust Gas Recirgulation (EGR) oder mit der Ausnutzung einer technischen Eigenheit, dass die Erhöhung der Stickoxid-Emissionen den Methan-Slip reduziert, während man die höheren Stickoxide wieder durch Katalysatoren abfangen kann. Auch Abgasnachbehandlung mit Oxidation Catalysts (Oxicats) kann eine Methan-Slip-Reduzierung von bis zu 70 Prozent bringen, sagt MAN Energy Solutions gegenüber dem Fachmagazin Marinelog, in dem das Thema „Alternative Treibstoffe“ in der Januar-Ausgabe 2023 als Titel- und Schwerpunkt-Thema behandelt wird.

Warum geht der Wandel zu alternativen Treibstoffen nicht schneller?

Das Dilemma, in dem Reedereien und Werften stecken, ist der lange Zeitversatz zwischen Verfügbarkeit neuer Techniken und ihrer weiten Verbreitung. Der wesentliche Grund dafür ist die lange Lebensdauer von mindestens 20 bis 25 Jahren der jeweils aktuell mit der modernsten, verfügbaren Technik ausgestatteten Schiffe.

Nicht unerheblich verzögern auch Genehmigungsprozesse die Einführung und Nutzung alternativer Treibstoffe. Die Entwicklung von LNG in der Kreuzfahrt zeigt exemplarisch, wie schwierig und langwierig dieser Weg ist – von der AIDAprima und AIDAperla, die lediglich im Hafen LNG nutzten konnten, bis hin zu einer jetzt schnell wachsenden Flotte von großen Kreuzfahrtschiffen mit Dual-Fuel-Maschinen bis hin auch zu rein mit LNG angetriebenen Schiffen wie etwa den Küstenrouten-Schiffen von Havila in Norwegen.

Längerfristig gibt es eigentlich nur eine sinnvolle Lösung, um den Ausstoß der Schifffahrt – Container und Fracht ebenso wie Kreuzfahrt – an Treibhausgasen auf null zu reduzieren: Es muss ausreichend grüne, also klimaneutral erzeugte Energie verfügbar sein, um daraus grüne Kraftstoffe zu erzeugen (Power-to-X, P2X). Und diese Treibstoffe lassen sind dann unter Umständen sogar auf bereits existierenden Schiffen mit älterer Motorentechnik einsetzen. Einen Überblick dazu finden Sie in unserem Beitrag Klimaneutrale Treibstoffe in der Kreuzfahrt: Das ist der aktuelle Stand der Technik.  

1 Kommentar

Über den Autor: FRANZ NEUMEIER

Franz Neumeier
Über Kreuzfahrt-Themen schreibt Franz Neumeier als freier Reisejournalist schon seit 2009 für cruisetricks.de und einige namhafte Zeitungen und Zeitschriften. Sein Motto: Seriös recherchierte Fakten und Hintergründe statt schneller Schlagzeilen und Vorurteile, damit sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. TV-Reportagen zitieren ihn als Kreuzfahrt-Experten und für seine journalistische Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er wird regelmäßig in die Top 10 der „Reisejournalisten des Jahres“ gewählt und gewann mit cruisetricks.de mehrfach den „Reiseblog des Jahres“-Award.

1 Gedanke zu „Alternative Treibstoffe: Wie viele Schiffe LNG, Wasserstoff, Methanol & Co. bereits nutzen“

  1. Herr Neumeier,
    Ein sehr informativer und aufschlussreicher Bericht, auch wenn einige andere Statistiken höhere Zahlen der Schiffe nennen, deren Motoren mit alternativen Kraftstoffen, in erster Linie LNG, betrieben werden. So kommt z.B. Transport & Environment auf 923 in Dienst befindliche LNG-Schiffe (siehe http://www.klimawandel-report.com), was bei rund 100.000 ozeangängigen Schiffen einem Anteil von 1 % entspricht. Das Hamburger Schiffs-Ingenieur Journal berichtet, mit Stand 2020, allein von 600 Flüssiggas-Tankern auf See, von denen die meisten mit Dual-Fuel-Motoren ausgestattet sind, die das Boil-Off-Gas als Treibstoff nutzen (können !). Als jemand, der sich um unser Klima Sorgen macht, beunruhigt mich jedenfalls die hohe Zahl von Schiffen, die mit Marinekraftstoff oder sogar noch mit Schweröl fahren (wobei LNG-Motoren nur unwesentlich weniger CO2 als Marinediesel und Schweröl ausstoßen). Kein Wunder, dass die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt auf hohem Niveau verharren. Etwa 700 Mio. t CO2 waren es im Jahr 2021, nahezu ebenso viel wie Deutschland im gleichen Jahr in sämtlichen Sektoren emittierte. Man kann nur hoffen, dass der Schifffahrtsektor umgehend mehr auf das Thema grüne Kraftstoffe, speziell grünen Wasserstoff, setzt.
    Horst Köhler, Friedberg
    http://www.klimawandel-report.com

Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Neue Kommentare werden aus technischen Gründen oft erst einige Minuten verzögert angezeigt.
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner