Der Ankerplatz der Aranui 5 vor der Marquesas-Insel Ua Huka ist der spektakulärste dieser Reise: Das Schiff fährt in die enge, fjordartige Bucht von Vaipaee, dreht dort mit nur sehr wenig Spielraum und ankert dann zwischen zwei Felswänden.
Zum Tendern der Passagiere und zum Entladen der Fracht müssen die Barges unter den Leinen hindurch fahren, mit denen das Schiff links und rechts an Pollern in den Felswänden gesichert ist, zusätzlich zum Anker.
In Vaipaee auf Ua Huka wird unter anderem ein Auto, ein kleiner Betonmischer und jede Menge Baumaterial ausgeladen, das wir schon die ganze Reise lang auf dem Frachtdeck der Aranui 5 haben liegen sehen. Irgendjemand wird hier wohl bald mit dem Bau eines neuen Hauses beginnen. Wer genau das ist, könnte man sogar feststellen, denn die Fracht ist typischerweise in großen Buchstaben mit dem Namen des Empfängers beschriftet und steht bis zur Abholung an der Pier.
Mit Vierrad-Fahrzeugen machen die Passagiere auf Ua Huka eine kleine Rundreise über einen Teil der Insel. Am Programm steht unter der einzige botanischer Garten Polynesiens. Der ehemalige Bürgermeister hat hier 1982 begonnen, beispielsweise 300 verschiedene Arten von Zitrusfrüchten, 50 Mango-Sorten, Cashewnüsse, eine Teakholzplantage, aber auch viele heimische Bäume und auch Vanille zu pflanzen. Interessant ist auch das kleine Holz-Museum, das zum Garten dazu gehört. Hier werden zahlreiche Längs- und Querschnitte verschiedener Bäume gezeigt – die Vielfalt an Farben und Maserungen ist faszinierend.
Wir besuchen zwischendurch zwei Kunsthandwerksmärkte, hier vor allem mit sehr feinen Holzschnitzereien. Nahe des Flugplatzes der Insel gibt ein schön gemachtes Museum mit vielen Artefakten aus der Frühzeit der Besiedelung der Marquesas.
Und wir machen wieder eine kurze Wanderung, steil durch den Wald hinauf zum historischen Tempel „Mei Aute“ mit einigen alten Tiki, die erst vor wenigen Jahren entdeckt und restauriert wurde.
Während der Fahrt auf einer kurvigen, steilen Straße entlang der felsigen Küste erinnert die Landschaft ein wenig an die Küste Kaliforniens südlich von San Francisco: karg bewachsen und jetzt am Ende der Trockenzeit mehr braun als grün – so ganz anders als die bisherigen Marquesas-Inseln, die wir bislang angelaufen sind. Immer wieder sehen wir Pferde – ob wild oder zahm ist kaum festzustellen, aber jedenfalls gibt es auf Ua Huka auch viele wild lebende Pferde.
Interessant: Ua Huka ist die einzige Marquesas-Insel, die bislang das Einwandern von Ratten verhindern konnte. Im Hafen gibt es dafür sogar einen eigenen, kleinen Spürhund namens Dora, der angelieferte Fracht auf Rattenbefall untersucht. Die Ratten sind nicht nur eine Gefahr für die heimische Vogelwelt, sie vernichten auf den anderen Inseln auch etwa die Hälfte der Ausbeute des Kokosnuss-Produkts Kopra, das eine wichtige Einnahmequelle für die Einheimischen darstellt. Ua Huka ist von dieser Plage bislang verschont geblieben.
Nachmittags fahren wir weiter nach Nuku Hiva, wo wir für die Nacht vor Anker gehen. Denn eines der Highlights der Reise an Bord der Aranui 5 ist der Polynesische Abend, der heute stattfindet
Es gibt Musik, eine der besten marquesischen Tanz-Gruppen tritt auf, es gibt lokale Spezialitäten vom Buffet – und für die Passagiere die Gelegenheit, sich mit für den Abend mit Blumenkränzen, Blüten im Haar und Pareo-Tüchern stilecht im polynesischen Stil anzuziehen.
Durch Zufall geriet die Tagebuchnotizen von Kapitän Cook in meine Hände. Er unternahm drei große Entdeckungsreisen und lief dabei immer wieder die polynesischen Inseln an, die heute unter französischer Verwaltung stehen. Cook lieferte ausgezeichnete Landschaftsbeschreibungen. Die Sitten und Gebräuche so wie die unterschiedlichen Rassen auf den Inseln wurden von ihm wortreich beschrieben. Er war stets bemüht diese Kulturen zu würdigen und so wenig wie möglich dort europäischen Einfluß geltend zu machen. Ein wahrhafter Menschenfreund. Die polynesischen Insulaner pflegten ihre unterlegenen Feinde entweder zu versklaven, zu verzehren oder den Göttern zu opfern. Es kam durchaus vor, daß Polynesier dem englischen Seeabenteurer als Geschenk in einem Beutel den abgetrennten Kopf eines erschlagenen Feindes darbrachten. Sie konnten nicht verstehen, daß dieses Geschenk nicht nur auf heftige Ablehung stieß, sondern großen Ekel hervorrrief. Einig Matrosen und Offizieren erbrachen sich nicht nur, sondern wurden regelrecht krank angesichts dieser abgetrennten Köpfe, so Cooks Notiz. Auf der zweiten Reise, als er mit 2 Schiffen noch einmal Neuseeland anlief, geschah es, daß 10 Seeleute der „Adventure“ bei einem Landgang in einen Hinterhalt gerieten und niergemacht wurden. Alle 10 wurden verspeist. Das Angewiedertsein der britischen Seeleute über den Kanibalismus, das sich wie ein Lauffeuer auf den Inseln verbreitete, muß bei den Insulanern einiges Nachdenken hervorgerufen haben, so die Notizen Cooks. Als er wieder einmal auf Neuseeland vor Anker ging und die Insulaner in freudig begrüßten, fiel es auf, daß einige, die einen Beutel mit sich trugen, in die Büsche schlagen wollten. Als Cook daruf bestand, den Inhalt zu sehen, bemerkte er, daß sich die Träger der Beutel schämten. Die Beutel erhielten abgetrennte Köpfe von erschlagenen Feinden.
Gerne würde ich wissen, wie weit dieser Kanibalismus in der offiziellen Geschichtsschreibung der Inseln Erwähnung findet. Die christliche Mission leistete einen entscheidenden Beitrag zur Beseitigung des Kanibalismus aber auch zu Beseitung der Dämonenangst. An einen Hochgott, der alle Menschen gleich schuf als Mann und Frau und dazu aufrief, daß jedes Menschenleben zu schützen und zu verantworten sei, finden wir bei den Insulanern in der Ausprägung, wie sie im christlichen Abendland entwickelt wurde, zur Zeit Cooks nicht.