Mein persönliches Empfinden nach einer Woche an Bord ist, dass die verbliebenen Mängel (siehe unten) nicht nennenswert stören – auch wenn sie für die Reederei höchst ärgerlich sind, denn bei einem nagelneuen Schiff erwartet man von einer Werft ein makelloses, fehlerfreies Schiff. Sieht man über die kleinen Mängel hinweg, was mit ein wenig gutem Willen nicht schwerfällt, erweckt die World Explorer auf meiner Reise einen positiven Gesamteindruck.
Update: Allerdings steht mein persönlicher und direkter Eindruck vom Schiff in einigem Widerspruch zu Passagier-Aussagen von einer anderen Reise – Details dazu am Ende des Beitrags.
Keinen Gefallen tut Nicko Cruises sich damit, die World Explorer als Schiff auf 5-Sterne-Niveau zu bewerben. Da hilft auch die Fußnote nicht, dass es sich dabei um eine Nicko-interne Einstufung handelt. Diese interne Wertung orientiert sich an den Flusskreuzfahrtschiffen von Nicko Cruises, die sich zwischen vier und fünf „Sternen“ (Wellensymbol-Logos) bewegen. Im Vergleich dazu mag die World Explorer sicherlich der 5er-Wertung entsprechen.
Aber nicht im Vergleich zu fünf deutschen Hotelsternen oder den am besten bewerteten Kreuzfahrtschiffen in Douglas Wards „Berlitz Cruise Guide“ oder in einem der deutschsprachigen Kreuzfahrtschiff-Guides, an denen sich Kreuzfahrer möglicherweise orientieren, wenn sie „Fünf Sterne“ lesen. Das schafft also überflüssigerweise zu hohe Erwartungen, die an Bord nicht erfüllt werden können.
Dabei hat die World Explorer viel zu bieten und hätte es verdient, dass ihre Passagiere mit den richtigen Erwartungen auf eine schöne Reise eingestimmt werden. Denn das Innendesign des Schiffs ist in meinen Augen sehr stilvoll, modern und dennoch gemütlich. An vielen Stellen ist die Ausstattung sehr gut durchdacht und praktisch. Das Niveau der Kabine liegt über dem von den meisten Kreuzfahrtschiffen gewohnten Standard, zumal bei der geringen Schiffsgröße. Die Observation Lounge ist ebenso wie das offene Observation Deck am Bug ein Highlight. Und Crew sowie Service, das sei zum Abschluss noch einmal betont, sind hervorragend.
Zustand der World Explorer Anfang September 2019
Die Auslieferung der World Explorer hatte sich um viele Monate verzögert. Immer wieder musste Nicko Cruises geplante Reisen absagen, weil das Schiff in der Werft nicht fertig wurde. Schließlich hat die Reederei dann wohl die Zähne zusammengebissen und entschieden, keine weiteren Reisen abzusagen. Fertiggestellt war das Schiff zu diesem Zeitpunkt dennoch nicht, laut Passagierberichten der ersten beiden Reisen herrschte an vielen Stellen noch Baustelle.
Davon war auf dritten Reise der World Explorer von Island nach Hamburg, auf der ich an Bord war, nichts mehr zu sehen, zu hören oder zu spüren. Einige Handwerker und auch die Schiffsarchitektin waren jedoch an Bord und es gab noch sehr viel zu tun. Das passierte weitgehend im Verborgenen und beeinträchtigte die Passagiere nicht oder jedenfalls nicht mehr als normale Instandhaltungsarbeiten, wie sie auf Schiffen üblich sind.
Schlampige Verarbeitung und viele kleine Mängel
Die Mängel bestehen aus unzähligen Kleinigkeiten und es ist offensichtlich, dass der Innenausbau von West Sea Viana Shipyard in Portugal sehr ungenau und – man muss es so sagen – schlampig ausgeführt wurde. Zahllose kleine Schrammen, Dellen, nicht genau passende Paneele, unerwünschte Fugenspalten, ungenau eingepasste Elemente, angestückelte Abschlussleisten und Ähnliches. Dass das Treppenhaus offenbar nur notdürftig eingerichtet ist und nicht dem geplanten Aussehen entspricht, ist ärgerlich, aber eher ein ästhetisches als ein praktisches Problem.
Deutlich unangenehm ist für die Bewohner der Kabinen im vorderen Teil des Schiffs bei etwas Seegang ein schlagendes Geräusch, das offenbar durch die Ankerkette verursacht wird, die wenige Zentimeter Spiel hat. Das Problem soll nur in der Werft behebbar sein. All das muss jetzt nachträglich korrigiert oder repariert werden, ein nennenswerter Teil bei einem kurzen Werftaufenthalt im Oktober in Portugal, bevor die World Explorer über den Atlantik nach Brasilien fährt.
Einige Beispiele für die vielen kleinen Mängel:
Bis auf die – mutmaßlich bald behobenen – Pool-Probleme und die schlagende Ankerkette sind das alles Schönheitsfehler, von denen die meisten nur auffallen, wenn man genau hinsieht. Das Gesamtbild stört das meinem Empfinden nach nicht, ebenso wenig beeinträchtigt es den Komfort oder die Funktionsfähigkeit – oder zumindest nicht, soweit uns das an Bord aufgefallen wäre.
Schrammen an der Wand, Luftblasen unter aufgeklebten Furnieren (zum Beispiel im Treppenhaus), ungewollte breite Fugen bei Leistenabschlüssen in Ecken, leicht schräg montierte Abdeckungen von Klimaanlagen, falsch gebohrte Löcher für die Verankerungen der Treppengeländer und vieles mehr dieser Art – all das ist vor allem für die portugiesische Reederei Mystic Cruises und die deutsche Tochter Nicko Cruises höchst ärgerlich, weil sie und damit auch ihre Kunden von der Werft ein fehlerfreies Schiff erwarten können.
Ich bin ratlos …
Ich bin selten wirklich ratlos – hier bin ich es. Denn ich habe meine Reise und die World Explorer so erlebt, wie ich es hier in allen Details beschreibe. Ich habe bezüglich der Schilderung meiner eigenen Erfahrungen nichts zu korrigieren oder zurückzunehmen.
Andererseits hatte ich Kontakt mit Passagieren einer späteren Reise, kreuzfahrterfahrene und glaubwürdige Menschen, die in vielen Punkten einen deutlich anderen Eindruck vom Schiff gewonnen haben (Beispiel: „Reisebericht – Seereise auf MS World Explorer – ein Fiasko„). Auf besagter Reise herrschte teils Sturm und der Seegang war möglicherweise höher als auf meiner Reise – aber nur möglicherweise, weil Nicko Cruises angibt, es habe nie Wellen von mehr als 2,5 Metern gegeben und das ist weniger Seegang, als ich es auf meiner Reise erlebt habe. Stärkere Schiffsbewegungen könnten aber einige der Unterschiede erklären, die auf meiner Reise so nicht erkennbar waren: in einigen Kabinen laut knarzende Inneneinrichtung bei starkem Seegang beispielsweise, erklärbar durch schlechte Verarbeitung, die ich ja grundsätzlich auch gesehen und beschrieben habe, die sich auf meiner Reise aber nur als Schönheitsfehler ohne praktische Auswirkung gezeigt hatte. Andere Widersprüche lassen sich mutmaßlich aus den durchaus berechtigten Erwartungen aufgrund der ebenfalls bei mir beschriebenen, sehr unglücklichen Fünf-Sterne-Klassifizierung des Schiffs erklären.
Weil ich auf der derzeit so stark kritisierten Reise nicht dabei gewesen bin, kann ich mir dazu auch nach einer eingeholten Stellungnahme von Nicko Cruises keine wirklich fundierte Meinung bilden. Auf meiner Reise haben sich viele der kritisierten Punkte (insbesondere: Service) deutlich anders dargestellt. Deshalb muss ich meine Leser, so schwer es mir fällt, an dieser Stelle ein wenig allein lassen und bitten, sich ein eigenes Bild aus den unterschiedlichen Informationen zu machen. Zu einem späteren Zeitpunkt – insbesondere nach dem Werftaufenthalt in Portugal im Oktober oder dann nach der Antarktis-Saison des Schiffs bei Quark Expeditions ergibt sich hoffentlich ein konsistenteres Bild.
Um ein Missverständnis zu vermeiden, das vereinzelt an mich herangetragen wurde: Der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags war lange geplant und hat keinerlei Zusammenhang mit den Passagierberichten von der aktuellen Reise, die offenbar u.a. wegen sehr schlechten Wetters, hohen Seegangs und Unzulänglichkeiten an Bord der World Explorer sehr negativ ausfallen.
Dieses Schiffsportrait und Fazit sind Teil der Artikelserie zur World Explorer, die ich mit Live-Blogbeiträgen während der Reise begonnen habe und die – genau so, wie ich das bei solchen Reisen immer mache – mit eben einem solchen Portrait und Fazit spätestens ein paar Tage nach der Reise abschließt. Da ich direkt im Anschluss an die World Explorer noch einige Tage auf der Scenic Eclipse war, konnte ich diesen letzten Teil der Artikelserie erst einige Tage später schreiben, sodass der Beitrag eben nunmal genau jetzt fertig geworden ist und online ging.
Aufgrund der aktuellen Passagierberichte habe ich kurz nachgedacht, den Beitrag zu verschieben, bin aber zum Ergebnis gekommen, dass es ziemlich fragwürdig wäre, die exakt so geplante und terminierte Veröffentlichung von äußeren Einflüssen beeinflussen zu lassen.
Zudem handelt es sich bei diesem Beitrag nicht um eine aktuelle News-Meldung, sondern um ein auf Dauer angelegtes Schiffsportrait, das auch noch in ein paar Wochen und Monaten Gültigkeit haben soll.
Ich war mit meiner Frau im September 2020 mit der World Explorer, die statt der noch nicht fertigen World Voyager fuhr, in der Ägäis unterwegs. Auch wir hatten sehr zwiespältige Eindrücke.
Wirklich phantastisch war, wie vom Veranstalter und der Reederei das Problem Hygiene und „Pandemie-Sicherheit“ betrieben wurde. Ich habe sehr viel über die Vorsorge anderer Reedereien gelesen und kann nur sagen, dass m.E. auf diesen Reisen im Mittelmeer von Mystic Cruises mit Nicko Cruises das allerbeste Konzept durchgeführt wurde. Es gab keine Sekunde, in der wir uns unsicher fühlten.
Das Schiff war unseres Erachtens überall in Ordnung; uns sind selbst kleine Mängel nicht aufgefallen, haben aber darauf auch nicht besonders geachtet. Was jedoch extrem störte, war, dass es in vielen Kabinen (anscheinend vor allem den Suiten) und insbesondere deren Balkonen nach Fäkalien gestunken hat, so dass einige Passagiere sich neue Kabinen haben geben lassen. Das Problem schien bekannt zu sein und soll beim nächsten Werftaufenthalt gelöst werden. Bin gespannt, von später Reisenden zu hören, ob sich hier etwas gebessert hat. Ohne zu wissen, dass dieses Problem gelöst ist, würden wir dieses nicht wieder buchen.
Das nächste Problem ist tatsächlich das der sich selbst gegebenen Sterne. Daran haben wir selbstverständlich das Schiff, die Crew, den Service und das Reisemangement gemessen. Leider fehlte hier eine große Menge, um das angestrebte Niveau zu erreichen. Für uns bewegte sich das Niveau auf der Ebene von 4 teilweise sogar nur 3 Sternen. Dies liegt aber vielleicht daran, dass man in diesem Herbst nur mit einer sehr geringen Anzahl Passagiere fahren konnte und man sich deshalb mit dem Niveau des Service kostenmäßig auf eine niedrigere Stufe begeben musste. Hier muss aber klar festgestellt werden, dass wir selten so ein freundliches Personal erlebt haben, dass sich wirklich sehr viel Mühe gegeben hat. Leider war aber deren Ausbildung oft überhaupt nicht profihaft. Hier gibt es großes Verbesserungspotential, was aber möglich ist. Wir können uns überhaupt nicht vorstellen, wie ein Wohlfühlen bei voll besetztem Schiff mit diesem Personal hätte stattfinden können. Glücklicher Weise waren wir nur 23 Passagiere bei 90 Mann/Frau Crew. Da hätte Einiges besser laufen können – was wäre das dann für eine tolle Werbung geworden!
@Hendrik: Vielen Dank für die vielen Details! Nur 23 (!?) Passagiere auf diesem Schiff, das muss sich zumindest beim Raumgefühl wie eine riesige Privatyacht angefühlt haben.
Guten Tag zusammen,
mich würde sehr interessieren, ob das Schiff für meine Mutter – Rollstuhl und noch ein wenig zu Fuss- geeignet ist….
Wir suchen ein kleines Schiff, da mein Vater beginnend dement ist.
Lg
@Uta Pähler-Gey: Grundsätzlich würd eich sagen: ja. Aber ich empfehle, dass Sie sich in einem Reisebüro genauer dazu beraten lassen, denn oft kommt es dabei auf individuelle Details an, an denen Dinge scheitern können und das kann man nur im persönlichen Beratungsgespräch (oder bei Nicko Cruises telefonisch) klären.