Dank LNG als Treibstoff zieht die AIDnova keine gelblichen Rauchfahnen hinter sich her. Denn CO2 und vergleichsweise geringe Mengen Stickoxid, die auch bei LNG-Verbrennung entstehen, sind unsichtbar. Nur ein leichtes Flimmern ist in der Luft zu sehen, das durch die Abwärme der Motoren entsteht.
Die AIDAnova ist seit einigen Wochen in Dienst und fährt seitdem durchgehend mit flüssigem Erdgas (LNG) als Kraftstoff. Wie funktioniert der LNG-Betrieb, welche Risiken und Besonderheiten gibt es?
Ich habe darüber mit Daniel Henning gesprochen, dem LNG-Ingenieur der AIDAnova. Der gelernte Schiffstechniker und studierte Schiffsbetriebstechniker kümmert sich auf der AIDAnova um die Gasanlage und arbeitet seit acht Jahren für die Reederei.
Wie stark unterscheidet sich der Betrieb zwischen Schweröl und LNG als Kraftstoff?
Im Prinzip sind die Unterschiede eigentlich sehr gering, nur dass die Maschinen etwas langsamer reagieren auf Lastaufnahmen. Aber sonst? Meine Position wurde neu geschaffen und die Wach-Ingenieure auf den LNG-Betrieb an Bord trainiert. Die Wach-Ingenieure der ganzen anderen Brands kommen zu uns zum Training. [Anm.: Ingenieure der Marken des Carnival-Konzerns, die ebenfalls in absehbarer Zeit Schiffe mit LNG-Antrieb bekommen werden, wie beispielsweise Costa.]
Als Laie stellt man sich schon vor, dass Gas auch mal explodieren könnte …
Die Sorge ist unbegründet, weil das Gas in verflüssigter Form gelagert wird und daher schon sehr schwer zu entzünden ist. Und dann durch die ganzen Sicherheitsvorkehrungen, die wir treffen. Das Gas ist in Tanks gelagert, die in Räumen mit Schutzatmosphäre stehen, also mit reduziertem Sauerstoff. Alle Rohleitungen, in denen das LNG oder das Gas geführt wird, sind doppelwandig ausgeführt. In der Außenwand ist auch noch Stickstoff. Und das alles ist komplett überwacht, mit Gasdetektoren, Drucksensoren. Und sofort, wenn der kleinste Gas-Alarm wäre, würde die Anlage sofort herunterfahren.
Wie und wann kommt das LNG an Bord der AIDAnova?
Das LNG kommt flüssig an Bord und wird mit einem Bunkerschiff angeliefert, bei ungefähr minus 160 Grad Celsius. Dann wird ein Schlauch angeschlagen und wir pumpen es hier herüber. Auf dieser Route bunkern wir immer in Teneriffa. Das Tankschiff kommt vom LNG-Terminal aus Seebrügge oder Rotterdam, das wechselt manchmal.
Von Seebrügge nach Teneriffa ist eine weite Strecke. Verursacht das nicht eine Menge zusätzlichen Treibstoffverbrauch?
Na gut, aber das Tankschiff nutzt ja auch LNG. Und das Boil-off-Gas, das eh‘ entsteht, wenn das Gas in deren Tanks gelagert wird. [Anm.: Boil-off-Gas entsteht bei der Lagerung von LNG durch Erwärmung, weil eine absolute Isolierung nicht möglich ist.]
Wo kommt das LNG in anderen Fahrtgebieten her, etwa wenn die AIDAnova im Sommer im Mittelmeer fährt?
Es gibt LNG-Terminals auf der ganzen Welt, wo man bunkern kann beziehungsweise das Bunkerschiff bunkern kann und uns dann beliefert. In Barcelona werden wir vom gleichen Schiff beliefert wie hier. Aber wo dort das LNG herkommen wird, weiß ich noch nicht.
Das Bunkern von LNG dauert länger als bei Schweröl. Was ist der Grund dafür?
Das Bunkern an sich dauert nicht länger. Aber die ganzen Vorbereitungsmaßnahmen und die Nachbereitung, also das Schlauch anschlagen, die ganzen Papiere, die ausgefüllt werden müssen, die ganzen Check-Listen, das ist aufwendiger als bei normalem Bunkern. Der reine Transfer von LNG hat das letzte Mal nur vier Stunden gedauert, das geht recht zügig.
Die niedrige Temperatur des LNG von minus 162 Grad ist für normalen Stahl ziemlich gefährlich. Wie funktioniert der LNG-Betrieb denn ohne Schäden?
In die Motoren geht warmes Gas, das wir vorher verdampfen und auf plus 30 Grad erhitzen und dann in den Motoren verbrennen. Und gelagert wird das LNG in Tanks gelagert, die aus speziellem Stahl sind, der diese tiefen Temperaturen verträgt.
Nur mit dem normalen Schiffsstahl dürfte das LNG nicht in Berührung kommen …
Genau. Das wäre fatal. Es würde die Struktur des Stahls kaputt machen, der würde extrem porös werden und brechen.
LNG gilt als Übergangstechnologie, bis klimaneutrale Techniken als Schiffsantrieb zur Verfügung stehen. Ist die AIDAnova darauf schon vorbereitet? Ist Akku-Betrieb denkbar?
Bei diesem Energieverbrauch ist das eher unwahrscheinlich. Letztlich wird es darauf hinauslaufen, dass wir an Bord Brennstoffzellen haben und die halt dann mit LNG betreiben. Das ist sogar schon vorgesehen. Wir haben einen Brennstoffzellen-Raum, die Brennstoffzelle ist aber noch nicht eingebaut.
[Anm.: Klimaneutrales, weil nicht aus fossilen Quellen stammendes, sondern synthetisch erzeugtes LNG ist technisch heute schon möglich. In großem Stil ist es aber wohl noch wesentlich zu teuer.]
Wir danken Daniel Henning für das Interview!
Schornstein und LNG-Entlüftung
Ein wenig ungewohnt ist die Silhouette der AIDAnova in Hinblick auf den Schornstein. Der sitzt nämlich ziemlich unauffällig und fast unsichtbar hinter dem großen AIDA-Logo im hinteren Drittel des Schiffs.
Die hohe, schornsteinartige Konstruktion vorderhalb des Theatrium dagegen ist lediglich eine Notfall-Entlüftung, falls LNG gasförmig werden sollte und abgeleitet werden muss. Da Erdgas im gasförmigen Zustand viel leichter als Luft ist, entweicht es hier dann von selbst nach oben.
Fotografieren verboten – und warum ich trotzdem Bilder habe …
Übrigens: Während des Bunker-Vorgangs in Teneriffa ist die Benutzung von elektronischen Geräten am Balkon und den Außendecks verboten, also auch Handy und Kamera. Security-Personal am Lanai-Deck achtet auf Einhaltung.
Warum also veröffentliche ich hier dennoch Fotos vom Bunker-Vorgang und dem Tankschiff? Ich habe von dem Verbot erst erfahren, nachdem ich meine Fotos bereits gemacht hatte. Denn die entsprechenden Durchsagen sind in der Kabine nicht zu hören – schon weil das Bunkern bereits am frühen Morgen beginnt. Und bis mich die Security von unten am Lanai-Deck gesehen und zu mir herauf gerufen hatte, waren die Bilder schon gemacht. Danach habe ich meine Kamera natürlich sofort ausgeschaltet.
Durch die Scheibe im Theatrium beziehungsweise später dann von der Landseite aus konnte ich das Tankschiff vor der AIDAnova ganz offiziell fotografieren, ohne unbeabsichtigt gegen Sicherheitsvorschriften zu verstoßen.
Eine ziemlich spannende Antriebstechnik. Bleibt zu hoffen, dass sich LNG bei neuen Schiffen schnell genug durchsetzt um einen gewissen Marktdruck auszuüben, sei es aufgrund von sensiblen Meeresgebieten (Arktis, Antarktis, Fjorde) und natürlich entsprechendem politischem Mut, die schlimmsten Abgassünder zu verbannen. Dann wird sich vielleicht auch in absehbarer Zeit das Henne-Ei-Dilemma lösen, dass es z.B. „nicht genügend Bunkermöglichkeiten gibt, weil es so wenige LNG-Schiffe gibt und so wenige LNG-Schiffe unterwegs sind, weil so weniger Bunkermöglichkeiten existieren“. In Dokumentationen sah ich, dass beim LNG-Bunkern die eventuell durch austretendes Gas gefährdeten Rumpfteile mit einen herabströmenden Wasserfilm vor Unterkühlung geschützt werden – gibt es das bei diesem Schiff auch? Für die Kritiker der Kreuzfahrt indes wird es dann vermutlich ganz schlimm, denn das beliebteste Totschlagargument von den „schwimmenden Müllverbrennungsanlagen“ wäre dann erledigt. Na, gut. Es bleiben immer noch „Käfighaltung, Ausbeutung, und Ähnliches.“ Es lebe der ewige Konflikt *g*.